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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 27.03.2002
Aktenzeichen: 3Z BR 50/02
Rechtsgebiete: FGG


Vorschriften:

FGG § 70 b
Zur Frage der Aufhebung einer Verfahrenspflegschaft im Verfahrensstand der weiteren Beschwerde.
Gründe:

I.

Das Amtsgericht bestellte für die Betroffene am 27.7.2000 eine Berufsbetreuerin für die Aufgabenkreise Gesundheitsfürsorge einschließlich der insoweit notwendigen Aufenthaltsbestimmung, Vermögenssorge und Wohnungsangelegenheiten. Mit Beschluss vom 31.10.2001 genehmigte es die Unterbringung der Betroffenen bis längstens 31.10.2002 in der geschlossenen Abteilung einer soziotherapeutischen Einrichtung.

Gegen diesen Beschluss legte der Verfahrenspfleger namens der Betroffenen sofortige Beschwerde ein. Im Beschwerdeverfahren bestellte sich ein Bevollmächtigter für die Betroffene und beantragte neben der Aufhebung der Unterbringungsgenehmigung, die Betreuerin von ihrem Amt zu entbinden sowie ihn anstelle des bisherigen Verfahrenspflegers zum Verfahrenspfleger zu bestellen, hilfsweise, einen anderen Betreuer zu bestellen und für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen.

Das Landgericht hat am 7.2.2002 die sofortige Beschwerde zu rückgewiesen und die weiteren Anträge abgewiesen.

Die Betroffene wendet sich mit ihrer sofortigen weiteren Beschwerde gegen den landgerichtlichen Beschluss. Mit ihrem durch den Verfahrenspfleger eingelegten Rechtsmittel möchte sie die Aufhebung der Unterbringungsgenehmigung erreichen, mit ihrem durch die Verfahrensbevollmächtigten eingelegten Rechtsmittel erstrebt sie dasselbe Ziel und darüber hinaus die Bestellung eines anderen Verfahrenspflegers sowie die Entlassung der Betreuerin, vorsorglich die Bestellung eines anderen Betreuers sowie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig (§§ 27 Abs. 1, 29 Abs. 2, 70, Abs. 1 Satz 2, 70g Abs. 3 Satz 1, 70m Abs. 1 FGG); insbesondere konnte der Verfahrenspfleger eine Kollegin zur Unterzeichnung der Beschwerdeschrift bevollmächtigen (vgl. Bassenge FGG 9. Aufl. § 29 Rn.4; Jansen FGG 2.Aufl. § 29 Rn. 17). In der Sache hat es keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat seine Entscheidung folgendermaßen begründet:

Die Betroffene leide seit 12 Jahren an einer Alkoholabhängigkeit und sei außerdem emotional instabil im Ausmaß einer Persönlichkeitsstörung. Das Zusammenwirken der beiden Störungen sei eine psychische Krankheit, welche dazu geführt habe, dass die Betroffene ihren Willen nicht mehr frei bestimmen und auf freiwilliger Basis eine Therapie nicht durchstehen könne. Angesichts der langen Krankheitsgeschichte könne ihr nur noch eine Langzeittherapie helfen, wobei die geschlossene Unterbringung allein schon deshalb notwendig sei, um erneuten Alkoholgenuss und damit eine weitere Gehirnschädigung zu verhindern. Da der Antrag auf Entlassung der Betreuerin beim Amtsgericht zu stellen sei, sei er als unzulässig zurückzuweisen. Es bestehe kein Grund, die bisherige Verfahrenspflegerin zu entlassen und an ihrer Stelle einen der Verfahrensbevollmächtigten zu bestellen.

2. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung im wesentlichen stand (§ 27 FGG, § 546 ZPO).

a) Das Landgericht hat zutreffend die Genehmigung der Unterbringung durch die Betreuerin gebilligt.

aa) Eine mit Freiheitsentziehung verbundene Unterbringung des Betreuten durch den Betreuer, d.h. die Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung gegen den Willen des Betreuten, bedarf der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts (§ 1906 Abs. 2 Satz 1 BGB). Dieses muss die Genehmigung erteilen, solange sie zum Wohle des Betreuten erforderlich ist, weil aufgrund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung des Betreuten die Gefahr besteht, dass er sich erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügt (§ 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB).

Eine Unterbringung zur Verhinderung einer Selbstschädigung infolge einer psychischen Erkrankung setzt voraus, dass der Betreute aufgrund seiner Krankheit seinen Willen nicht frei bestimmen kann (BayObLGZ 1993, 18,/19; BayObLG NJW-RR 1998, 1014 m.w.N.). Die Genehmigung ist auch zu erteilen, wenn eine Heilbehandlung des Betroffenen notwendig ist, jedoch ohne Unterbringung nicht durchgeführt werden kann, weil der Betreute aufgrund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung nicht in der Lage ist, die Notwendigkeit von Behandlungsmaßnahmen einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln (§ 1906 Abs. 1 Nr.2 BGB; vgl. BayObLG BtPrax 1996, 28/29; OLG Düsseldorf FamRZ 1995, 118). Die Erforderlichkeit der Unterbringung ist der strengen Prüfung am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu unterziehen, da die Freiheit der Person ein so hohes Rechtsgut darstellt, dass sie nur aus besonders wichtigem Grund angetastet werden darf (BVerfG NJW 1998, 1774/1775). Insbesondere muss auch dem psychisch Kranken in gewissen Grenzen die "Freiheit zur Krankheit" belassen bleiben, weshalb die Unterbringung zur Durchführung einer Heilbehandlung nur zulässig ist, wenn sie sich als unumgänglich erweist, um eine drohende gewichtige gesundheitliche Schädigung von dem Kranken abzuwenden (BVerfG aaO).

bb) Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Nach dem durch das Landgericht verfahrensfehlerfrei festgestellten und damit für den Senat bindenden Sachverhalt steht fest, dass die Betroffene an einer langjährigen Alkoholabhängigkeit und einer Persönlichkeitsstörung leidet. Diese haben im Zusammenwirken zu einer psychischen Krankheit geführt, welche der Betroffenen eine freie Willensbestimmung und eine Einsicht in das Ausmaß ihrer Krankheit sowie die notwendige Therapie unmöglich machen. Es steht weiter fest, dass Veränderungen und ein Abbau des Gehirns bereits begonnen haben und eine frühere von der Betroffenen freiwillig durchgeführte Therapie mit einem schweren Rückfall endete. In Anbetracht dieser Sachlage ist die Würdigung des Landgerichts nicht zu beanstanden, der Betroffenen könne nur noch eine Langzeittherapie im Rahmen einer Unterbringung helfen; diese Behandlungsform stelle für die Betroffene die letzte Möglichkeit dar, sich auf Dauer von ihrer Alkoholabhängigkeit lösen zu können.

cc) Das Landgericht war auch nicht dazu verpflichtet, ein weiteres Gutachten einzuholen. Es fehlen jegliche Anhaltspunkte dafür, dass es dem Sachverständigen, einem Oberarzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin, an Sachkunde fehlt, oder dass der benannte weitere Sachverständige über überlegene Untersuchungsmittel verfügt. Eine erneute Anhörung der Betroffenen im Beschwerdeverfahren war gemäß §§ 70m Abs. 3, 69a Abs. 5 FGG nicht veranlasst.

b) Zu Recht hat das Landgericht den ausdrücklich an dieses Gericht gerichteten Antrag der Betroffenen auf Entlassung der Betreuerin sachlich nicht behandelt, weil über den Inhalt des Antrags das Amtsgericht zu entscheiden hat (vgl. § 1908b Abs. 1 Satz 1 BGB). Mangels einer solchen Entscheidung konnte der Antrag daher in der Sache nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sein. Die Entscheidung war zur Klarstellung nur dahingehend zu berichtigen, dass die Beschwerde insoweit zu verwerfen war.

c) Es besteht kein Anlass, die Verfahrenspflegschaft aufzuheben. Zwar durfte das Landgericht diesen Antrag der Betroffenen nicht mit der Begründung ablehnen, die Sache sei entscheidungsreif und das Beschwerdeverfahren mit dem landgerichtlichen Beschluss erledigt. Im Unterbringungsverfahren endet die Stellung des Verfahrenspflegers, soweit das Verfahren nicht anderweit beendet wird, erst mit Rechtskraft der das Verfahren abschließenden Entscheidung (§ 70b Abs. 4 FGG). Zu den Aufgaben des Verfahrenspflegers gehörte es daher, nach Erlass der landgerichtlichen Entscheidung zu prüfen, ob hiergegen ein Rechtsmittel einzulegen war. Im Verfahren der weiteren Beschwerde besteht jedoch für eine Aufhebung der Verfahrenspflegschaft kein Anlass mehr, da der Senat nunmehr in der Sache sofort abschließend entscheiden kann und mit dieser Entscheidung die Verfahrenspflegschaft endet (§ 70b Abs. 4 Nr. 1 FGG).

d) Wegen der fehlenden Erfolgsaussicht der sofortigen weiteren Beschwerde konnte der Betroffenen keine Prozesskostenhilfe bewilligt werden (§ 14 FGG; § 114 ZPO).

Ende der Entscheidung

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