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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 03.05.2001
Aktenzeichen: 3Z BR 85/01
Rechtsgebiete: BGB, FGG, RPflG


Vorschriften:

BGB § 1836 Abs. 1 Satz 2
FGG § 20 Abs. 1
FGG § 69g Abs. 1 Satz 2
RPflG § 8 Abs. 4 Satz 1
RPflG § 14 Abs. 1 Nr. 4
Der Staatskasse steht gegen die Feststellung des Vormundschaftsgerichts, daß der Betreuer die Betreuung berufsmäßig führe, keine Beschwerde zu.
Der 3. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Sprau sowie der Richter Dr. Schreieder und Dr. Nitsche am 3. Mai 2001

in der Betreuungssache

auf die weitere und sofortige weitere Beschwerde der Betreuerin

beschlossen:

Tenor:

I. Die Beschlüsse des Landgerichts Weiden i.d.OPf. vom 8. Februar 2001 und des Amtsgerichts Weiden i.d.OPf. vom 6. November 2000 werden aufgehoben.

II. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Weiden i.d.OPf. zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Die Beschwerdeführerin wurde vom Amtsgericht am 30.5.2000 zur neuen Betreuerin des mittellosen Betroffenen bestellt. Mit einem am 22.8.2000 bei Gericht eingegangene n Schreiben beantragte sie eine Vergütung aus der Staatskasse für ihre Tätigkeit vom 30.5. bis 18.8.2000. Mit Beschluss vom 6.11.2000 stellte der Rechtspfleger daraufhin fest, dass die Betreuerin ab dem Zeitpunkt ihrer Bestellung die Betreuung berufsmäßig geführt habe, und setzte eine Vergütung fest. Auf das Rechtsmittel der Staatskasse hat das Landgericht am 8.2.2001 den Beschluss des Amtsgerichts abgeändert, festgestellt, dass die Betreuerin die Betreuung erst ab 21.8.2000 berufsmäßig geführt habe, und den Antrag auf Vergütung zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich das Rechtsmittel der Betreuerin.

II.

1. Das Rechtsmittel ist zulässig. Soweit das Beschwerdegericht über die berufsmäßige Führung der Betreuung befunden hat, ist die einfache weitere Beschwerde gegeben (vgl. BayObLGZ 2001 Nr. 6). Soweit die Betreuerin sich gegen die Versagung von Vergütung wendet, handelt es sich um eine sofortige weitere Beschwerde. Diese hat das Landgericht gemäß § 69e Satz 1, § 56g Abs. 5 Satz 2 FGG zugelassen. Die sofortige weitere Beschwerde ist fristgerecht (§ 29 Abs. 2, § 56 Abs. 5 Satz 1, § 69e Satz 1, § 22 Abs. 1 FGG) eingelegt worden, da der landgerichtliche Beschluss der Betreuerin nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht worden ist (§ 16 Abs. 2 Satz 1 FGG). Die Betreuerin hat ihr Rechtsmittel auch formgerecht eingelegt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 FGG).

2. Das Rechtsmittel ist begründet. Es führt zur Aufhebung der vorinstanzlichen Entscheidungen und Zurückverweisung an das Vormundschaftsgericht.

a) Das Landgericht hat das Rechtsmittel der Staatskasse gegen die gerichtliche Anerkennung der berufsmäßigen Führung der Betreuung für zulässig erachtet und zur Begründung seiner Entscheidung weiter ausgeführt, dass maßgebend für die Feststellung der Berufsmäßigkeit der Zeitpunkt sei, an dem die gesetzlichen Voraussetzungen des § 1836 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB erfüllt seien. Dies sei hier frühestens ab dem 21.8.2000 der Fall gewesen. Der Antrag der Betreuerin auf Vergütung für die davor liegende Zeit sei daher abzuweisen.

b) Dies hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO) nicht stand.

aa) Das Landgericht durfte die Feststellung einer berufsmäßigen Führung der Betreuung nicht aufheben, da die Beschwerde der Staatskasse unzulässig und dem Beschwerdegericht damit eine Entscheidung in der Sache verwehrt war. Der Staatskasse steht gegen diese Entscheidung des Vormundschaftsgerichts ein Beschwerderecht nicht zu. Ein solches Beschwerderecht wird in der Rechtsprechung (Schleswig-Holsteinisches OLG FGPrax 1999, 110; OLG Hamm FGPrax 2001, 18; so auch Palandt/Diederichsen BGB 60. Aufl. § 1836 Rn. 4) verneint. Der Senat tritt dieser Auffassung bei.

(1) Die Staatskasse ist zur Anfechtung der Betreuerbestellung nicht nach § 69g Abs. 1 Satz 1 FGG berechtigt, wie der Wortlaut dieser Bestimmung zeigt. Die Betreuerbestellung umfasst aber auch die Feststellung der berufsmäßigen Betreuung. Letztere ist Teil des Verfahrens zur Bestellung des Betreuers (§ 1836 Abs. 1 Satz 2 BGB), nicht Teil des Vergütungsverfahrens (BayObLGZ 2001 Nr. 6). Für sie ist nach dem Grundsatz der Einheitsentscheidung der Vormundschaftsrichter zuständig, auch wenn die Feststellung in der den Inhalt der Bestellungsentscheidung regelnden Vorschrift des § 69 FGG nicht ausdrücklich erwähnt ist. Die Frage der berufsmäßigen Führung hat unmittelbaren Bezug zur Auswahlentscheidung. Der Richter darf einen berufsmäßigen Betreuer nur bestellen, wenn kein geeigneter ehrenamtlicher Betreuer zur Verfügung steht (§ 1897 Abs. 6 Satz 1 BGB). Es ist deshalb für die Auswahlentscheidung von Bedeutung, ob die ausgewählte Person die Betreuung berufsmäßig führt oder nicht. Die entsprechenden Erwägungen sind auch in den Gründen der Entscheidung darzulegen (BayObLG FamRZ 1999, 1612).

(2) Der Staatskasse steht im vorliegenden Fall auch kein Beschwerderecht aus (§ 20 Abs. 1 Satz 1 FGG zu. Zwar muss sie im Falle der Mittellosigkeit des Betroffenen die Vergütung des Berufsbetreuers tragen. Dabei handelt es sich jedoch lediglich um die allgemeine Aufgabenerfüllung des Staates, die sich als Folge der gerichtlichen Betreuerbestellung aus der gesetzlichen Vorschrift ergibt (OLG Hamm FGPrax 2001, 18/19). Dies bestätigt im übrigen die Regelung des § 69g Abs. 1 Satz 2 FGG. Danach kann der Vertreter der Staatskasse nur geltend machen, die Betreuung könne statt durch einen Berufsbetreuer durch eine andere oder mehrere geeignete Personen außerhalb einer Berufsbetreuung erfolgen. Hieraus folgt, dass ein unmittelbares Beschwerderecht der Staatskasse ausgeschlossen sein soll (OLG Hamm aaO). In diesem Zusammenhang ist auch auf die gesetzgeberischen Überlegungen bei der Einführung dieser Vorschrift durch das Betreuungsrechtsänderungsgesetz zu verweisen (vgl. Schleswig-Holsteinisches OLG FGPrax 1999, 110/111). Diese Bestimmung beruht auf dem von der Bundesregierung akzeptierten Vorschlag des Bundesrats, der Staatskasse ein Beschwerderecht nur "unter bestimmten Voraussetzungen" einzuräumen (vgl. BT-Drucks. 13/7158 S. 50, 57).

(3) Diese Grundsätze gelten in gleicher Weise für nachträgliche Entscheidungen. Auch die nachträgliche Feststellung bietet nämlich Anlaß zur Prüfung, ob nicht künftig eine Betreuung außerhalb einer Berufsausübung möglich ist (vgl. § 1897 Abs. 6, § 1908b Abs. 1 Satz 2 BGB).

bb) Das Landgericht durfte über den Vergütungsanspruch der Betreuerin nicht entscheiden, da noch nicht wirksam über den Antrag auf gerichtliche Anerkennung der berufsmäßigen Führung der Betreuung entschieden worden war. Diese Entscheidung ist vorgreiflich, da sie für die Vergütung von konstitutiver Wirkung ist (BayObLGZ 1999, 294/295). Soweit das Vormundschaftsgericht am 6.11.2000 eine derartige Feststellung ausgesprochen hat, ist Ziffer 1 des Beschlusses unwirksam.

Zuständig für die Feststellung war im vorliegenden Fall nicht der Rechtspfleger, sondern gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 4 RPflG der zur Bestellung der Betreuerin berufene Vormundschaftsrichter (so auch: LG Dresden FamRZ 2000, 181/182; HK-BUR/Bauer/Deinert § 1836 BGB Rn. 3; Jürgens Betreuungsrecht 2. Aufl. § 1836 BGB Rn. 8; Knittel Betreuungsgesetz § 1836 BGB Rn. 3; a.A. Soergel/Zimmermann BGB 13. Aufl. § 1836 Rn. 7; Zimmermann FamRZ 1999, 630/631), wie sich aus dem Grundsatz der Einheitsentscheidung (vgl. dazu oben 11. 2. b) aa))ergibt.

Folge dieser Zuständigkeitsüberschreitung ist gemäß § 8 Abs. 4 Satz 1 RPflG die Nichtigkeit der Feststellung (vgl. BayObLGZ 1959, 89/93; OLG München Rpfleger 2001, 98/99; Bassenge/Herbst FGG/RPflG 8. Aufl. § 8 RPflG Rn. 4; Dallmayer/ Eickmann RPflG § 8 Rn. 18).

3. Da zunächst eine vormundschaftsgerichtliche Entscheidung über die berufsmäßige Führung zu erfolgen hat, war die Sache insgesamt an das Amtsgericht zurückzuverweisen.

Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass die Feststellung, der Betreuer führe die Betreuung aufgrund geänderter Umstände nunmehr berufsmäßig, nicht rückwirkend auf den Tag der Betreuerbestellung getroffen werden kann (BayObLGZ 2001 Nr. 6). Eine rückwirkende Feststellung ist allenfalls denkbar, wenn bei Bestellung des Betreuers entgegen § 1836 Abs. 1 Satz 2 BGB versehentlich nicht auch über die berufsmäßige Führung entschieden wurde, nicht aber, wenn, wofür hier einiges spricht, der Betreuer bewusst als ehrenamtlicher bestellt wurde.

Ende der Entscheidung

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