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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 08.09.2004
Aktenzeichen: 3Z BR 69/04
Rechtsgebiete: FamRÄndG, ZPO


Vorschriften:

FamRÄndG Art. 7 § 1
ZPO § 328 Abs. 1 Nr. 2
Die Zustellung eines verfahrenseinleitenden Schriftstückes durch ein ausländisches Gericht in einem dort anhängigen Scheidungsverfahren ist dann nicht rechtzeitig erfolgt, wenn der Antragsteller die Zustellungen an die frühere ausländische Wohnanschrift der Antragsgegnerin bewirken lässt, obwohl er weiß, dass sich diese im Inland aufhält und er im bereits anhängigen Verfahren auf Trennungsunterhalt den inländischen Wohnsitz der Antragsgegnerin ohne weiteres in Erfahrung hätte bringen können, und die Antragsgegnerin deshalb das Schriftstück nicht erhält.
Gründe:

I.

Der Antragsteller und die Antragsgegnerin schlossen am 8.5.2002 vor dem Standesamt Constanta in Rumänien die Ehe. Die Antragsgegnerin, die rumänische Staatsangehörige ist, zog am 9.9.2002 mit ihrer Tochter zum Antragsteller, einem deutschen Staatsangehörigen, nach Erlangen. Die Antragsgegnerin wurde nach einem Selbstmordversuch am 1.1.2003 in eine Nervenklinik eingewiesen, ihre Tochter kam zu Pflegeeltern. Nach der Entlassung aus der Klinik zog die Antragsgegnerin im Januar 2003 in das Erlanger Frauenhaus.

Der Antragsteller leitete vor dem Amtsgericht Constanta in Rumänien das Scheidungsverfahren ein. Der Scheidungsantrag und die Ladung zum Termin am 11.3.2003 wurden am 14.2.2003 im Wege der Ersatzzustellung durch Anheften an die Wohnungstür in der Wohnung der Antragsgegnerin in Constanta zugestellt. Im Termin vom 11.3.2003 waren weder der Antragsteller, der jedoch anwaltschaftlich vertreten war, noch die Antragsgegnerin persönlich anwesend. Zur Beschaffung weiterer Beweismittel (Heiratsurkunde, Wohnsitzauskunft) vertagte sich das Gericht auf den 1.4.2003. Die Ladung zu diesem Termin wurde der Antragsgegnerin am 21.3.2003, die Ladung zum Termin vom 6.5.2003 am 16.4.2003 jeweils durch Anheften der Schriftstücke an die Wohnungstür der oben genannten Wohnung zugestellt. Auf die Aussage des Bruders des Antragstellers, wonach sich die Antragsgegnerin eventuell in Deutschland aufhalte, räumte das Scheidungsurteil des Amtsgerichts Constanta vom 6.5.2003 der Antragsgegnerin ein 30-tägiges Widerrufsrecht ein. Das Urteil wurde der Antragsgegnerin am 9.6.2003 ebenso wie die Ladungen an ihre rumänische Adresse zugestellt.

Am 25.8.2003 beantragte der Antragsteller vor dem Standesamt Erlangen die Anerkennung des seit 7.7.2003 rechtskräftigen Scheidungsurteils.

Mit Entscheidung vom 9.2.2004 hat die Präsidentin des Oberlandesgerichts München diesen Antrag zurückgewiesen.

Hiergegen wendet sich der Antragsteller. Er beantragt die Aufhebung der Entscheidung und die Anerkennung des Scheidungsurteils.

Der Antragsteller trägt vor, der Antragsgegnerin sei der Scheidungsantrag mit der Ladung ordnungsgemäß nach rumänischem Recht zugestellt worden. Die Cousine der Antragsgegnerin habe sowohl den Scheidungsantrag als auch die Terminsladungen und später das Scheidungsurteil, zum Teil nach telefonischer Absprache mit der Antragsgegnerin, jeweils umgehend per Post an die Anschrift der Antragsgegnerin in Erlangen übersandt.

Der Antragsteller behauptet, er habe den Aufenthalt der Antragsgegnerin in Deutschland nicht gekannt.

Die Antragsgegnerin bestreitet, irgendeines der das rumänische Scheidungsverfahren betreffenden Schriftstücke erhalten zu haben. Auch habe sie mit der Cousine keine telefonische Vereinbarung getroffen, ihr die Unterlagen zu übersenden. Der Antragsteller habe ohne weiteres die Möglichkeit gehabt, im Rahmen des in Erlangen anhängigen Verfahrens auf Ehegattenunterhalt den Erlanger Aufenthaltsort der Antragsgegnerin in Erfahrung zu bringen.

II.

Der Antrag auf Entscheidung durch das zuständige Bayerische Oberste Landesgericht (Art.7 § 1 Abs. 6 Satz 2 und 4 FamRÄndG, § 199 Abs. 1 FGG, Art. 11 Abs. 3 Nr. 3 AGGVG) ist statthaft (Art.7 § 1 Abs. 4 FamRÄndG) und auch im Übrigen zulässig.

Er ist jedoch unbegründet. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Anerkennung des Urteils des Amtsgerichts Constanta vom 6.5.2003 liegen nicht vor.

1. Die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für die vom Antragsteller beantragte (Art.7 § 1 Abs. 3 Satz 1 FamRÄndG) Anerkennung sind gegeben. Insbesondere hat der Antragsteller ein rechtliches Interesse (Art.7 § 1 Abs. 3 Satz 2 FamRÄndG) an der Anerkennung.

2. Es fehlen aber die sachlichen Voraussetzungen für eine Anerkennung.

Die Anerkennung des Urteils eines ausländischen Staates ist ausgeschlossen, wenn ein Anerkennungshindernis nach § 328 Abs. 1 ZPO besteht.

a) Die Anerkennung ist dem Urteil des Amtsgerichts Constanta nicht wegen fehlender internationaler Zuständigkeit nach § 328 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zu versagen. Nach dem in dieser Bestimmung verankerten Spiegelbildgrundsatz war das Gericht in Constanta international zuständig, weil die Antragsgegnerin unbestritten und laut dem in Kopie vorgelegten Reisepass zum Zeitpunkt des Verfahrens rumänische Staatsangehörige war (Zöller/Geimer ZPO 24.Aufl. § 328 Rn.96, 124, § 606 a Rn.96).

b) Hier steht der Anerkennung der Ausschließungsgrund des § 328 Abs. 1 Nr. 2 ZPO entgegen. Nach dieser Vorschrift ist die Anerkennung eines ausländischen Urteils ausgeschlossen, wenn dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat und sich hierauf beruft, das verfahrenseinleitende Schriftstück nicht ordnungsgemäß oder nicht so rechtzeitig zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte.

Es kann dahinstehen, ob durch Anheften der das Scheidungsverfahren betreffenden Schriftstücke an die Wohnungstür eine nach rumänischem Recht wirksame Zustellung bewirkt wurde. Jedenfalls fehlt es an der Rechtzeitigkeit der Zustellung an die Antragsgegnerin, die sich auf das Scheidungsverfahren in Rumänien nicht eingelassen hat und sich hierauf beruft.

aa) Das Anerkennungshindernis des § 328 Abs. 1 Nr. 2 ZPO schützt den verfassungsrechtlichen Anspruch der Antragsgegnerin auf rechtliches Gehör. Dieser ist auch dann verletzt, wenn das verfahrenseinleitende Schriftstück dem Antragsgegner zwar nach dem Recht des Erststaates ordnungsgemäß zugestellt wurde, er aber tatsächlich mangels effektiven Zugangs keine Kenntnis von der Einleitung des Verfahrens erhalten hat (vgl. Staudinger/Spellenberg 12.Aufl. § 328 ZPO Rn.347, Zöller/Geimer § 328 Rn. 140). Teilweise wird die Auffassung vertreten, Ersatzzustellungen, die keine große Wahrscheinlichkeit gewährleisten, dass der Inhalt des Schriftstücks dem Adressaten bekannt wird, seien niemals rechtzeitig (vgl. Schlosser Art. 27 EuGVÜ Rn. 17). Ob dieser Ansicht auch für den Fall zu folgen ist, dass das verfahreneinleitende Schriftstück dem Adressaten auf andere Weise so rechtzeitig bekannt wird, dass ihm die zu seiner Verteidigung notwendige Zeit gewährleistet bleibt, braucht nicht entschieden werden. Denn eine rechtzeitige Zustellung des Scheidungsantrags ist bei Würdigung der gesamten Umstände nicht erfolgt.

Die Frage, ob die Cousine der Antragsgegnerin den Scheidungsantrag und die Ladung zum Termin vom 11.3.2003 der Antragsgegnerin zunächst am Telefon vorgelesen und anschließend auf deren Wunsch an das Frauenhaus in Erlangen übersandt hat, ist zwischen den Beteiligten streitig. Das vom Antragsteller vorgelegte, der Cousine zugeordnete Schreiben vom 8.9.2003 ist für die Frage der rechtzeitigen Zustellung im Sinne des § 328 Abs. 1 Nr. 2 ZPO ebenso wenig relevant wie das Ergänzungsschreiben vom 16.9.2003. Auf den Streit der Beteiligten um die Echtheit der Schriftstücke kommt es daher nicht an. Die in den Schreiben genannte Ladung bezieht sich offensichtlich auf den Fortsetzungstermin vom 1.4.2003, auf den sich das Gericht am 11.3.2003 zur Einholung weiterer Auskünfte zunächst vertagt hatte. Bei dieser Ladung handelt es sich nicht um das verfahrenseinleitende Schriftstück im Sinne des § 328 Abs. 1 Nr. 2 ZPO. Einer Vernehmung der Zeugin bedurfte es nicht. Selbst wenn diese die Darlegung des Antragstellers bestätigen sollte, ist damit die Rechtzeitigkeit der Zustellung im Sinn des § 328 Abs. 1 Nr. 2 ZPO nicht nachgewiesen. Dies gilt auch, soweit die Zeugin zum Beweis der Behauptung angeboten wird, sie habe den Scheidungsantrag und die Terminsladung der Antragsgegnerin am Telefon vorgelesen und die Schriftstücke anschließend auf deren Wunsch an sie übersandt. Das bloße Vorlesen kann dem Zugang des Schriftstücks schon wegen der Gefahr von Übermittlungsfehlern nicht gleichgestellt werden. Über den Zugang von Scheidungsantrag und Terminsladung an die Antragsgegnerin kann die Zeugin nichts bekunden, da die Schriftstücke weder durch Einschreiben mit Rückschein noch durch eine andere, den Zugang bestätigende Übermittlungsart versandt wurden.

bb) Der wertausfüllungsbedürftige Begriff "rechtzeitig" verlangt eine Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles. Zu berücksichtigen sind hierbei nicht nur Umstände, die vor der Zustellung liegen, sondern auch Umstände, die erst nach der Zustellung bekannt geworden sind (vgl. BayObLG Beschluss vom 13.3.2002 = FamRZ 2002, 1423; Thomas/Putzo/Hüßtege § 328 Rn. 12 a; Schlosser aaO; BGH IPrax 1993, 324 [326]; OLG Koblenz RIW 1988, 476). Weiter ist bei der Gesamtwürdigung zu beachten, ob Kläger und Beklagter ein zumutbares Verhalten mit dem Ziel, eine rechtzeitige Zustellung zu fördern, an den Tag gelegt oder unterlassen haben (vgl. BayObLG aaO; Schlosser aaO; Kropholler Art. 27 Rn.36; BGH aaO). So ist beispielsweise von Bedeutung, ob ein Kläger den ihm unbekannten Aufenthaltsort des Beklagten unschwer hätte erfahren können, oder ob er nach bereits erfolgter Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstückes dem Gericht von einer ihm nach bereits erfolgter Zustellung bekannt gewordenen neuen Adresse des Beklagten Mitteilung gemacht hat, um dem Gericht ein ordnungsgemäßes weiteres Verfahren zu ermöglichen (vgl. Kropholler Art. 27 Rn.37 ; OLG Koblenz IPrax 1993, 37). Auf der anderen Seite ist der Beklagte verpflichtet, unter Umständen dem Kläger seine neue Adresse mitzuteilen und dafür zu sorgen, dass zuzustellende Schriftstücke ihn auch erreichen (vgl. Kropholler Art. 27 Rn.36 und 37).

cc) Die Abwägung der dem Antragsteller und der Antragsgegnerin jeweils zuzurechnenden Umstände ergibt, dass wegen des Verhaltens des Antragstellers eine rechtzeitige Zustellung der Terminsladung an die Antragsgegnerin nicht erfolgt ist. Dem Antragsteller ist vorzuwerfen, dass er die rechtzeitige Kenntnisnahme der Antragsgegnerin von dem Scheidungsantrag und der Terminsladung bewusst verhindert hat. Der Antragsteller stand wegen strafrechtlicher Ermittlungen und Unterhaltsforderungen, aber auch im Hinblick auf eine mögliche Scheidung über seine Anwälte in ständiger Verbindung mit den Anwälten der Antragsgegnerin. Spätestens nach dem ihm am 5.3.2003 der Antrag vom 20.2.2003, mit dem die Antragsgegnerin vor dem Amtsgericht Erlangen Trennungsunterhalt begehrte, zugegangen war, hatte er positive Kenntnis davon, dass die Antragsgegnerin im Frauenhaus in Erlangen lebte. Es wäre ein Leichtes gewesen, über die Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin die ladungsfähige Anschrift des Frauenhauses in Erfahrung zu bringen und nicht nur diese Adresse, sondern auch die Tatsache der anwaltlichen Vertretung der Antragsgegnerin dem rumänischen Gericht mitzuteilen. Dies wäre auch seine Pflicht gewesen; ein vorsätzlich herbeigeführtes Nichtwissen durch mangelnde Erkundung steht einer verschwiegenen positiven Kenntnis gleich (vgl. BayObLG aaO).

dd) Eine andere Beurteilung ist auch nicht deshalb geboten, weil die Antragsgegnerin ihrerseits dem Antragsteller ihren neuen Aufenthaltsort im Anschluss an die Entlassung aus dem Klinikum nicht mitgeteilt hat. Sie war hierzu auch nicht im Hinblick auf das anwaltliche Schreiben vom 15.1.2003 verpflichtet, mit dem der Antragsteller ihr mitteilen ließ, dass er ihre Ehe für endgültig zerrüttet erachte und die Ehescheidung beabsichtige. Die Antragsgegnerin musste jedenfalls nicht damit rechnen, dass der Antragsteller die Ehescheidung vor einem rumänischen Gericht beantragen und die Zustellungen an ihre dortige Wohnung bewirken lassen würde.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf Art.7 § 2 Abs. 2 Satz 2 und 4 FamRÄndG und § 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG. Wegen der offensichtlichen Unbegründetheit des Antrags waren die Kosten dem Antragsteller aufzuerlegen.



Ende der Entscheidung

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