Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 20.06.2001
Aktenzeichen: 3Z BR 79/01
Rechtsgebiete: KostO, BO


Vorschriften:

KostO § 16 Abs. 1 Satz 1
GBO § 75
Nimmt ein rechtskundig beratener Beschwerdeführer seine Beschwerde zurück, weil der Richter fälschlicherweise die Erfolgsaussichten verneint, so sind die Kosten nicht wegen unrichtiger Sachbehandlung niederzuschlagen.
Der 3. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Sprau sowie der Richter Dr. Schreieder und Dr. Denk

am 20. Juni 2001

in der Kostensache

betreffend eine Beschwerde hinsichtlich Eintragungen im Grundbuch

auf die Beschwerde der Beteiligten

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts München II vom 30. Januar 2001 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten schlossen am 27.4.1999 einen notariell beurkundeten Kaufvertrag, wonach der Beteiligte zu 2 die damals auf 5925 m² geschätzte Teilfläche eines Grundstücks zum Preis von 690 DM/m² an die Beteiligte zu 1 veräußerte. In der notariellen Urkunde wurde die Auflassung des Grundstücks erklärt und entsprechender Eintragungsantrag gestellt, wobei die Vertragsteile den beurkundenden Notar ermächtigten, das vertragsgegenständliche Grundstück nach Vermessung in grundbuchmäßiger Form zu benennen und den Vollzug der Teilung zu beantragen. Die Kosten für den Vollzug der Urkunde übernahm die Beteiligte zu 1.

Am 10.5.2000 legte der beurkundende Notar den Eintragungsantrag dem Grundbuchamt vor und beantragte dazu den Vollzug des einschlägigen Veränderungsnachweises und der darin enthaltenen Grundstücksteilungen. Das Grundbuchamt beanstandete durch Zwischenverfügung vom 11.5.2000,das Fehlen einiger Urkunden und setzte für deren Vorlegung eine Frist bis 31.5.2000.

Am 2.6.2000 wies das Grundbuchamt den Eintragungsantrag zurück. Hiergegen erhob der beurkundende Notar mit Schreiben vom 4.8.2000 Beschwerde, wobei er einige der vom Grundbuchamt angemahnten Urkunden vorlegte. Das Grundbuchamt legte die Akten am 17.8.2000 dem Landgericht vor. Mit Schreiben vom 21.8.2000 reichte der beurkundende Notar die bis dahin noch fehlenden Urkunden bei dem Grundbuchamt nach, welches diese Unterlagen am 28.8.2000 an das Landgericht übersandte.

Mit Schriftsatz vom 21.9.2000, eingegangen bei Gericht am 25.9.2000, nahm der beurkundende Notar auf Hinweis des Gerichts die Beschwerde zurück. Die Akten wurden an das Amtsgericht zurückgeschickt. Dieses nahm die beantragten Eintragungen im November 2000 vor.

Das Landgericht erhob von der Beteiligten zu 1 mit Kostenrechnung vom 2.11.2000 infolge der Rücknahme der Beschwerde eine Gebühr in Höhe von 1565 DM. Einen Antrag des beurkundenden Notars, diese Kosten, da der rechtliche Hinweis falsch gewesen sei, wegen unrichtiger Sachbehandlung niederzuschlagen, hat es durch Beschluss vom 30.1.2001 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des beurkundenden Notars vom 8.2.2001, die er namens des Kostenschuldners eingelegt hat.

II.

Die Beschwerde ist zulässig (§ 14 Abs. 3 Satz 1 KostO, § 567 Abs. 2 Satz 2 ZPO; vgl. Korintenberg/Lappe KostO 14. Aufl. § 14 Rn. 134 und § 16 Rn. 69), aber unbegründet.

1. Nach der Rücknahme der Beschwerde vom 4.8.2000.ist gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 2 KostO für das Verfahren über die Beschwerde 1/4 der vollen Gebühr zu erheben. Eine Nichterhebung dieser Gebühr kommt nicht in Betracht, da weder das Grundbuchamt noch das Landgericht die Sache unrichtig im Sinne von § 16 Abs. 1 Satz 1 KostO behandelt haben. Eine solche unrichtige Sachbehandlung liegt nur vor, wenn dem Gericht ein offen zutage tretender Verstoß gegen eindeutige gesetzliche Normen oder ein offensichtliches Versehen unterlaufen ist (vgl. BayObLGZ 1981, 165/170 m.w.N.).

2. Die Rüge der Beteiligten (§ 2 Nr. 1 KostO), das Grundbuchamt habe nicht am Landgericht vorbei die Eintragung vornehmen und damit die Beschwerde unzulässig machen dürfen, ist schon deshalb unzutreffend, weil die Eintragung erst nach Abschluss des Beschwerdeverfahrens vorgenommen wurde. Im übrigen wäre das Grundbuchamt grundsätzlich berechtigt, auch während des Beschwerdeverfahrens eine abhelfende Eintragung vorzunehmen (§ 75 GBO; vgl. BayObLG JurBüro 1989, 378/379), solange die Entscheidung des Beschwerdegerichts noch nicht ergangen ist (für das FGG-Verfahren allgemein vgl. § 29 Abs. 3 FGG und Keidel/Schmidt FGG 14. Aufl. § 18 Rn. 23; für das Grundbuchverfahren vgl. Meikel/Streck GBR 8. Aufl. § 75 GBO Rn. 5; Schöner/Stöber GBR 12. Aufl. Rn. 500).

3. Die weitere Rüge, es sei dem beurkundenden Notar durch das Landgericht die Rücknahme der Beschwerde empfohlen worden, was eine unrichtige Sachbehandlung im eingangs beschriebenen Sinne darstelle, greift ebenfalls nicht durch.

a) Die telefonische Auskunft der Berichterstatterin der Beschwerdekammer, deren Inhalt die Kammer im Beschluss vom 30.1.2001 bestätigt hat, traf nicht zu. Durch die Vorlage der zur Eintragung noch erforderlichen Urkunden mit Schreiben des Notars vom 21.8.2000 war keine Hauptsacheerledigung eingetreten.

aa) Hätte das Grundbuchamt aufgrund der nachgereichten Urkunden die abgelehnte Eintragung nunmehr vorgenommen, wozu es, wie dargelegt, trotz des laufenden Beschwerdeverfahrens berechtigt gewesen wäre, hätte sich hierdurch das Sachbegehren der Beteiligten in der Hauptsache erledigt (BayObLG JurBüro 1989, 378/379). Das Grundbuchamt hat jedoch die nachgereichten Urkunden am 28.8.2000 an das Landgericht zu den dort vorliegenden Grundakten nachgesandt und erst nach Rückkunft der Akten im November 2000 die Eintragung vorgenommen.

bb) Die Vorlage der Urkunden allein führte hingegen nicht zur Erledigung der Hauptsache.

Das Grundbuchamt hatte den Beteiligten zu Recht mit Zwischenverfügung vom 11.5.2000 die Vorlage der Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamtes (§ 22 Abs. 1 Satz 1 GrEstG), der Genehmigung der Beteiligten zu 1 (§ 177 Abs. 1 BGB), der staatsaufsichtlichen Genehmigung für den Beteiligten zu 2 (Art. 27 Abs. 1 Nr. 3 StiftG i.V.m. Art. 2 des Gesetzes über die vermögensrechtliche Auseinandersetzung des Bayerischen Staates mit dem vormaligen Bayerischen Königshause vom 9.3.1923, GVB1 S. 101), des Negativzeugnisses der Gemeinde O. bezüglich ihres gesetzlichen Vorkaufsrechts (§ 28 Abs. 1 Satz 1 BauGB) sowie des Negativzeugnisses oder der Teilungsgenehmigung nach § 19 BauGB für das Flurstück 175 (§ 20 Abs. 2 Satz 2 BauGB) aufgegeben (vgl. Schöner/Stöber Rn. 427, 429 und 433). Hätte sich die Beschwerde gegen diese Zwischenverfügung gerichtet, hätte sich die Hauptsache durch die nachträgliche Vorlage der angeforderten Nachweisurkunden erledigt, da kein Zweifel daran bestand, dass hierdurch das Eintragungshindernis behoben war (vgl. BayObLGZ 1993, 137/138).

Dies gilt jedoch nicht für die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den der Eintragungsantrag zurückgewiesen wird. Nachdem die Beteiligten die gesetzte Frist bis j1.5.2000 hatten verstreichen lassen, ohne der Zwischenverfügung nachzukommen, durfte das Grundbuchamt zwar den Eintragungsantrag mit Beschluss vom 2.6.2000 zurückweisen. Ferner fehlten auch nach Einlegung der Beschwerde vom 4.8.2000 gegen die Zurückweisung, der ein Teil der angeforderten Urkunden beigefügt war, bis zur Vorlage mit Schreiben vom 21.8.2000 jedenfalls noch die Genehmigung durch die Beteiligte zu 1 und die staatsaufsichtliche Genehmigung für den Beteiligten zu 2 (vgl. Beschluss des Amtsgerichts vom 17.8.2000). Es bestand demnach zu diesem Zeitpunkt immer noch ein Eintragungshindernis (Schöner/Stöber Rn. 3302 und 3804). Dieses Hindernis wurde aber mit der Nachreichung der letzten Urkunden mit Schriftsatz vom 21.8.2,000 beseitigt. Da nach § 74 GBO die Beschwerde auf neue Tatsachen und Beweise gestützt werden kann und insoweit der Sachstand im Zeitpunkt der Entscheidung des Beschwerdegerichts maßgebend ist, führt die vollständige Behebung der Eintragungshindernisse im Beschwerdeverfahren dazu, dass die Zurückweisung des Eintragungsantrags aufzuheben und die Eintragung durch das Grundbuchamt vorzunehmen ist (vgl. BayObLG JurBüro 1989, 378/379). Die Beschwerde war mithin zulässig und ab diesem Zeitpunkt begründet, auch wenn der Zurückweisungsbeschluss des Amtsgerichts vom 2.6.2000 zunächst gerechtfertigt war (vgl. BayObLG aaO S. 380).

b) Ein fehlerhafter Hinweis durch den Richter kann zwar grundsätzlich zur Nichterhebung von Kosten, die hierdurch entstanden sind, führen (vgl. FG Bremen Entscheidung vom 14.7.1997, zitiert nach juris). Dabei sind jedoch, soweit es um den rechtlichen Gehalt des Hinweises geht, die Grenzen zu beachten, die auch für die Überprüfung gerichtlicher Entscheidungen im Rahmen des § 16 KostO gelten. Danach kommt eine Anwendung dieser Vorschrift nur in Betracht, wenn die dem Inhalt des Hinweises zugrunde liegende rechtliche Bewertung auf einem offen zu Tage tretenden Verstoß gegen eindeutige gesetzliche Normen oder einem offensichtlichen Versehen beruht (vgl. BayObLGZ 1981, 165/170).

Ferner sind Rechtsnatur und Zweck des gerichtlichen Hinweises zu berücksichtigen. Ein Hinweis ist keine gerichtliche Entscheidung im Sinne von § 16 Abs. 1 FGG, da er weder bestimmt noch geeignet ist, eine rechtliche Wirkung für die Beteiligten zu äußern (vgl. Keidel/Schmidt § 16 Rn. 1). Ihm fehlt das eine Entscheidung kennzeichnende Merkmal der Verbindlichkeit (vgl. BGH Rpfleger 1980, 273; BayObLG Rpfleger 1998, 67; OLG Hamm Rpfleger 1990, 426). Er gibt nur den Stand einer vorläufigen Meinungsbildung wieder (vgl. BayObLG Rpfleger 1991, 156; MittBayNot 1993, 82/83; OLG Köln NJW 1989, 173/174). Der Bundesgerichtshof sieht es deshalb als schon im Ansatz verfehlt an, eine - wirklich oder vermeintlich - unrichtige Rechtsansicht auf dem Umweg über eine angebliche Hinweispflicht gegenüber den Parteien in einen Verfahrensmangel umzudeuten (BGH NJW 1991, 704). Dem wäre es vergleichbar, wollte man die Äußerung einer irrigen Rechtsmeinung im Rahmen eines solchen Hinweises bei Anwendung der Vorschriften über die Nichterhebung von Kosten als unrichtige Sachbehandlung beurteilen.

Dient der Hinweis wie hier dazu, den Beteiligten die Rechtsauffassung des Gerichts mitzuteilen und sie auf Bedenken hinsichtlich des Vorliegens bestimmter Verfahrensvoraussetzungen aufmerksam zumachen, so soll er ihnen nur die Möglichkeit eröffnen, in eigener Verantwortung diese Bedenken zu überprüfen und daraus die entsprechenden Folgerungen zu ziehen, gegebenenfalls ihre gegenteilige Auffassung darzulegen. Treten in einem solchen Fall Kostenfolgen ein, weil der Beteiligte kostenträchtige Maßnahmen (hier: die Rücknahme des Rechtsmittels) veranlasst, sind diese in erster Linie auf seine eigene fehlerhafte Beurteilung zurückzuführen.

Aus diesen Gründen kann ein auf einer fehlerhaften Beurteilung der Sach- und Rechtslage beruhender Hinweis des Gerichts, auch wenn er der Auslöser des Handelns des Beteiligten war, allenfalls in besonderen Ausnahmefällen zu einer Anwendung des § 16 KostO führen. Derartige besondere Umstände liegen hier nicht vor.

aa) Es ist, bereits sehr zweifelhaft, ob der Hinweis der Richterin als offenkundig fehlerhaft im Sinne des § 16 Abs. 1 Satz 1 KostO angesehen werden kann. Die oben dargelegte Differenzierung ist schwierig und wird in der Regel nur dem häufig mit Grundbuchsachen befassten Juristen bekannt sein.

bb) Das Gericht hat den Hinweis aufgrund vorläufiger Beurteilung gegeben. Es ist nicht ersichtlich oder vorgetragen, dass es mit besonderem Nachdruck auf eine Rücknahme des Rechtsmittels hingewirkt hätte. Es war Sache des Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten, den Hinweis auf seine sachliche Berechtigung zu überprüfen und daraus die zutreffenden Folgerungen zu ziehen. Er ist als bayerischer Notar in hohem Maße selbst sach- und rechtskundig und als ständig mit Grundbuchsachen befasste Person mit dem Rechtsmittelsystem der Grundbuchordnung sowie der Kostenordnung vertraut. Ein besonderer Anlass, dem Hinweis des Gerichts ohne nähere Überprüfung, z.B. durch Nachlesen in den einschlägigen Erläuterungsbüchern, zu folgen, bestand nicht. Angesichts der Unverbindlichkeit des Hinweises besteht daher kein Anlass, der Beteiligten zu 1 die kostenrechtlichen Folgen der auch ihr zuzurechnenden fehlerhaften Beurteilung der Sach- und Rechtslage zu ersparen.

4. Eine Kostenentscheidung war wegen § 14 Abs. 5 KostO nicht veranlasst.

Ende der Entscheidung

Zurück