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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 02.05.2001
Aktenzeichen: 3Z BR 74/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1896 Abs. 1
Es genügt, wenn der Tatrichter die maßgebenden Symptome der psychischen Krankheit und ihre Auswirkungen auf die Willensbestimmung des Betroffenen darstellt, um einen Betreuer zu bestellen.
Der 3.Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Sprau sowie der Richter Dr. Plößl und Dr. Schreieder

am 2. Mai 2001

in der Betreuungssache

auf die Rechtsmittel der Betroffenen

beschlossen:

Tenor:

Die weitere und die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Passau vom 15.Januar 2001 werden zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Mit Beschluss vom 25.3.1999 bestellte das Amtsgericht für die Betroffene einen Betreuer mit dem Aufgabenkreis Sorge für die Gesundheit, Aufenthaltsbestimmung einschließlich der Entscheidung über die Unterbringung und Vermögenssorge. Der bestellte Betreuer ist Cousin der Betroffenen.

Am 18.4.2000 verlängerte das Amtsgericht die Betreuerbestellung, erweiterte den Aufgabenkreis des Betreuers um die Entgegennahme, das Öffnen und das Anhalten der Post sowie die Entscheidung über Fernmeldeverkehr und ordnete an, dass die Betroffene zu Willenserklärungen, die den Aufgabenkreis Vermögenssorge betreffen und einen Wert von 50 DM übersteigen, der Einwilligung des Betreuers bedarf.

Die Beschwerde der Betroffenen gegen die Verlängerung und Erweiterung der Betreuung hat das Landgericht mit Beschluss vom 15.1.2001 als unbegründet zurückgewiesen, die gegen die Anordnung des Einwilligungsvorbehalts gerichtete sofortige Beschwerde der Betroffenen hat es mit demselben Beschluss als verspätet verworfen.

Hiergegen wendet sich die Betroffene mit der weiteren und sofortigen weiteren Beschwerde.

II.

Die zulässigen Rechtsmittel bleiben ohne Erfolg.

1. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde der Betroffenen gegen die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts zu Recht wegen Nichteinhaltung der Beschwerdefrist als unzulässig verworfen. Das Amtsgericht hatte die Betroffene über die zu beachtende zweiwöchige Beschwerdefrist (§ 69g Abs. 4 Satz 1 Nr.1, § 22 Abs. 1 Satz 1 FGG) belehrt. Die Frist hatte zwar nicht bereits mit der Zustellung des amtsgerichtlichen Beschlusses an die Betroffene am 20.4.2000, sondern gemäß § 69g Abs. 4 Satz 2, § 16 Abs. 2 Satz 1 FGG erst mit der am 22.4.2000 erfolgten Zustellung an den Betreuer zu laufen begonnen (vgl. BayObLGZ 2001 Nr.14). Bei Einlegung des Rechtsmittels am 27.6.2000 war die Beschwerdefrist gleichwohl längst verstrichen.

2. Die weitere Beschwerde der Betroffenen gegen die Verlängerung der Betreuerbestellung unter Einbeziehung der Postkontrolle und der Entscheidung über den Fernmeldeverkehr in den Aufgabenkreis des Betreuers ist im Ergebnis unbegründet.

a) Das Landgericht hat insoweit - teils durch Bezugnahme auf die vorliegenden Sachverständigengutachten - ausgeführt:

Die Voraussetzungen für die betreffenden Maßnahmen seien gegeben. Die völlig krankheitsuneinsichtige Betroffene leide an einer Zyklothymie, einer manisch-depressiven Erkrankung. Diese äußere sich in einem ausgeprägten Wahnsystem, das das Handeln der Betroffenen beeinflusse, in inhaltlichen und formalen Denkstörungen, in einer erheblichen Minderung der Kritik- und Urteilsfähigkeit sowie weitgehend auch in einem Realitätsverlust. Insbesondere zu ihrer finanziellen Situation habe die Betroffene keinerlei realistisches Verhältnis. Ihre Schulden bei der deutschen Telekom für Telefongebühren beliefen sich auf deutlich über 20000 DM. Bei verschiedenen Kaufhäusern bestelle sie - teils unter anderem Namen - immer wieder Waren, weshalb im März 2000 offene Rechnungen über ca. 5000 DM vorgelegen hätten. Aufgrund der psychischen Krankheit und der dadurch bedingten Realitätsverzerrung sei die Betroffene nicht in der Lage, in den dem Betreuer übertragenen Bereichen ihre Angelegenheiten eigenverantwortlich zu besorgen. Zur Wahrnehmung der Vermögenssorge bedürfe der Betreuer auch der Befugnis zur Postkontrolle sowie der Entscheidung über den Fernmeldeverkehr. Soweit die Betroffene mit dem Betreuer nicht zufrieden sei, lägen die Voraussetzungen für dessen Entlassung nicht vor. Vielmehr sei die Eignung des Betreuers nach wie vor gewährleistet. Die von der Betroffenen gegen ihn erhobenen "Anschuldigungen" seien völlig pauschal, zum Teil ersichtlich unzutreffend und Ausdruck ihrer Erkrankung.

b) Ist einem volljährigen ein Betreuer bestellt, setzt die Verlängerung dieser Maßnahme in dem angeordneten Umfang voraus, dass der Betroffene aufgrund seiner psychischen Krankheit oder seiner körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten in den Bereichen der Betreuung weiterhin nicht besorgen kann und Betreuung insoweit auch zukünftig erforderlich ist (§ 1896 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 BGB; vgl. BayObLG FamRZ 1998, 921). Ohne das Einverständnis des Betroffenen ist die Verlängerung der Betreuerbestellung nur zulässig, wenn der Betroffene nach wie vor krankheits- oder behinderungsbedingt nicht imstande ist, seinen Willen frei zu bestimmen (vgl. BayObLGZ 1994, 209/211; OLG Köln FamRZ 2000, 908), d.h. seinen Willen unbeeinflusst von der Krankheit oder Behinderung zu bilden und nach zutreffend gewonnenen Einsichten zu handeln (vgl. BGH NJW 1996, 918/919).

Das Landgericht hat ohne Rechtsfehler festgestellt, dass die Betroffene an einer psychischen Krankheit leidet und aufgrund der Krankheit nicht in der Lage ist, die dem Betreuer mit Beschluss vom 25.3.1999 übertragenen Angelegenheiten selbst zu regeln. Die Kammer durfte ihre Entscheidung auf das vom Amtsgericht zuletzt eingeholte Gutachten und die vom Sachverständigen in Bezug genommenen früheren Gutachten stützen (§ 69g Abs. 5 Satz 4, § 12 FGG), da sich das Krankheitsbild der Betroffenen seit längerem nicht entscheidend gebessert hatte. Soweit das Landgericht nicht auch ausdrücklich festgestellt hat, dass die Betroffene in den Bereichen der Betreuung krankheitsbedingt ihren Willen nicht frei zu bestimmen vermag, kommt dies in der festgestellten Symptomatik der Krankheit mit zum Ausdruck. Diese lässt klar erkennen, dass die Betroffene nicht in der Lage ist, ihren willen unbeeinflusst von ihrer Krankheit zu bilden. Die Verhinderung weiterer Verschuldung wie auch die Rückführung der Schulden eines vermögenslosen Betreuten können die Bestellung eines Betreuers für den Aufgabenkreis Vermögenssorge rechtfertigen (vgl. BayObLG BtPrax 1997, 160/161; 2001, 37/38).

c) Der Betreuer darf die postalischen und telefonischen Kontakte des Betreuten nur überwachen und in sie nur eingreifen, wenn ihm das Gericht die Entscheidung über die Entgegennahme, das Öffnen und das Anhalten der Post bzw. die Entscheidung über den Fernmeldeverkehr des Betreuten ausdrücklich zugewiesen hat (§ 1896 Abs. 4 BGB). Eine dahingehende vormundschaftsgerichtliche Maßnahme ist einer strengen Prüfung am Grundsatz der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit zu unterziehen, da sie einen schweren Eingriff in das Grundrecht des Brief-Post- und Fernmeldegeheimnisses (Art.10 GG) sowie in das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art.2 Abs. 1 GG) des Betreuten darstellt (vgl. BayObLGZ 1996, 253/254 f. m.w.N.). Sie setzt voraus, dass der Betreuer ansonsten ihm übertragene Aufgaben nicht in der gebotenen Weise erfüllen könnte und hierdurch wesentliche Rechtsgüter des Betreuten erheblich gefährdet oder beeinträchtigt würden (vgl. BayObLGZ 1996, 253/256; Bauer in HK-BUR 1896 BGB Rn.267; Knittel BtG § 1896 BGB Rn.42). Zusätzlich hat der Betreuer seinerseits in jedem Einzelfall in eigener Verantwortung zu prüfen und nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob bzw. inwieweit es erforderlich ist, von der ihm übertragenen Kontrollbefugnis Gebrauch zu machen (vgl. BGB-RGRK/Dickescheid 12.Aufl. § 1896 Rn.32; Jürgens in Jürgens/Kröger/Marschner/Winterstein Das neue Betreuungsrecht 4.Aufl. Rn. 242).

Das Landgericht hat diese Grundsätze beachtet. Seine Würdigung, dass der Betreuer wegen der krankheitsbedingten Verhaltensweisen der Betroffenen und der daraus resultierenden erheblichen Gefährdung ihrer Vermögensbelange der Befugnis zur Postkontrolle und zur Entscheidung über den Fernmeldeverkehr bedürfe, um die ihm übertragene Vermögenssorge zum Wohl der Betroffenen ausüben zu können, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Inwieweit das Verhalten der Betroffenen es erfordert, von ihr ausgehende Telefonanrufe zu unterbinden, hat der Betreuer in eigener Verantwortung gewissenhaft zu prüfen.

d) Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist bei einer Verlängerung der Betreuerbestellung nicht zu prüfen, ob der bisherige Betreuer gemäß § 1908b BGB zu entlassen ist oder entlassen werden kann. vielmehr ist über die Person des zukünftigen Betreuers anhand der Kriterien des § 1897 BGB zu befinden (vgl. OLG Hamm FGPrax 2000, 196). Die vom Landgericht in diesem Zusammenhang getroffenen Feststellungen sowie die Würdigung der Kammer tragen die Belassung des bisherigen Betreuers in seinem Amt jedoch auch auf der Grundlage dieser Bestimmung. Soweit die Betroffene ihren Cousin, der entsprechend ihrem Vorschlag bestellt worden war, nunmehr als Betreuer ablehnt, werden die Erwägungen des Landgerichts auch der Vorschrift des § 1897 Abs. 4 Satz 2 BGB gerecht. Die Eignung des nach § 1897 Abs. 5 BGB ohnehin bevorzugt als Betreuer in Betracht kommenden Cousins sieht die Beschwerdekammer ohne Rechtsfehler weiterhin gewährleistet (§ 1897 Abs. 1 BGB).

3. Eine persönliche Anhörung, wie sie die Betroffene beantragt, sieht das Gesetz für das Verfahren der weiteren Beschwerde nicht vor.

Ende der Entscheidung

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