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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 14.04.2004
Aktenzeichen: 3Z BR 63/04
Rechtsgebiete: FGG


Vorschriften:

FGG § 69i Abs. 6
Geht das aktuelle ärztliche Zeugnis im Falle der Verlängerung einer Betreuerbestellung auf die Frage einer zwischenzeitlichen Besserung des Gesundheitszustands des Betroffenen nicht ein, obwohl der Arzt vor nicht allzu langer Zeit eine Betreuungsbedürftigkeit noch verneint hat, und ergibt sich aus dem äußeren Eindruck des Betroffenen bei der Anhörung eine Besserung seines Zustands, kann nicht davon ausgegangen werden, der Umfang der Betreuungsbedürftigkeit habe sich offensichtlich nicht verringert.
Gründe:

I.

Das Amtsgericht verlängerte am 14.1.2004 eine erstmals am 18.12.2002 angeordnete Betreuung für den Betroffenen auf weitere fünf Jahre. Der Aufgabenkreis der erneut bestellten Vereinsbetreuerin umfasst danach unverändert die Gesundheitsfürsorge, Vermögenssorge, Wohnungsangelegenheiten, Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern, sowie Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post.

Das Landgericht hat am 16.2.2004 die vom Betroffenen hiergegen eingelegte Beschwerde zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde des Betroffenen.

II.

Die weitere Beschwerde ist zulässig und begründet. Sie führt wegen eines Verfahrensmangels zur Aufhebung der Entscheidung des Landgerichts und zur Zurückverweisung der Sache.

1. Das Landgericht stützt seine Entscheidung zur Notwendigkeit einer Betreuung auf ein Sachverständigengutachten vom 26.8.2002, auf ein für das Sozialgericht Bayreuth erstelltes Gutachten vom 8.5.2003, auf ein fachärztliches Zeugnis vom 13.11.2003 und auf eine fachärztliche Stellungnahme zu Protokoll des Amtsgerichts vom 28.11. bzw. 1.12.2003. Es geht davon aus, dass sich die Symptomatik des Betroffenen unter dem Einfluss einer neuen Medikamentation gebessert habe, die Erkrankung jedoch mangels Behandlungsmöglichkeit weiter bestehe. Der Betroffene könne nach Überzeugung des Landgerichts seinen Willen nicht frei bestimmen und sei daher in den vom Landgericht näher ausgeführten Bereichen betreuungsbedürftig.

2. Für die Entscheidung über die Verlängerung der Bestellung eines Betreuers sind die Grundsätze maßgebend, die für die erstmalige Bestellung gelten (§ 69i Abs. 6 Satz 1 FGG; vgl. BayObLG FamRZ 1998, 921). Die Bestellung eines Betreuers setzt voraus, dass der Betroffene aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen kann (§ 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB). Lehnt der Betroffene eine Betreuung ab, darf für ihn ein Betreuer nur bestellt werden, wenn er wegen seiner Krankheit oder Behinderung nicht imstande ist, seinen Willen frei zu bestimmen (vgl. BayObLGZ 1994, 209/211; BayObLG FamRZ 2000, 189). Zur Ermittlung dieser Voraussetzungen muss das Gericht grundsätzlich ein Sachverständigengutachten einholen (§ 68b Abs. 1 Satz 1 FGG), wobei das Beschwerdegericht auf vom Amtsgericht eingeholte Gutachten zurückgreifen kann (§ 69g Abs. 5 Satz 4 FGG).

Im Falle der Betreuungsverlängerung kann von der erneuten Einholung eines Gutachtens abgesehen werden, wenn sich aus der persönlichen Anhörung des Betroffenen und einem ärztlichen Zeugnis ergibt, das sich der Umfang der Betreuungsbedürftigkeit offensichtlich nicht verringert hat (§ 69i Abs. 6 Satz 2 FGG).

3. Nach diesen Grundsätzen hätte das Landgericht auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen ein neues Gutachten einholen müssen.

a) Der Betreuungsbedarf und der Umfang der Betreuung wurden für die erstmalige Anordnung der Betreuung im Gutachten vom 26.8.2002 hinreichend festgestellt. Ein weiteres zeitnahes Gutachten für die Verlängerung der Betreuung liegt ausweislich der Akten nicht vor. Auf das Gutachten vom 8.5.2003 könnte allenfalls ergänzend zurückgegriffen werden, soweit es die psychische Erkrankung, die vom Betroffenen selbst nicht in Zweifel gezogen wird, bestätigt. Hinsichtlich der Betreuungsbedürftigkeit des Betroffenen im Übrigen enthält es nahezu keine Anhaltspunkte. Gleiches gilt für das im Unterbringungsverfahren ohne persönliche Exploration des Betroffenen erstellte amtsärztliche Gutachten vom 10.11.2003. Bei der durch das Landgericht erwähnten Äußerung des Facharztes für Psychiatrie Dr. K. vom 13.11.2003 handelt es sich nicht um ein Gutachten, sondern um ein ärztliches Zeugnis. Die fachärztlichen Bekundungen des Oberarztes Dr. N. bei der letzten Anhörung des Betroffenen durch das Amtsgericht enthalten zum Umfang der Betreuungsbedürftigkeit des Betroffenen keine Angaben. Es kann deshalb dahinstehen, ob sie als gutachtliche Äußerung geeignet wären, wobei im Übrigen auffällt, dass die beiden Exemplare der diesbezüglichen Niederschrift bei identischem Wortlaut verschiedene Datumsangaben tragen (das Exemplar in den Betreuungsakten das Datum 1.12.2003, das im Unterbringungsheft das ausgebesserte Datum 28.11.2003).

b) Unter diesen Umständen hätte sich das Landgericht mit der Frage der Entbehrlichkeit eines neuen Gutachtens gemäß § 69i Abs. 6 Satz 2 FGG näher befassen müssen. Dies ist unterblieben. Aus den Feststellungen und dem Akteninhalt kann auch nicht entnommen werden, dass sich der Umfang der Betreuungsbedürftigkeit offensichtlich nicht verringert hat. Das ärztliche Zeugnis vom 13.11.2003 bietet für eine solche Annahme keine hinreichende Grundlage. Es stützt sich auf eine letztmalige Untersuchung des Betroffenen am 21.7.2003, was jedenfalls angesichts der festgestellten Schwankungen des gesundheitlichen Zustands des Betroffenen zu lange zurückliegt. Das Ankreuzen vorgegebener Auswahlantworten ohne weitere individuelle Erläuterungen lässt für sich genommen jedenfalls nicht den Schluss auf einen offensichtlichen Fortbestand der Betreuungsbedürftigkeit zu, zumal der attestierende behandelnde Arzt bzw. eine Fachärztin aus seiner Praxis nicht allzu lange Zeit vorher einen Betreuungsbedarf noch verneint haben (vgl. die amtsärztliche Stellungnahme vom 9.1.2002 und das Gutachten vom 28.8.2002 S. 27). Zu berücksichtigen ist auch, dass die Behandlung des Betroffenen während seiner Unterbringung vom 27.11.2003 bis 5.12.2003 und seinem anschließenden freiwilligen Aufenthalt in der Nervenklinik zu einer Stabilisierung, wenn nicht gar zu einer Besserung seines Gesundheitszustands geführt haben dürften, wie dies auch in dem richterlichen Vermerk im Anschluss an die Anhörung des Betroffenen am 11.2.2004 zum Ausdruck kommt.

c) Da der Sachverhalt nicht hinreichend geklärt ist, kann der Senat nicht selbst in der Sache entscheiden. Die Sache ist an das Landgericht zurückzuverweisen.

4. Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass das Landgericht, wenn es die Anhörung einem beauftragten Richter überträgt, dies entweder in der Übertragungsentscheidung oder in der Entscheidung zur Hauptsache zu begründen hat (vgl. OLG Düsseldorf FamRZ 1996, 118/119; Thüringer OLG FamRZ 2001, 714/715; BayObLG FamRZ 1997, 1360; 2002, 1362 [LS]).



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