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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 04.07.2002
Aktenzeichen: 3Z BR 87/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1897 Abs. 5
BGB § 1899 Abs. 1
Der Bestellung als Betreuer bezüglich des Aufgabenkreises Vermögenssorge kann entgegenstehen, daß der Betreuer die Ansprüche aus einem Übergabevertrag nicht ausreichend erfüllt hat.
Gründe:

I.

Das Amtsgericht bestellte am 22.10.2001 für die geistig verwirrte Betroffene hinsichtlich der Aufgabenkreise Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge, Vermögenssorge und Unterbringung den Sohn der Betroffenen zum Betreuer. Hinsichtlich des Aufgabenkreises Abschluss, Änderung und Kontrolle der Einhaltung des Pflegevertrags bestellte es eine weitere, berufsmäßige Betreuerin.

Hiergegen erhob die weitere Beteiligte (Tochter der Betroffenen) insoweit Beschwerde, als sie anstelle ihres Bruders insgesamt einen Berufsbetreuer eingesetzt haben möchte.

Das Landgericht hat hierauf den Aufgabenkreis der weiteren Betreuerin auf die Kontrolle der Einhaltung des Übergabevertrags vom 14.6.1982 erweitert und im übrigen die Beschwerde zurückgewiesen.

Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der weiteren Beteiligten.

II.

Die weitere Beschwerde ist zulässig und zum Teil begründet.

1. Zum Betreuer bestellt das Vormundschaftsgericht eine natürliche Person, die geeignet ist, in dem gerichtlich bestimmten Aufgabenkreis die Angelegenheiten d es Betreuten rechtlich zu besorgen und ihn in dem hierfür erforderlichen Umfang persönlich zu betreuen (§ 1897 Abs. 1 BGB). Schlägt der volljährige Betreute niemanden vor, der zum Betreuer bestellt werden kann, so ist bei der Auswahl des Betreuers auf die verwandtschaftlichen und sonstigen persönlichen Bindungen des Betreuten, insbesondere auf die Bindungen zu seinen Kindern sowie auf die Gefahr von Interessenkonflikten Rücksicht zu nehmen (§ 1897 Abs. 5 BGB). Einen weiteren Betreuer kann das Landgericht dann bestellen, wenn die Angelegenheiten des Betreuten durch mehrere Betreuer besser besorgt werden können (§ 1899 Abs. 1 BGB) oder der andere Betreuer aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen verhindert ist (§ 1899 Abs. 4 BGB; BayObLG Z 1997, 288/290).

2. Das Landgericht hat ausgeführt, es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass der Sohn der Betroffenen als Betreuer nicht tauglich sei, zumal der Übergabevertrag zeige, dass die Betroffene zu ihrem Sohn ein besonderes Vertrauensverhältnis habe. Auch die in der Vergangenheit getätigten Überweisungen zu seinen, des Sohnes und dessen Ehefrau Gunsten begründeten nicht die Gefahr, dass sich der Sohn zulasten seiner Mutter zu bereichern beabsichtige. Der Übergabevertrag stehe nämlich einer Vergütung der von dem Sohn bzw. dessen Ehefrau erbrachten Pflegeleistungen gegenüber der Betroffenen nicht entgegen, weil dieser Vertrag die Unentgeltlichkeit von Wart und Pflege lediglich in dem (von der Betroffenen jetzt nicht mehr bewohnten) Anwesen St. Straße 4 vorsehe.

3. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO n. F.) nicht stand.

a) Das Rechtsbeschwerdegericht kann die Auswahlentscheidung des Tatrichters, die dessen pflichtgemäßem Ermessen obliegt (vgl. BayObLG FamRZ 1994, 530 f.; MünchKomm/Schwab BGB 3. Aufl. § 1897 Rn. 25), nur auf Rechtsfehler überprüfen (vgl. BayObLG FamRZ 1996, 507; OLG Celle Nds.Rpfl. 1997, 45/46), nämlich dahin, ob der Tatrichter von seinem Ermessen keinen oder einen rechtlich fehlerhaften, Sinn und Zweck des Gesetzes zuwiderlaufenden Gebrauch gemacht, hat, von ungenügenden oder verfahrenswidrig zustande gekommenen Feststellungen ausgegangen ist oder wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen hat (BayObLG Z 1980, 421/425; Keidel/Kahl FGG 14. Aufl. § 27 Rn. 27 m. w. N.).

Das Landgericht hat bei der Abwägung, ob und in welchem Umfang die Gefahr eines Interessenkonfliktes erheblichen Ausmaßes (vgl. BayObLG FamRZ 1999, 49; BtPrax 2000, 260) einer Bestellung des Sohnes der Betroffenen zum Betreuer entgegensteht, wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen.

Nicht berücksichtigt wurde, dass der Haushalt der Betroffenen im Anwesen St. Straße 4 Mitte 1998 aufgelöst (Vermögensverzeichnis vom 19.11.2001) und die Betroffene, schon damals zeitlich und örtlich nicht mehr orientiert (Angabe des Betreuers am 23.4.2001 gegenüber dem Amtsgericht und ärztliches Zeugnis vom 12.4.2001), in die Wohnung ihres Sohnes aufgenommen wurde, obwohl sie aufgrund des dinglichen Wohnungsrechts (Ziff. VI A 1 des Übergabevertrags) im Anwesen St. Straße 4 hätte bleiben dürfen und jederzeit in das Vertragsanwesen zurückkehren dürfte. Nicht berücksichtigt wurde zudem, dass bei einer Abwesenheit auf Dauer für die Befreiung von der Pflicht zur Gewährung der Wohnung eine Geldrente zu zahlen sein dürfte (Art. 18 AGBGB). Angesichts dieser Umstände durfte das Landgericht, ungeachtet der Auslegung der Regelung des Übergabevertrages hinsichtlich der Wart und Pflege (Ziff. VI A 2), nicht sämtliche Überweisungen vom Konto der Betroffenen an ihren Sohn (vgl. durch Schreiben der weiteren Beteiligten vom 3.5.2001 dem Amtsgericht vorgelegte Aufstellungen für den Zeitraum April 1997 bis März 2001) pauschal als gerechtfertigt ansehen. Weiterhin blieb unberücksichtigt, dass der Betroffenen die im Übergabevertrag (Ziff. VI A 2 und 4) versprochenen Naturalleistungen und Taschengeldzahlungen geschuldet wurden.

b) Der Vorwurf der weiteren Beteiligten, sie sei im bisherigen Verfahren nicht zu Gehör gekommen, ist hingegen ohne Grundlage. Die Vorschriften des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, die für das Betreuungsverfahren gelten, gebieten kein mündliches Verfahren (vgl. Keidel/Kahl Vorbem. §§ 8 bis 18 Rn. 8 und 9). § 68a Satz 3 FGG sieht lediglich vor, dass den Kindern der Betroffenen Gelegenheit zur Äußerung zu geben ist. In den von Amtsgericht und Landgericht demnach zu Recht durchgeführten schriftlichen Verfahren wurden die Schreiben der weiteren Beteiligten vom 3.5.2001 und 15.10.2001 sowie die anwaltschaftliche Beschwerdebegründung vom 4.1.2002 berücksichtigt. Auch bekam die weitere Beteiligte den Betreuungsvorschlag der zuständigen Behörde zur Kenntnis und konnte innerhalb von zwei Wochen hierzu Stellung nehmen, was sie auch tat. Damit wurde dem Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) Genüge getan. Dass das Gericht den Standpunkt des zu Gehör Gekommenen einnehmen muss, ist damit freilich nicht verbunden. Es ist auch nicht ersichtlich, dass eine persönliche Anhörung zu zusätzlichen Erkenntnissen hätte führen können (§ 12 FGG).

c) Der Senat kann, da keine weitere Tatsachenermittlung erforderlich ist, nach Aktenlage selbst entscheiden (vgl. BayObLGZ 1993, 88/93). Bei Abwägung aller Umstände besteht im Bereich Vermögenssorge die Gefahr erheblicher Konflikte zwischen den Interessen der Betroffenen und denen ihres Sohnes. Diese Gefahr rechtfertigt die Annahme, dass die Interessen im Bereich Vermögenssorge durch die neutrale weitere Betreuerin besser wahrgenommen werden. Diese hat damit die Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit der Überweisungen vom Konto der Betroffenen zu überprüfen und gegebenenfalls Rückzahlung an die Betroffene zu verlangen. Auch kann sie prüfen, ob angesichts der weiter bestehenden Rechte aus dem Übergabevertrag Maßnahmen zu ergreifen und/oder weitere Zahlungen an die Betroffene einzufordern sind.

Hingegen führt der Interessenkonflikt nicht zum Ausschluss des Betreuers in den übrigen Aufgabenkreisen. Das Rechtsmittel der weiteren Beteiligten ist insoweit zurückzuweisen.



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