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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 20.04.2000
Aktenzeichen: 3Z BR 60/00
Rechtsgebiete: FGG, BGB


Vorschriften:

FGG § 69 i Abs. 3
FGG § 69 g Abs. 1 Satz 1
FGG § 70 m Abs. 2
FGG § 70 d Abs. 1 Satz 1 Nr.2
FGG § 20 Abs. 1
BGB § 1908 b Abs.1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
3Z BR 60/00 LG Augsburg 5 T 921/99 AG Dillingen a.d. Donau 2 XVII 33/97

Bayerisches Oberstes Landesgericht

BESCHLUSS

Der 3.Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung der Richter Dr.Schreieder, Dr.Plößl und Dr.Nitsche

am 20.April 2000

in der Betreuungs- und Unterbringungssache auf die weitere Beschwerde des Beteiligten

beschlossen:

Tenor:

Die weitere Beschwerde gegen den Beschluß des Landgerichts Augsburg vom 16.Februar 2000 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Tenor des Beschlusses wie folgt lautet:

Die Beschwerde gegen den Beschluß des Amtsgerichts Dillingen a.d.Donau vom 22.Januar 1999 wird zurückgewiesen, soweit der Antrag auf Aufhebung der Betreuung und Entlassung der Betreuer abgelehnt wurde, und verworfen, soweit der Antrag auf Aufhebung der Genehmigung der Unterbringung und der unterbringungsähnlichen Maßnahmen abgelehnt wurde.

Gründe:

I.

Am 11.3.1997 bestellte das Amtsgericht für die Betroffene die Eheleute W. zu ehrenamtlichen Betreuern und bestimmte als deren Aufgabenkreis die Sorge für die Gesundheit, die Aufenthaltsbestimmung, die Auflösung des Haushalts und die Vermögenssorge.

Mit Beschluß vom 3.7.1997 genehmigte das Amtsgericht die Unterbringung der Betroffenen in einer geschlossenen Abteilung eines Alten- und Pflegeheims bis längsten 2.7.1999. Mit Beschluß vom 25.9.1997 genehmigte es ferner, bis 24.9.1999 nachts Bettgitter anzubringen und der Betroffenen einen Bauchgurt anzulegen.

Mit Schreiben vom 20.10.1998 beantragte der in Brasilien lebende Sohn der Betroffenen, "sämtliche Verfügungen und vor allem die Vollmacht des Betreuerehepaares W. rückgängig zu machen" sowie, die Betroffene "aus der geschlossenen Anstalt und Unterbringung" sofort zu entlassen.

Das Amtsgericht legte das Schreiben als Antrag auf Aufhebung der Betreuung und Entlassung der derzeitigen Betreuer sowie auf Aufhebung der Genehmigung der Unterbringung und der unterbringungsähnlichen Maßnahmen aus und lehnte den Antrag nach Erholung eines weiteren Gutachtens und einer Stellungnahme der Betreuungsbehörde sowie nach Anhörung der Betroffenen mit Beschluß vom 22.1.1999 ab.

Die vom Sohn der Betroffenen hiergegen eingelegte Beschwerde hat das Landgericht nach mehrmaliger Korrespondenz mit diesem am 16.2.2000 zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluß wendet sich der Beschwerdeführer mit der weiteren Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig, hat aber keinen Erfolg.

1. Bezüglich der Ablehnung des Antrags auf Aufhebung der Betreuung und Entlassung der Betreuer ist das Landgericht zutreffend davon ausgegangen, daß der Sohn der Betroffenen berechtigt ist, sich hiergegen zu beschweren. Seine Beschwerdeberechtigung ergibt sich insoweit aus § 69i Abs.3 i.V.m. § 69g Abs.1 Satz 1 FGG (vgl. BayObLGZ 1993, 350 f.).

Die Zurückweisung der diesen Gegenstand betreffenden Beschwerde durch das Landgericht hält der rechtlichen Nachprüfung stand (§ 27 Abs.1 FGG, § 550 ZPO).

a) Das Landgericht hat - teils im Wege der Bezugnahme auf die vorliegenden Sachverständigengutachten und die Entscheidung des Amtsgerichts - im wesentlichen ausgeführt:

Die Betroffene leide an einer geistigen Behinderung, nämlich einer senilen Demenz mit primärer Altersatrophie des Hirngewebes und allmählich fortschreitendem psychoorganischem Abbau. Sie zeige schwere mnestische Ausfälle und sei zur Person sowie zeitlich und räumlich weitgehend desorientiert, so daß sie auf der Station häufig umherirre und ihr Zimmer und in ihrem Zimmer ihr Bett nicht finden könne. Aufgrund der Behinderung sei sie in den Bereichen der Betreuung nicht urteilsfähig und nicht in der Lage, ihre Angelegenheiten selbst zu besorgen. Die bestellten Betreuer abzulösen bestehe kein Grund. Die Betroffene sei mit ihnen einverstanden. Sie seien ihre einzigen Bezugspersonen, hätten sich bisher um sie gekümmert und täten dies auch weiterhin. Die ihnen übertragenen Aufgaben nähmen sie gewissenhaft und korrekt wahr.

b) Diese Ausführungen begegnen keinen rechtlichen Bedenken. Das Landgericht hat den entscheidungserheblichen Sachverhalt verfahrensfehlerfrei festgestellt und ohne Rechtsfehler gewürdigt.

aa) Die Feststellungen der Kammer tragen die Aufrechterhaltung der Betreuung, da deren Voraussetzungen nicht weggefallen, sondern weiterhin gegeben sind (§ 1908d Abs.1 Satz 1, § 1896 Abs.1 Satz 1, Abs.2 Satz 1 BGB; vgl. BayObLGZ 1994, 209/211 f.).

bb) Soweit der Sohn der Betroffenen die Entlassung der Eheleute W. anstrebt, um seine Mutter zu sich nach Brasilien holen und durch seine Familie versorgen und pflegen lassen zu können, ist die Ablehnung seines Antrags rechtlich nicht zu beanstanden.

Ergibt sich im Laufe der Betreuung, daß diese nunmehr durch einen nahen Verwandten übernommen werden könnte, führt dies nicht ohne weiteres zur Entlassung des bisher tätigen und - wie hier - weiterhin geeigneten Betreuers. Vielmehr liegt ein "anderer wichtiger Grund" für dessen Entlassung (§ 1908b Abs.1 Satz 1 BGB) nur vor, wenn die Betreuung durch den nahen Verwandten bei Berücksichtigung aller Umstände dem Wohl des Betreuten erheblich besser entspricht. Im Vordergrund stehen auch insoweit die Wünsche des Betreuten (vgl. § 1897 Abs.4 BGB; BayObLG FamRZ 1994, 322). Zu beachten ist ferner, daß nahen Angehörigen wegen ihres gewöhnlich engen persönlichen Kontakts zum Betreuten und ihrer vielfach guten Kenntnis seiner Verhaltensweisen und Bedürfnisse gegenüber Fremdbetreuern in der Regel der Vorzug gebührt (§ 1897 Abs.5 BGB; vgl. MünchKomm/Schwab BGB 3.Aufl. § 1897 Rn.26). In die Abwägung einzubeziehen sind jedoch insbesondere auch die Qualität des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Betreuten und seinem bisherigen Betreuer sowie die Bedeutung der Frage der Kontinuität für die betreffende Betreuung (vgl. OLG Köln NJWE-FE R 1998, 129/130; Rink in HK-BUR § 1908b BGB Rn.10).

Das Rechtsbeschwerdegericht kann die Beurteilung des Tatrichters, ob der bisherige Betreuer gemäß § 1908b Abs.1 Satz 1 BGB aus einem "anderen wichtigen Grund" zu entlassen ist, nur auf Rechtsfehler überprüfen (§ 27 Abs.1 Satz 1 FGG), d.h. dahin, ob der Tatrichter den unbestimmten Rechtsbegriff verkannt hat, von ungenügenden oder verfahrenswidrig zustandegekommenen Feststellungen ausgegangen ist, wesentliche Umstände außer Betracht gelassen, der Bewertung maßgeblicher Umstände unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt, gegen die Denkgesetze verstoßen oder Erfahrungssätze nicht beachtet hat.

Die Ablehnung der Entlassung der bisherigen Betreuer läßt einen solchen Rechtsfehler nicht erkennen. Für die Entscheidung des Landgerichts ausschlaggebend war ersichtlich, daß der Sohn der Betroffenen zu dieser über Jahre hinweg keinerlei Kontakt hatte und daß der Betroffenen nicht einmal sein Aufenthalt bekannt war. Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Landgericht unter diesen Umständen das Wohl der Betroffenen bei einer Fortführung der Betreuung durch die bisherigen Betreuer besser gewährleistet sah (vgl. OLG Celle FamRZ 1997, 845/846), zumal die Betroffene mit den Eheleuten W. als Betreuern einverstanden ist.

2. Hinsichtlich der Ablehnung des Antrags auf Aufhebung der vom Amtsgericht mit den Beschlüssen vom 3.7. und 25.9.1997 erteilten Genehmigungen von Unterbringungsmaßnahmen ist die hiergegen eingelegte Erstbeschwerde schon als unzulässig zu verwerfen, da dem Beschwerdeführer insoweit die Beschwerdeberechtigung fehlt. Eine solche ergibt sich nicht aus § 70m Abs.2 FGG i.V.m. § 70d Abs.1 Satz 1 Nr.2 FGG. Der Beschwerdeführer ist zwar der Sohn der Betroffenen. Diese lebt aber nicht bei ihm noch hat sie bei Einleitung des Verfahrens bei ihm gelebt. Die erforderliche Beschwerdeberechtigung läßt sich ferner nicht aus § 20 Abs.1 FGG ableiten, da der Sohn der Betroffenen durch die Ablehnung des Antrags nicht in einem eigenen subjektiven Recht beeinträchtigt wurde. Bei fehlender Lebensgemeinschaft stellen Unterbringungsmaßnahmen in der Regel keinen Eingriff in durch Art.6 Abs.1 GG gewährleistete Rechte Angehöriger dar (vgl. BT-Drucks.11/4528 S.187). Anhaltspunkte dafür, daß hier ein Ausnahmefall vorliegt, sind nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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