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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 02.06.2004
Aktenzeichen: 3Z BR 65/04
Rechtsgebiete: BGB, FGG


Vorschriften:

BGB § 1896 Abs. 2 S. 2
BGB § 1903 Abs. 1
FGG § 69f Abs. 1
FGG § 69h
1. Erledigt sich die Anordnung eines vorläufigen Einwilligungsvorbehalts, kann dessen Rechtmäßigkeit bei der wegen § 69h FGG weiterhin erforderlichen Prüfung nur bejaht werden, wenn auch die Bestellung eines vorläufigen Betreuers rechtmäßig war.

2. Zum Schutz des Betroffenen kann trotz Vorliegens einer General- und Vorsorgevollmacht ein vorläufiger Einwilligungsvorbehalt angeordnet werden, wenn die Wirksamkeit der Vollmacht wegen Zweifeln an der Geschäftsfähigkeit des Betroffenen unklar ist und die konkrete Gefahr besteht, dass ohne Einwilligungsvorbehalt vermögensrechtliche Transaktionen zum Nachteil des Betroffenen vorgenommen werden.


Gründe:

I. Mit Beschluss vom 16.7.2003 bestellte das Vormundschaftsgericht durch einstweilige Anordnung den jetzigen Betreuer zum vorläufigen Betreuer für die Betroffene mit den Aufgabenkreisen Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge, Vermögenssorge, insoweit insbesondere Widerruf bisher erteilter Vollmachten sowie Überprüfung und gegebenenfalls Geltendmachung von Rückforderungsansprüchen, und bestimmte einen Einwilligungsvorbehalt für Willenserklärungen, welche den Aufgabenkreis Vermögenssorge betreffen. Die einstweilige Anordnung wurde bis 15.1.2004 befristet und ihre sofortige Wirksamkeit angeordnet.

Gegen diesen Beschluss legte die Betroffene Beschwerde und sofortige Beschwerde ein mit dem Ziel, eine sofortige Aufhebung des Beschlusses zu erreichen. Beide Rechtsmittel hat das Landgericht am 11.12.2003 zurückgewiesen.

Hiergegen richten sich die am 30.12.2003 eingelegten weiteren und sofortigen weiteren Beschwerden der Betroffenen und des weiteren Beteiligten.

Am 12.12.2003 bestellte das Amtsgericht unter Erweiterung des Aufgabenkreises den bisherigen vorläufigen Betreuer zum endgültigen Betreuer.

II. 1. Die weiteren Beschwerden sind infolge Erledigung der Hauptsache unzulässig.

Soweit sich die Rechtsmittel der Betroffenen und des weiteren Beteiligten gegen die Betreuerbestellung richten, liegt eine einfache weitere Beschwerde nach §§ 20 Abs. 1, 69g Abs. 1 Satz 1, 27 Abs. 1 FGG vor. Ein Verfahren auf Bestellung eines vorläufigen Betreuers ist in der Hauptsache erledigt, wenn ein endgültiger Betreuer bestellt wird (ständige Rechtsprechung; vgl. BayObLG BtPrax 1994, 61; Senatsbeschluss vom 30.7.2003, Az. 3Z BR 40/03). Die Erledigung der Hauptsache ist bereits vor Einlegung der Rechtsmittel eingetreten, so dass die Beschwerden mit dem beabsichtigten Ziel von Anfang an unzulässig waren. Sie hätten allenfalls mit geänderten Anträgen - auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der angegriffenen Maßnahmen - fortgeführt werden können. Eine Antragsänderung ist trotz Hinweises des Senats nicht erfolgt. Die Beschwerden waren daher zu verwerfen.

2. Die sofortige weitere Beschwerde des weiteren Beteiligten ist gleichfalls zu verwerfen.

Soweit sich das Rechtsmittel gegen die Anordnung eines Einwilligungsvorbehaltes richtet, handelt es sich um eine sofortige weitere Beschwerde nach § 69g Abs. 1 und 4 Satz 1 Nr. 1, §§ 27 Abs. 1, 29 Abs. 2 FGG. Dem weiteren Beteiligten steht kein entsprechendes Beschwerderecht zu. Er hat gegen die Erstentscheidung des Amtsgerichts, mit welcher dieses einen Einwilligungsvorbehalt für die Betroffene mit sofortiger Wirksamkeit angeordnet hatte, keine sofortige Beschwerde eingelegt. Damit ist die Frist zur Einlegung einer Erstbeschwerde abgelaufen, so dass der weitere Beteiligte sich nicht mehr am Rechtsmittelverfahren beteiligen kann (vgl. Bassenge/Herbst/Roth FGG/RPflG 9. Aufl. § 27 FGG Rn. 8; Keidel/Meyer-Holz FGG 15. Aufl. § 27 Rn. 11).

3. Die sofortige weitere Beschwerde der Betroffenen ist zulässig, §§ 69g Abs. 1, 27 Abs. 1, 29 Abs. 2 FGG; sie hat aber im Ergebnis in der Sache keinen Erfolg.

a) Obwohl die Anordnung eines vorläufigen Einwilligungsvorbehaltes durch die endgültige Anordnung eines Einwilligungsvorbehaltes abgelöst worden ist, hat sich insoweit die Hauptsache nicht erledigt. Aus § 69h FGG ergibt sich, dass nach Aufhebung eines Einwilligungsvorbehaltes die Wirksamkeit der von oder gegenüber dem Betroffenen vorgenommenen Rechtsgeschäfte nicht auf Grund des ursprünglich angeordneten Einwilligungsvorbehaltes in Frage gestellt werden kann. Daraus folgt, dass der Betroffene auch noch nach Aufhebung des Einwilligungsvorbehaltes ein schutzwürdiges Interesse an einer Überprüfung der Anordnung hat, da mit ihrer Aufhebung die mit dem Einwilligungsvorbehalt verbundenen Beschränkungen (§ 1903 BGB) rückwirkend entfallen und somit Zweifel an der Wirksamkeit der von oder gegenüber dem Betroffenen vorgenommenen Rechtsgeschäfte endgültig beseitigt werden (vgl. OLG Hamm FamRZ 1993, 722/723; BayObLG NJWE-FER 2000, 266 für den Fall des Todes des Betreuten; Bassenge Einleitung FGG Rn. 120; Keidel/Kayser § 69h Rn. 4).

b) Das Landgericht hat seine Entscheidung folgendermaßen begründet:

Da zum Schutz der Betroffenen Eile geboten sei, habe das Amtsgericht zu Recht einen vorläufigen Betreuer bestellt. Es lägen dringende Gründe für die Annahme vor, dass ein endgültiger Betreuer zu bestellen sei. Aus dem Gutachten des Landratsamtes - Kreisgesundheitsamtes - B. ergebe sich, dass die Betroffene an einer senilen Demenz leide und nicht mehr in der Lage sei, ihre eigenen Angelegenheiten zu regeln. Die Angaben des Sachverständigen zu dem geistigen Gesundheitszustand der Betroffenen hätten sich anlässlich der Anhörung der Betroffenen durch die Kammer bestätigt. Die Betroffene habe letztlich keinen eigenen Willen mehr und sei durch jeden ihrer beiden Söhne in jede Richtung manipulierbar. Die Betreuung sei auch erforderlich. Zwar habe die Betroffene eine Generalvollmacht zugunsten des weiteren Beteiligten vorgelegt, die Kammer habe aber erhebliche Zweifel an der Wirksamkeit der Vollmacht, weil nach dem ärztlichen Gutachten bereits zum Zeitpunkt der Vollmachtserteilung Geschäftsunfähigkeit bei der Betroffenen vorgelegen habe. Im Übrigen sei die Betroffene zu einer Überwachung des Bevollmächtigten nicht mehr in der Lage. Eine spezielle Begründung zur Anordnung des Einwilligungsvorbehaltes fehlt.

c) Ein Einwilligungsvorbehalt kann gemäß § 1903 Abs. 1 BGB angeordnet werden, wenn dies zur Abwendung einer erheblichen Gefahr für die Person oder das Vermögen des Betreuten erforderlich ist. Im Wege der einstweiligen Anordnung kann er vorgesehen werden, wenn dringende Gründe für die Annahme bestehen, dass diese Voraussetzungen gegeben sind, mit dem Aufschub Gefahr verbunden wäre, ein ärztliches Zeugnis über den Zustand des Betroffenen vorliegt und der Betroffene persönlich angehört worden ist, § 69f Abs. 1 Satz 1 FGG.

aa) Grundlage für die Anordnung eines Einwilligungsvorbehaltes ist das Bestehen einer Betreuung. Nur dann, wenn zu Recht ein Betreuer für den Betroffenen bestellt worden ist, kann auch ein Einwilligungsvorbehalt rechtmäßig sein. Es ist daher auch dann, wenn sich die Hauptsache hinsichtlich der Bestellung eines vorläufigen Betreuers erledigt hat, für die Beurteilung des Einwilligungsvorbehaltes die Berechtigung dieser Bestellung zu prüfen. Diese Prüfung hat das Landgericht in beanstandungsfreier Weise vorgenommen. Nach den verfahrensfehlerfrei getroffenen Feststellungen, an welche der Senat gebunden ist, ist die Bestellung eines vorläufigen Betreuers für die Betroffene rechtmäßig erfolgt.

bb) Kann ein Volljähriger aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer geistigen, seelischen oder körperlichen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen, so bestellt das Vormundschaftsgericht auf seinen Antrag oder von Amts wegen für ihn einen Betreuer (§ 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Bestellung eines Betreuers von Amts wegen, also ohne Antrag des Betroffenen und gegen seinen Willen, setzt voraus, dass der Betroffene aufgrund seiner Krankheit oder Behinderung seinen Willen nicht frei bestimmen kann (vgl. BayObLG FamRZ 2000, 189; 2002, 1145). Der Betreuer darf nur für Aufgabenkreise bestellt werden, in denen die Betreuung erforderlich ist, insbesondere die Angelegenheiten des Betroffenen nicht durch einen Bevollmächtigten besorgt werden können (§ 1896 Abs. 2 BGB). Ebenso wie beim Einwilligungsvorbehalt ist die Bestellung eines vorläufigen Betreuers davon abhängig, dass dringende Gründe für die Annahme dieser Voraussetzungen gegeben sind, mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist, ein ärztliches Zeugnis über den Zustand des Betroffenen vorliegt und der Betroffene persönlich angehört worden ist, § 69f Abs. 1 Satz 1 FGG.

cc) Die Annahme des Landgerichts, dass diese Voraussetzungen bei der Bestellung des vorläufigen Betreuers vorlagen, ist nicht zu beanstanden. Nach dem Attest ihres langjährigen Hausarztes vom 14.7.2003 litt die Betroffene bereits zu diesem Zeitpunkt an einer senilen Demenz, welche nach Auffassung des Hausarztes ihre freie Willensbildung ausschloss und sie nicht mehr zu einer Regelung ihrer alltäglichen Geschäfte, auch auf dem Gebiet der Vermögensverwaltung befähigte. Diese Diagnose wurde durch das Gutachten des Landratsamtes - Kreisgesundheitsamtes - B. vom 25.8.2003 bestätigt. Die Bestellung eines Betreuers war auch erforderlich. Zwar lag bei Erlass der einstweiligen Anordnung eine dem weiteren Beteiligten erteilte notarielle Generalvollmacht vom 2.6.2003 vor, doch war diese am 16.7.2003 von der Betroffenen widerrufen worden. Zudem lag eine weitere notarielle General- und Vorsorgevollmacht zugunsten des weiteren Beteiligten vom 11.7.2003 vor, welche bei einem anderen Notar aufgenommen worden war. Nach dem ärztlichen Attest des Hausarztes befand sich die Betroffene aber in einer zunehmenden dementiellen Entwicklung, es drohte Verwahrlosung. Die Zweifel des Landgerichts an der Wirksamkeit der erteilten Vollmachten sind deshalb gut nachvollziehbar; es ist in hohem Maße unwahrscheinlich, dass die Betroffene einen Monat vor Erstellung des Attestes noch voll geschäftsfähig war. Dagegen sprechen auch nicht die jeweiligen Vermerke der beurkundenden Notare, welche der Betroffenen bei der Beurkundung jeweils volle Geschäftsfähigkeit attestiert haben. Im Gegensatz zu dem behandelnden Hausarzt haben die Notare die Betroffene nur kurz und punktuell gesehen und gesprochen. Die weiteren ärztlichen Bescheinigungen, welche die Betroffene im Rechtsbeschwerdeverfahren vorgelegt hat, kann der Senat schon deshalb nicht heranziehen, weil es sich um neuen Tatsachenvortrag handelt. Dem Rechtsbeschwerdegericht ist es grundsätzlich verwehrt, solchen Vortrag zu berücksichtigen. Das Rechtsbeschwerdegericht überprüft die Beschwerdeentscheidungen nur auf Rechtsfehler; zu einer eigenen Sachverhaltsermittlung ist es nicht befugt. Im Übrigen ergibt sich auch aus diesen Bescheinigungen, dass die Betroffene an einer hochgradigen senilen Demenz leidet, wie nicht nur ihre psychodiagnostischen Ergebnisse, sondern auch die ärztlichen Einstufungen in die Pflegestufe III zeigen.

Letztlich kann diese Frage aber dahinstehen. Denn zumindest für den Bereich der Eilmaßnahmen, in denen nur eine summarische Prüfung stattfinden kann, genügen konkrete Zweifel an der Wirksamkeit einer erteilten Vollmacht (vgl. Senatsbeschluss vom 14.8.2003, 3Z BR 149/03 = FamRZ 2004, 402 [Ls] m.w.N. für eine endgültige Betreuerbestellung). Sonst könnte die vorläufige Maßnahme ihrem Ziel, auch bei noch nicht vollständig geklärter Sachlage dem Wohl und Schutz des Betroffenen zu dienen, nicht gerecht werden.

dd) Eine Begründung zu den weiteren Voraussetzungen des Einwilligungsvorbehaltsfehlt. Insoweit liegt aber kein absoluter Beschwerdegrund vor, der zu einer Aufhebung und Zurückverweisung nach § 27 Abs. 1 FGG, § 547 Nr. 6 ZPO führen müsste (vgl. Keidel/Meyer-Holz § 27 Rn. 58). Dessen Voraussetzungen sind nur gegeben, wenn die gesetzlich durch § 25 FGG vorgeschriebenen Entscheidungsgründe entweder vollständig oder zu wesentlichen Punkten, z.B. zum Sachverhalt (BayObLG NJW-RR 1994, 617; 2000, 1435) fehlen (vgl. Bassenge/Herbst/Roth § 27 FGG Rn. 20) oder wenn Erwägungen zu einem bestimmten Verfahrensgegenstand (vgl. Keidel/Meyer-Holz § 27 FGG Rn. 40) nicht vorhanden sind. Es genügt hingegen nicht, wenn die Begründung lediglich unvollständig ist, weil die Entscheidung nicht auf alle Einzelheiten eingeht (Keidel/Meyer-Holz aaO.).

Im konkreten Fall hat das Landgericht zu Teilen der Frage Stellung genommen, ob die Anordnung eines Einwilligungsvorbehaltes zu Recht im Wege der einstweiligen Anordnung erfolgt ist. Eine Auseinandersetzung mit dem Problem fehlt somit nicht vollständig. Da die Tatsachen für eine vorläufige Anordnung im summarischen Verfahren durch das Landgericht beanstandungsfrei festgestellt worden sind, ist eine Aufhebung und Zurückverweisung der Sache nicht geboten; der Senat kann in der Sache selbst entscheiden.

ee) Zum Zeitpunkt der vorläufigen Anordnung des Einwilligungsvorbehaltes lagen konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass das Vermögen der Betroffenen gefährdet war. Der weitere Beteiligte hatte aufgrund der erteilten Vollmachten erhebliche Verfügungen zu Lasten der Konten der Betroffenen vorgenommen, ohne dass hierfür Bedürfnisse der Betroffenen erkennbar waren. Die Betroffene war nach Einschätzung ihres Hausarztes nicht mehr zu einer freien Willensbestimmung und zu einer Bewältigung der alltäglichen Geschäfte in der Lage. Eine geordnete Vermögensverwaltung konnte von ihr nicht mehr erwartet werden. Da sie sich bereits damals in der Wohnung ihres Sohnes aufhielt, war sie seinem Einfluss ausgesetzt, ohne sich bei Dritten Rat holen zu können. Es bestand demnach die konkrete Gefahr, dass der weitere Beteiligte diese Lage zu weiteren derartigen Transaktionen ausnützen würde, sei es, dass er ohne ihr Wissen, sei es, dass er nach Überredung mit ihrer - allerdings unwirksamen - Einwilligung weitere Beträge von ihren Konten entfernte. Dass diese Einschätzung durchaus angebracht war, zeigt die weitere Entwicklung. Der weitere Beteiligte hat bisher keine brauchbare Auskunft zu seinen Geldtransaktionen gegeben, so dass vom Betreuer Klage eingereicht werden musste.



Ende der Entscheidung

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