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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 23.05.2001
Aktenzeichen: 3Z BR 54/01
Rechtsgebiete: KostO


Vorschriften:

KostO § 19 Abs. 4
Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Überlassungsvertrag unter § 19 Abs. 4 KostO fällt.
Der 3. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Sprau sowie der Richter Dr. Schreieder und Dr. Denk

am 23. Mai 2001

in der Kostensache

betreffend Eintragungen im Grundbuch

auf die weitere Beschwerde der Beteiligten beschlossen:

Tenor:

Die weitere Beschwerde der Beteiligten gegen den Beschluss des Landgerichts Landshut vom 3. Januar 2001 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Beteiligte zu 2 überließ ihrem Sohn, dem Beteiligten zu 1, durch notariell beurkundeten Vertrag vom 29.6.1999 mehrere Grundstücke von insgesamt rd. 54 ha Fläche, beschrieben als landwirtschaftliche Nutzflächen, Wohnhaus, Hofraum, Lagerplatz, Hof- und Gebäudeflächen. In der notariellen Urkunde heißt es unter Ziff. IV:

Der Vertragsgrundbesitz wurde aufgrund eines Gesellschaftsvertrages der Saatzucht A. GmbH & Co. KG entgeltlich zur Nutzung überlassen. Der Erwerber hat Kenntnis vom Inhalt dieses Vertrages und tritt insofern in den Vertrag ein. Er ist bereits Mitgesellschafter.

Alleinige persönlich haftende Gesellschafterin der genannten KG ist eine GmbH. Kommanditisten mit jeweils gleich hoher Einlage sind die beiden Beteiligten, der Ehemann der Beteiligten zu 2 und Vater des Beteiligten zu 1 sowie eine weitere Familienangehörige. Gesellschafter der GmbH sind, wiederum mit jeweils gleich hoher Einlage, die vier Kommanditisten, Geschäftsführer ist der Ehemann der Beteiligten zu 2.

Gegenstand des Unternehmens der Gesellschaft ist der Betrieb einer Landwirtschaft mit Saatzucht. Neben dem vertragsgegenständlichen Betrieb ist von der Beteiligten zu 2 ein weiterer Betrieb zur Nutzung in die KG eingebracht.

Der Eigentumswechsel sowie eine Rückauflassungsvormerkung wurden am 20.9.1999 im Grundbuch eingetragen. In der hierfür erstellten Kostenrechnung vom 20.9.1999 ging der Kostenbeamte für den Geschäftswert unter Anwendung von § 19 Abs. 4 KostO vom vierfachen Einheitswert der Grundstücke aus. Auf Beanstandung des Bezirksrevisors wurde am 22.8.2000 eine neue Kostenrechnung erstellt, mit der von dem Beteiligten zu 1 unter Zugrundelegung des Verkehrswerts der Grundstücke die Zahlung weiterer 3799,50 DM verlangt wurde.

Hiergegen legte der Beteiligte zu 1 Erinnerung ein. Er ist der Auffassung, die ursprüngliche Kostenrechnung sei zutreffend gewesen.

Die Erinnerung wurde durch Beschluss des Amtsgerichts vom 16.10.2000 zurückgewiesen. Die hiergegen erhobene Beschwerde des Beteiligten zu 1, der sich die Beteiligte zu 2 anschloss, hat das Landgericht mit Beschluss vom 3.1.2001 zurückgewiesen.

Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten.

II.

Die vom Landgericht zugelassene weitere Beschwerde (§ 14 Abs. 3 Satz 2 KostO) ist unbegründet.

1. Das Landgericht hat seine Entscheidung damit begründet, der Beteiligte zu 1 sei nicht "Mitunternehmer" der von ihm und zuvor schon von seiner Mutter eingeschalteten GmbH & Co. KG. Die allein maßgebende handels- und gesellschaftsrechtliche Sicht erlaube es nicht, neben der allein haftenden GmbH im Rahmen der GmbH & Co. KG einen weiteren Unternehmer zu "fingieren", um ein Kostenprivileg, das ausschließlich zur Gewährleistung der Überlebensfähigkeit landwirtschaftlicher Betriebe geschaffen wurde, für Vollkaufleuten gleichstehende Handelsgesellschaften nutzbar zu machen. Die steuerliche Einordnung der Einkünfte im Rahmen der GmbH & Co. KG als solche aus Land- und Forstwirtschaft sei nicht maßgebend.

2. Die Entscheidung des Landgerichts erweist sich als richtig. Sie geht zwar auf die Voraussetzungen des § 19 Abs. 4 KostO nicht detailliert ein, nimmt aber im Ergebnis zutreffend an, dass der Überlassungsvertrag vom 29.6.1999 diese Voraussetzungen nicht erfüllt.

a) Die Privilegierung des § 19 Abs. 4 KostO sieht für Geschäfte, welche die Fortführung eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes mit Hofstelle betreffen, die Bewertung des land- oder forstwirtschaftlichen Vermögens nach dem Vierfachen des letzten Einheitswerts vor. Sie soll aus agrarpolitischen Gründen eine frühzeitige Regelung der Hofnachfolge fördern und der Erhaltung leistungsfähiger landwirtschaftlicher Betriebe dienen, die vielfach seit Generationen in der Hand bäuerlicher Familien geführt werden (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfes des Bundesrates BT-Drucks. 11/2343 S. 6 re. Sp. u.; BayObLG FGPrax 2000, 210; OLG Stuttgart Die Justiz 1998, 34).

b) Es ist bereits zweifelhaft, ob die überlassenen Grundstücke hier noch einen landwirtschaftlichen Betrieb bilden. Dies setzt, wie sich aus der Zielsetzung des § 19 Abs. 4 KostO ergibt, das Vorhandensein einer Hofstelle voraus, die in aller Regel der bäuerlichen Familie auch Wohnung bietet (BayObLGZ 1992f 231/233). Von der Hofstelle aus muss der Grund und Boden bewirtschaftet werden (vgl. auch Wöhrmann/Stöcker Das Landwirtschaftserbrecht 5. Aufl. § 1 Rn. 39). Grundbesitz und Hofstelle müssen eine wirtschaftliche und organisatorische Einheit bilden (Korintenberg/Bengel KostO 14. Aufl. § 19 Rn. 76 und 77).

Vom Vorliegen dieser Voraussetzung kann hier nicht ohne weiteres ausgegangen werden. Die Grundstücke werden offenbar bereits seit längerer Zeit zusammen mit anderen Grundstücken gemeinschaftlich durch eine Handelsgesellschaft bewirtschaftet. Ob dies von einer zum übergebenen Grundbesitz gehörenden Hofstelle aus geschieht, ist nicht geklärt. Die beiden Beteiligten wohnten, soweit dies den Akten zu entnehmen ist, weder unmittelbar vor noch nach der Überlassung des Grundbesitzes auf dieser Hofstelle.

c) Die Frage, ob noch ein landwirtschaftlicher Betrieb im Sinn von § 19 Abs. 4 KostO gegeben ist, bedarf jedoch keiner abschließenden Klärung. Denn die Anwendung dieser Vorschrift setzt außerdem, wie aus der Formulierung des Gesetzgebers ("oder die Fortführung des Betriebs in sonstiger weise") zu erkennen ist, auch bei der Überlassung durch Übergabevertrag voraus, dass diese der Betriebsfortführung durch den Erwerber dient (vgl. BayObLGZ 1994, 110/111 m.w.N.; Göttlich/Mümmler KostO 14. Aufl. S. 505). Der überlassene Betrieb muss hierbei nicht nur objektiv fortführbar sein, vielmehr muss auch beabsichtigt sein, dass er durch den Erwerber in eigener Verantwortung oder zumindest unter seiner fachlichen Oberaufsicht fortgeführt wird (BayObLGZ 1994, 110/112). Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt.

aa) Eine Fortführung durch den Beteiligten zu 1 kann nicht schon darin gesehen werden, dass der überlassene Grundbesitz in eine KG zur Nutzung eingebracht und der Beteiligte zu 1 an dieser KG beteiligt ist.

Der Erwerber, dem das Privileg zugute kommen soll, muss eine natürliche Person sein (Korintenberg/Bengel KostO 14. Aufl. § 19 Rn. 80), er muss den Betrieb fortführen. Demgegenüber ist die GmbH & Co. KG, die hier den übergebenen Grundbesitz bewirtschaftet, damit einen allenfalls vorhandenen Betrieb führt und nach dem Gesellschaftsvertrag auch auf absehbare Zeit führen soll, nach ihrer konkreten Ausgestaltung eine die Haftung des Erwerbers weitgehend ausschließende Handelsgesellschaft, wie das Landgericht zutreffend ausführt. Es kann dahinstehen, ob, wofür manches spricht und wie das Landgericht offenbar meint, in einem solchen Fall die Anwendung des § 19 Abs. 4 KostO generell ausscheidet. Denn jedenfalls ist zu fordern, dass die an dem privilegierten Geschäft als Übernehmer beteiligte Person zumindest bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise den Betrieb allein verantwortlich fortführen soll.

Dies ist hier nicht der Fall. Insbesondere hat der Beteiligte zu 1 nicht die Unternehmensführung der KG inne (vgl. zu dem ähnlichen Fall der BGB-Gesellschaft BayObLG JurBÜro 1999, 600). Vielmehr liegen Vertretung und Geschäftsführung der KG bei der Komplementär-GmbH, deren Geschäftsführer und damit auch Vertreter der Vater des Beteiligten zu 1 ist (§ 7 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags, im folgen GV). In der Gesellschafterversammlung, welche die grundsätzlichen Entscheidungen zur Geschäftsführung trifft, hat der Beteiligte zu 1 nur eine von vier Stimmen (§ 8 Abs. 4 GV), d.h. er kann von den anderen Gesellschaftern ohne weiteres überstimmt werden.

bb) Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Beteiligte zu 1 als Erwerber beabsichtigt, den Überlassenen Grundbesitz im Zusammenhang mit der Überlassung zu einem späteren Zeitpunkt eigenverantwortlich und als eigenen landwirtschaftlichen Betrieb zu bewirtschaften.

Der Senat hat mehrfach entschieden, dass die Betriebsfortführung durch den Erwerber nicht notwendigerweise dem Erwerbsgeschäft zeitlich unmittelbar nachfolgen muss. So ist es für die Anwendung des § 19 Abs. 4 KostO unschädlich, wenn der Betrieb zunächst in eine BGB-Gesellschaft eingebracht wird, gleichzeitig aber eine vollständige Nachfolgeregelung getroffen ist, durch welche die spätere Betriebsfortführung durch den Erwerber sichergestellt ist (vgl. BayObLG JurBüro 1999, 600). Gleiches gilt für die Übergabe eines verpachteten Betriebs an den fortführungsbereiten Sohn bei gleichzeitiger Kündigung des Pachtverhältnisses (vgl. BayObLG MittBayNot 1997, 382), weil bei dieser Sachlage der Sohn nach Beendigung des Pachtverhältnisses den Betrieb übernehmen und fortführen kann. Auch in den Fällen, in denen sich der Veräußerer den Nießbrauch an dem landwirtschaftlichen Grundstück vorbehält, ist die Anwendung von § 19 Abs. 4 KostO nicht ausgeschlossen (für einen Nießbrauch von zweijähriger Dauer vgl. BayObLG NJW-RR 1999, 224; für einen lebenslangen Nießbrauch vgl. BayObLGZ 1997, 240). Schließlich sind Fälle denkbar, in denen die Betriebsfortführung durch den Erwerber wegen seines geringen Alters oder wegen seiner Berufsausbildung auf längere Zeit noch nicht möglich ist, jedoch für später fest vorgesehen ist (vgl. BayObLGZ 1991, 200).

Erforderlich ist aber ein Zusammenhang zwischen der Übergabe und der Fortführung. Deshalb kann die bloße theoretische Möglichkeit, irgendwann den Betrieb selbst zu führen, die Privilegierung nicht begründen. So hat der Senat die Anwendung des § 19 Abs. 4 KostO abgelehnt, wenn der Betrieb zur Zeit des Abschlusses des Überlassungsvertrags verpachtet ist und von dem Pächter unverändert fortgeführt wird, so dass der Überlassungsvertrag die Fortführung des Betriebes nicht berührt (vgl. BayObLGZ 1994, 110).

Dem ist der vorliegende Fall vergleichbar. Zwar ist die Einbringung der Nutzung des landwirtschaftlichen Betriebes in die KG keine Pacht (§§ 581 Abs. 1, 585 Abs. 1 BGB). Entscheidend ist jedoch, dass hier wie dort der Betrieb unverändert durch einen Dritten (hier die GmbH & Co. KG) fortgeführt wird und auch fortgeführt werden soll. Weder nach dem Vorbringen der Beteiligten noch nach dem Akteninhalt ist zweifelsfrei (vgl. BayObLG JurBüro 1999, 600) eine spätere Betriebsfortführung allein durch den Beteiligten zu 1 in der weise beabsichtigt, dass ihm der Betrieb Wohnung und Existenzgrundlage böte (vgl. BayObLGZ 1992, 231/233 f.). Weder der Überlassungsvertrag noch der Gesellschaftsvertrag enthalten Hinweise darauf, dass der übergebene Grundbesitz in absehbarer Zeit wieder aus der Nutzung durch die KG ausscheiden und dann vom Beteiligten zu 1 allein bewirtschaftet werden könnte. Die Bindung durch den Gesellschaftsvertrag ist von langer Dauer, da dieser frühestens zum 30.6.2009 gekündigt werden kann (§ 12 Abs. 2 GV). Es ist auch nicht sicher, dass der Beteiligte zu 1 im Rahmen der KG die wirtschaftliche Alleinverantwortung für die Betriebsfortführung übernehmen wird. Beide Verträge sehen sogar Fallgestaltungen vor, bei deren Eintritt der Beteiligte zu 1 die Nutzung, unter Umständen sogar das Eigentum an den übergebenen Grundstücken auf Dauer verlieren könnte. So kann der Betrieb durch Mehrheitsbeschluss gegen den Willen des Beteiligten zu 1 anderweitig verpachtet werden (§ 2 Abs. 3 GV). Der Beteiligte zu 1 kann unter Umständen aus der KG ausscheiden oder ausgeschlossen werden (§ 12 Abs. 7 GV). Die KG kann nach Kündigung ohne ihn fortgesetzt werden (§ 12 Abs. 6 GV). Schließlich können die Voraussetzungen des Rückfalls eintreten (Ziff. IX des Überlassungsvertrags).

d) Da § 19 Abs. 4 KostO die vorliegende Ausgestaltung eines Überlassungsvertrages nicht erfaßt, war der Grundbesitz nach § 19 Abs. 2 KostO zu bewerten. Der vom Amtsgericht angenommene Verkehrswert der übertragenen Grundstücke ist von keiner Seite beanstandet worden und durfte daher der Geschäftswertfestsetzung zugrundegelegt werden. Die angegriffene Gebührennachforderung ist somit nicht zu beanstanden.

3. Eine Kostenentscheidung ist im Hinblick auf § 14 Abs. 5 KostO nicht veranlaßt.

Ende der Entscheidung

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