Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 28.07.2004
Aktenzeichen: 3Z BR 87/04
Rechtsgebiete: AktG, SpruchG


Vorschriften:

AktG § 306 (a.F.)
SpruchG § 1
Ein Spruchverfahren, das nach dem Delisting einer börsennotierten Gesellschaft anhängig geworden ist, erledigt sich in der Hauptsache, wenn marktenge Aktien der Gesellschaft, die zwischenzeitlich im Freiverkehr gehandelt werden konnten, nach 4,5 Monaten erneut in einem organisierten Markt zum Handel zugelassen worden sind. Verfassungsrechtliche Erwägungen erfordern in einem solchen Fall nicht die Fortführung des Verfahrens, wenn das Delisting keine erkennbar negativen Auswirkungen auf den Börsenkurs gezeitigt hat.
Gründe:

I.

1. Die Antragsgegnerin zu 1 ist eine inzwischen wieder börsennotierte Aktiengesellschaft mit einem Grundkapital von 11.520.000 EUR, das je zur Hälfte aus Inhaber-Stammaktien und stimmrechtslosen Vorzugsaktien besteht. Die Antragsgegnerin zu 2 hält einen Anteil von ca. 98 % der Stamm- und von ca. 79 % der Vorzugsaktien. Am 28.1.2003 beantragte die Antragsgegnerin zu 1 durch ihren Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrats bei der Bayerischen Börse den Widerruf der Zulassung ihrer Aktien zum Börsenhandel im amtlichen Markt. Ein Beschluss der Hauptversammlung der Antragsgegnerin zu 1, der die Ermächtigung für die Anbringung dieses Antrags beinhaltet hätte, bestand nicht. Auch gab die Antragsgegnerin zu 2 kein Angebot für den Kauf der Aktien der Minderheitsaktionäre ab. Die Bayerische Börse widerrief die Zulassung der Aktien zum Börsenhandel zum Ablauf des 28.2.2003. Seit 1.3.2003 wurden die Aktien der Antragsgegnerin zu 1 im Freiverkehr der Bayerischen Börse gehandelt.

Mit Schriftsatz vom 25.3.2003 beantragte die Antragstellerin zu 1, die den Minderheitsaktionären zu gewährende angemessene Barabfindung durch Einräumung eines entsprechenden Pflichtangebotes für den Erwerb der Aktien an der Antragsgegnerin zu 1 durch gerichtliche Entscheidung festzusetzen. Die Festsetzung sollte unter entsprechender Anwendung der Vorschriften über das Spruchverfahren erfolgen. Nach Bekanntmachung der Anhängigkeit dieses Verfahrens im Bundesanzeiger stellten die Antragsteller zu 2 mit 5 sowie der Vertreter der außenstehenden Aktionäre entsprechende Anträge, wobei der Antragsteller zu 5 die Antragsgegnerin zu 2 in seinen Antrag nicht einbezog.

Am 14.7.2003 ließ der Zulassungsausschuss der Bayerischen Börse die Aktien der Antragsgegnerin zu 1 zum Börsenhandel im geregelten Markt zu. Seit 16.7.2003 werden in diesem Marktsegment für diese Aktien wieder Preise festgestellt.

Das Landgericht hat nach mündlicher Verhandlung am 27.11.2003 mit Teilbeschluss die Zulässigkeit der Anträge im Verfahren nach § 306 AktG analog bejaht (DB 2004, 242 ff.). Hiergegen richten sich die Beschwerden der beiden Antragsgegnerinnen. Sie machen die Unzulässigkeit des Verfahrens, zumindest jedoch seine Erledigung geltend.

2. Das Landgericht hat die Zulässigkeit eines Verfahrens auf gerichtliche Festsetzung eines Abfindungsbetrages angenommen, da den Aktionären durch den Rückzug der Gesellschaft aus dem amtlichen Markt die Möglichkeit genommen worden sei, den Wert der Aktien jederzeit durch Veräußerung zu realisieren. Zur Gewährleistung eines wirksamen Eigentumsschutzes sei mangels gesetzlicher Bestimmungen die bestehende Regelungslücke durch die analoge Anwendung der Vorschriften über das Spruchverfahren zu schließen. Der Statthaftigkeit des Antrags stehe auch nicht entgegen, dass die Antragsgegnerinnen kein Pflichtangebot gemacht hätten und die Delisting-Entscheidung nicht von der Hauptversammlung getroffen worden sei. Ferner fehle den Anträgen nicht das Rechtsschutzbedürfnis, da die Wiederzulassung der Aktien zum Börsenhandel in einem anderen Marktsegment eine einmal eingetretene Eigentumsbeeinträchtigung nicht rückgängig machen könne, wenn bereits ein Spruchverfahren rechtshängig gemacht worden sei. Bezüglich der Passivlegitimation hat das Landgericht zwischen den beiden Antragsgegnerinnen nicht differenziert.

II.

1. Die Beschwerden sind als einfache Beschwerden statthaft. Das Landgericht hat sachgerecht zunächst über die Zulässigkeit des Verfahrens entschieden. Eine solche die Antragsgegnerinnen beschwerende Zwischenentscheidung ist zulässig und beschwerdefähig (BayObLGZ 1995, 319/321; 2002, 56/58). Diese Entscheidung gehört nicht zu den nicht anfechtbaren Zwischenentscheidungen, sondern enthält eine für das Gesamtverfahren maßgebliche Vorfrage (vgl. Bassenge/Roth/Herbst FGG/RPflG § 19 FGG Rn. 4; Keidel/Kahl FGG 15. Aufl. § 19 Rn 10). Die abgesonderte Verhandlung und Entscheidung über die Zulässigkeit des Verfahrens entsprechend § 280 ZPO ist auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit möglich (vgl. BayObLG DWE 1982, 136; Keidel/Meyer-Holz Vorbem. zu § 8 Rn. 4). Die Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts, in welchem die Zulässigkeit der Anträge nach § 306 AktG a.F. analog bejaht wurde, ist nicht befristet (offen gelassen in BayObLGZ 2002, 56/58). Die einfache Beschwerde ist hier das statthafte Rechtsmittel (Keidel/Sternal § 22 Rn. 5; MünchKomm/Bilda AktG § 306 Rn. 104), auch wenn davon auszugehen ist, dass bei einer entsprechenden Anwendung der Vorschriften über das Spruchverfahren (vgl. § 306 Abs. 2 a.F., § 99 Abs. 3 Satz 2 AktG, § 12 Abs. 1 SpruchG) im Rahmen des Rechtsschutzes gegen Entscheidungen über das sogenannte Delisting für die Endentscheidung in der Hauptsache die sofortige Beschwerde gegeben wäre. Es gibt keine gesetzliche Handhabe, im Fall von ausnahmsweise anfechtbaren Zwischenentscheidungen das Rechtsmittel hiergegen den strengeren Bestimmungen der sofortigen Beschwerde zu unterwerfen. In den Fällen fehlender ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung ist deshalb grundsätzlich die unbefristete Beschwerde statthaft (vgl. OLG Hamm Rpfleger 1987, 251/252).

2. Die Beschwerden haben auch in der Sache Erfolg. Durch die Erstnotierung der Aktien der Antragsgegnerin zu 1 im geregelten Markt am 16.7.2003 ist der Anlass für die Durchführung eines Spruchverfahrens entfallen, das damals anhängige Verfahren hat sich in der Hauptsache erledigt.

a) Ein Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit erledigt sich in der Hauptsache, wenn ein nach Einleitung des Verfahrens eingetretenes Ereignis die Sach- und Rechtslage so verändert, dass die Voraussetzungen für eine gerichtliche Entscheidung über den Verfahrensgegenstand nicht mehr gegeben sind (vgl. BGH NJW 1982, 2505/2506; BayObLGZ 1990, 130/131; OLG Zweibrücken ZIP 2004, 559/560; Bassenge Einl. FGG Rn. 118; Keidel/Kahl § 19 Rn. 85). Im Spruchverfahren als Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist, anders als im Zivilprozess, die Erledigung der Hauptsache von Amts wegen zu prüfen (§ 12 FGG; vgl. BayObLG NJW-RR 1987, 9 für die Streitverfahren in Wohnungseigentumssachen). Liegen keine Erledigungserklärungen der Verfahrensbeteiligten vor, so ist die Erledigung der Hauptsache von Amts wegen festzustellen (Keidel/Kahl § 19 Rn. 92). Liegt keine Erledigungserklärung des Antragstellers vor, ist bei Wegfall des Verfahrensgegenstandes der gestellte Antrag zurückzuweisen (Bassenge Einl. FGG Rn. 125).

b) Anlass für das Spruchverfahren war hier das Delisting als Beendigung des Handels der Aktien der Antragsgegnerin zu 1 im amtlichen Markt an der Bayerischen Börse. Das reguläre Delisting als Beendigung des Aktienhandels im amtlichen oder geregelten Markt (vgl. BGHZ 153, 47/53) berührt die Verkehrsfähigkeit der Aktien und hat somit Auswirkungen auf das Aktieneigentum. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 153, 47 ff.) gilt deshalb Folgendes: Das Delisting bedarf eines Beschlusses der Hauptversammlung sowie eines Pflichtangebotes der Aktiengesellschaft oder des Großaktionärs über den Kauf der Aktien der Minderheitsaktionäre. Ein adäquater Schutz der Minderheit verlangt ferner, dass das Pflichtangebot die Erstattung des vollen Wertes des Aktieneigentums vorsieht und die Minderheitsaktionäre diesen Umstand in einem gerichtlichen Verfahren überprüfen lassen können. Für diese Überprüfung ist das Spruchverfahren eröffnet. Einwände gegen die analoge Anwendung der Vorschriften über das Spruchverfahren auf den Sachverhalt des regulären Delistings bestehen nicht (vgl. BVerfG ZIP 2000, 1670/1673; BGHZ 153, 47/58). Ob diese Grundsätze auch für das zum 1.9.2003 in Kraft getretene Spruchverfahrensgesetz gelten (vgl. dazu Klöcker/Frowein SpruchG § 1 Rn 16; Hüffer AktG 6. Aufl. § 1 SpruchG [Anh. zu § 305] Rn. 7), bedarf hier keiner Entscheidung, da das vorliegende Spruchverfahren vor dem 1.9.2003 eingeleitet worden und daher hinsichtlich seiner Zulässigkeit weiter das vor diesem Zeitpunkt geltende Recht anzuwenden ist (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SpruchG).

c) Der hier zu beurteilende Sachverhalt weicht in entscheidenden Punkten von dem ab, über den der Bundesgerichtshof zu befinden hatte (vgl. BGHZ 153, 47 ff.). Der Widerruf der Zulassung der Aktien der Antragsgegnerin zu 1 zum Börsenhandel im amtlichen Markt beruht nicht auf einem Beschluss der Hauptversammlung, sondern einem Akt des Vorstandes mit Genehmigung des Aufsichtsrats. Ferner sind die Wirkungen dieses Aktes jedenfalls in wesentlichen Punkten dadurch wieder beseitigt, dass der Vorstand die Zulassung der Aktien der Antragsgegnerin zu 1 an der Börse beantragt hat und diese Aktien seit 16.7.2003 - wenn auch in einem anderen Marktsegment, nämlich dem geregelten Markt - von der Bayerischen Börse zum Börsenhandel zugelassen worden sind.

Da der Schutz der Verkehrsfähigkeit der Aktien als mitgliedschaftlichem Vermögenswert nicht der Disposition der Geschäftsleitung, sondern allein derjenigen der Hauptversammlung obliegt (vgl. BGHZ 153, 47/55), hat der Vorstand der Antragsgegnerin zu 1 seine Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis pflichtwidrig ausgeübt, indem er den Antrag auf Widerruf der Zulassung ihrer Aktien im amtlichen Handel bei der Bayerischen Börse gestellt hat (vgl. Hüffer § 119 Rn. 24). Es bedarf keiner abschließenden Entscheidung, welche Rechtsfolgen sich hieraus allgemein ergeben, und auch nicht darüber, ob in einem solchen Fall trotz fehlenden Hauptversammlungsbeschlusses und fehlenden Pflichtangebots gleichwohl ein Spruchverfahren durchgeführt werden kann. Im vorliegenden Fall sind allein die Folgen zu prüfen, die ein solches Vorgehen für die Zulässigkeit der analogen Anwendung der Vorschriften über das Spruchverfahren hat, wenn die insoweit maßgebenden Wirkungen des pflichtwidrigen Vorstandsbeschlusses im wesentlichen wieder entfallen sind. Nach Auffassung des Senats ist in einem solchen Fall ein Anlass für die Durchführung des Spruchverfahrens nicht (mehr) gegeben.

aa) Die Anforderungen, die seit der erwähnten Entscheidung des Bundesgerichtshofs an ein reguläres Delisting gestellt werden, haben ihren Grund in den dadurch hervorgerufenen Auswirkungen auf die Verkehrsfähigkeit der Aktien einer früher börsennotierten Gesellschaft. Zwar berührt, anders als bei den Strukturmaßnahmen, die gegebenenfalls im Rahmen eines Spruchverfahrens gerichtlich nachprüfbare (vgl. § 1 SpruchG) Ansprüche begründen, der Widerruf der Zulassung der Aktien einer Gesellschaft zum Börsenhandel weder die Mitgliedschaftsrechte noch den Vermögenswert der Beteiligung (vgl. BGHZ 153, 47/54). Diese Substanz des Aktienvermögens bleibt unberührt. Jedoch sind auch der Verkehrswert und die jederzeitige Möglichkeit seiner Realisierung Eigenschaften des Aktieneigentums. Diese Verkehrsfähigkeit ist dem Aktieneigentum immanent und darf bei der Wertbestimmung des (entzogenen) Eigentumsrechts nicht unberücksichtigt bleiben (BVerfGE 100, 289/305). Verfassungsrechtlich ist als Maßstab vorgegeben, dass die Minderheitsaktionäre bei ihrer Abfindung im Rahmen einer Strukturmaßnahme jedenfalls nicht weniger erhalten dürfen als sie bei einer freien Deinvestitionsentscheidung zum Zeitpunkt der beeinträchtigenden Maßnahme erhalten würden (vgl. BVerfGE 100, 289/306). Diese verfassungsrechtlich geforderte Berücksichtigung des Börsenkurses bei der Festsetzung einer angemessenen Entschädigung (vgl. BVerfGE 100, 289/309) hat auch für die Bewertung einer Delistung-Entscheidung Gewicht, weil dort gerade diese Verkehrsfähigkeit der Aktie beeinträchtigt wird und dies nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine entsprechende Barabfindung erfordert. Hierauf beruht es, dass der Bundesgerichtshof, auch ohne ausdrückliche gesetzliche Grundlage, dem Aktionär im Fall des regulären Delistings einen Anspruch auf Abfindung zum Verkehrswert und die Möglichkeit von dessen Überprüfung in einem Spruchverfahren eingeräumt hat (BGHZ 153, 47). Bei der Bewertung der Auswirkungen eines regulären Delistungs stellt sich allerdings regelmäßig das schwer zu lösende Problem, ob und inwieweit der Widerruf der Zulassung von Aktien zum Börsenhandel nicht nur die verfassungsrechtlich nicht geschützten Gewinnerwartungen bzw. die in der Zukunft liegenden Verdienstmöglichkeiten berührt, sondern auch die Substanz des Aktieneigentums (vgl. BVerfG ZIP 2000, 1670/1672). Bei den Erörterungen über Kompensationsmaßnahmen im Rahmen einer Delisting-Entscheidung ist im Übrigen zu bedenken, dass die mangelnde Verkehrsfähigkeit der Aktien der Minderheitsaktionäre keineswegs zwingend vorrangig durch die Entscheidung über die Einstellung des Aktienhandels hervorgerufen werden muss, sondern bereits vorher aufgrund der in solchen Fällen meist festzustellenden Marktenge der zu handelnden Aktien vorhanden sein kann. Mangels Umsatzes ist der amtlich festgestellte Kurs nicht selten nur ein fiktiver Preis, der sich, wenn in größerem Umfang Aktien veräußert würden, rasch in negativer Weise verändern kann. Durch das mit dem Delisting verbundene Entfallen des amtlich festgestellten Preises wird dann lediglich dieser latent bereits vorher vorhandene Umstand offenbar.

bb) Hier war die volle Verkehrsfähigkeit der Aktien in einem organisierten Markt, einschließlich eines amtlich festgestellten Preises, spätestens ab dem Zeitpunkt der erneuten Zulassung zum geregelten Markt wiederhergestellt. Insoweit ist es nicht von ausschlaggebender Bedeutung, dass die Aktien vor dem pflichtwidrigen Vorstandsbeschluss in einem anderen Marktsegment notiert waren als dies nach der Wiederzulassung der Fall ist. Denn die insoweit für die verschiedenden Marktsegmente bestehenden Unterschiede rechtfertigen es nicht, die für das reguläre Delisting geforderten Absicherungen auch in einem solchen Fall zu fordern. Auch der Bundesgerichtshof unterscheidet in Bezug auf die Rechtsfolgen des regulären Delistings zwischen beiden Marktsegmenten nicht (vgl. Z 153, 47/53). Die unterschiedlichen Zulassungsvoraussetzungen für die verschiedenen Marktsegmente spielen für die hier zu beurteilende Frage, ob die verfassungsrechtlichen Schutz genießende Verkehrsfähigkeit der Aktie (vgl. BVerfGE 100, 289/305) durch die Zulassung der Aktien der Antragsgegnerin zu 1 im geregelten Markt wieder gewährleistet ist oder nicht, keine Rolle. Verfassungsrechtlich geboten ist die Gewährleistung der Verkehrsfähigkeit der Aktie einer ehemals börsennotierten Gesellschaft mit der Möglichkeit der fast ständigen Veräußerung des Anteilsrechts (vgl. BVerfG aaO). Ist diese gegeben, wird den Anforderungen aus dem Eigentumsrecht des Art. 14 Abs. 1 GG hinreichend Rechnung getragen. Der Senat folgt deshalb nicht vereinzelt vertretenen Auffassungen, dass sich der grundrechtliche Schutz des Aktieneigentums auf das Börsensegment bezieht, in welchem die Aktie einer Gesellschaft einmal zugelassen war (vgl. Heidel DB 2003, 548). Es gibt keine Gründe dafür, einer Änderung des Börsensegments im Rahmen organisierter Märkte Verfassungsrang beizumessen. Die Zulassung der Aktien der Antragsgegnerin zu 1 im geregelten Markt als einem organisierten Markt (vgl. § 16 Abs. 4 Satz 2 BörsG) stellt die Verkehrsfähigkeit der Aktien in dem insoweit gebotenen Umfang wieder her. Durch die Zulassung der Aktiennotierung im geregelten Markt ist die Antragsgegnerin zu 1 wieder zu einer börsennotierten Gesellschaft geworden (vgl. Hüffer § 3 Rn. 6). Für sie gelten seither wieder die Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten nach dem Wertpapierhandelsgesetz. Der Wechsel des Börsensegments vom amtlichen zum geregelten Markt beeinträchtigt die Verkehrsfähigkeit der Aktien nicht in einem Umfang, der aus verfassungsrechtlichen Gründen gesellschaftsrechtliche Maßnahmen zum Schutz der Aktionäre erfordern würde (vgl. Baumbach/Hopt HGB 31. Aufl. § 38 BörsG Rn. 5; Hellwig/Bormann ZGR 2002, 465/ 491; Schwark/Geiser ZHR 161(1997), 739/762).

Bei dieser Sachlage kann dahinstehen, ob auch die Notierung der Aktien im Freiverkehr an der Bayerischen Börse in der Zeit vom 1.3. bis 16.7.2003 angesichts dessen börsenrechtlichen Gegebenheiten eine ausreichende Gewährleistung der verfassungsrechtlich geforderten Verkehrsfähigkeit wäre (ablehnend ohne nähere Begründung: BGHZ 153, 47/54).

cc) Danach ist mit der Wiederbegründung der Verkehrsfähigkeit der Aktien der Antragsgegnerin zu 1 in einem organisierten Markt die Beeinträchtigung weggefallen, die Ausgangspunkt für eine mögliche Abfindung der Aktionäre hätte sein können. Gleichwohl dürfte eine Erledigung der Hauptsache mit der Folge des Wegfalls einer Entscheidung in der Sache nicht angenommen werden, wenn das Abstellen auf formale rechtliche Erwägungen den Anteilsrechten der Aktionäre nicht den gebotenen verfassungsrechtlichen Schutz zuteil werden ließe. So erledigt sich ein Spruchverfahren nicht dadurch, dass ein über mehrere Jahre durchgeführter Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag während des noch nicht abgeschlossenen Verfahrens gekündigt wird und dadurch formal der Abfindungsanspruch der außenstehenden Aktionäre berührt würde (BGHZ 135, 374 ff.). Da die mehrjährige Durchführung eines solchen Unternehmensvertrages die Herrschafts- und Vermögensrechte der Aktionäre der abhängigen Gesellschaft beeinträchtigt, gebieten verfassungsrechtliche Überlegungen den Fortbestand des Anspruchs aus § 305 AktG während der Dauer des Spruchverfahrens (BGHZ 135, 374/377). Andererseits kann die Erledigungswirkung in einem Spruchverfahren jedenfalls dann eintreten, wenn ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag nach wirksamer Anfechtung des Hauptversammlungsbeschlusses ex tunc nichtig ist (vgl. OLG Zweibrücken ZIP 2004, 559).

(i) Der hier zu entscheidende Sachverhalt gebietet es aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht, nach der Zulassung der Aktien der Antragsgegnerin zu 1 zum Börsenhandel im geregelten Markt den Eintritt der Erledigungswirkung entsprechend den allgemeinen verfahrensrechtlichen Grundsätzen abzulehnen. Im Ergebnis war hier der Börsenhandel der Aktie in einem organisierten Markt nur vorübergehend ausgesetzt. An der Börse handelbar war die Aktie jedoch immer. Der Senat vermag darin keine Eigentumsbeeinträchtigung der Minderheitsaktionäre zu erkennen, die einer Entschädigung im Rahmen eines Verfahrens bedürfte, dessen Ergebnis für und gegen alle wirkt (vgl. § 13 Satz 2 SpruchG analog). Die beeinträchtigende Maßnahme hatte nur für die Dauer von 4 1/2 Monaten Bestand, die Substanz- und Mitgliedschaftsrechte aus dem Aktieneigentum wurden hierdurch nicht berührt.

(ii) Die Durchführung eines Spruchverfahrens ist aus verfassungsrechtlichen Gründen ferner nicht deshalb geboten, weil die Delisting-Maßnahme den Kurs der Aktien der Antragsgegnerin zu 1 in einem entschädigungspflichtigen Umfang beeinträchtigt hätte. Ausgangspunkt für die Überlegung, bei Delistingvorgängen eine Barabfindung zu fordern, ist der Umstand, dass im Zusammenhang mit der Ankündigung der Einstellung des Aktienhandels der Börsenkurs (nachhaltig) sinkt (vgl. BGHZ 153, 47/57; Geyrhalter/Zirngibl DStR 2004, 1048; Hüffer § 119 Rn. 24; Schwark/Geiser aaO). Eine nachweisbare wesentliche Beeinträchtigung des Aktienkurses durch das Delisting würde die Annahme eines formalen Erledigungstatbestandes verhindern.

Die Betrachtung der Börsenkurse vor der hier zu beurteilenden Maßnahme ergibt allerdings, dass durch die Entscheidung über den Widerruf der Zulassung der Aktien zum Börsenhandel im amtlichen Markt der Börsenkurs nicht erkennbar beeinflusst worden ist. Nach Aktenlage verharrte der Kurs der Stammaktie in der Zeit vom 2.12.2002 bis 30.4.2003 bei etwa 60 EUR und bewegte sich danach bis 3.7.2003 zwischen 59,30 EUR und 57 EUR. Eine auffallende Kursbewegung zeitnah zur Ankündigung und zur Beendigung des Börsenhandels in einem organisierten Markt ist nicht erkennbar. Deshalb lässt sich eine verfassungsrechtlich bedeutsame Beeinträchtigung der Minderheitsaktionäre von Stammaktien durch das Delisting nicht feststellen. Aus der Sicht des Senats spricht vielmehr alles dafür, dass angesichts der Marktenge dieser Aktie die Verkehrsfähigkeit bereits vor der Entscheidung über das Delisting nicht mehr gegeben war.

Keine andere Beurteilung ergibt sich für die Minderheitsaktionäre, die Inhaber von Vorzugsaktien sind. Für den Handel dieser Aktien ist nach Aktenlage festzustellen, dass in den drei Monaten vor der hier zu beurteilenden Maßnahme 1.041 Aktien und in der Zeit der Einbeziehung in den Freiverkehr 966 Aktien gehandelt wurden und danach bis 31.10.2003 keine Umsätze zu verzeichnen waren. Unter Berücksichtigung dieser Daten dürfte die Beurteilung nicht verfehlt sein, dass die Verkehrsfähigkeit der Aktie bereits vor der Entscheidung über die Einstellung des Aktienhandels faktisch nicht mehr gegeben war. Die Betrachtung der Börsenkurse in den einschlägigen Zeiträumen ergibt keine Anhaltspunkte dafür, dass gerade die Einstellung bzw. die Wiederaufnahme des Börsenhandels maßgeblich kursbeeinflussend gewirkt hätte. In der Zeit vom 2.12.2002 bis 17.3.2003 betrug der Kurs der Vorzugsaktie durchwegs 60 EUR. Danach bis zum 3.7.2003 schwankte der Kurs zwischen 59 EUR und 47,50 EUR. Ab 3.7.2003 (d.h. der Aufnahme der Aktien in den geregelten Markt) bis 31.10.2003 ergab sich eine Kursspanne zwischen 51 EUR und 44,50 EUR. Auch bei dieser Aktiengattung ist nicht erkennbar, dass zeitnah zur Beendigung des Aktienhandels spürbare negative Kursbewegungen vorgekommen sind bzw. dass umgekehrt die Aufnahme der Aktien in ein dem amtlichen Handel nahekommendes Marktsegment insoweit positive Aspekte gehabt hätte.

Nachdem weder für die Stamm- noch für die Vorzugsaktien der Minderheitsaktionäre erkennbar geworden ist, dass sie durch die Entscheidung über den Widerruf der Zulassung der Aktien zum Börsenhandel im amtlichen Markt eine verfassungsrechtlich relevante Eigentumsbeeinträchtigung erfahren haben, steht der Annahme einer Erledigung der Hauptsache auch aus verfassungsrechtlichen Erwägungen nichts entgegen.

dd) Die Antragsteller sind des Weiteren bei der gegenständlichen Fallkonstellation auch nicht besonders schutzwürdig. Nachdem der Widerruf der Zulassung der Aktien zum Börsenhandel im amtlichen Markt nicht auf einem Hauptversammlungsbeschluss beruhte und die Mehrheitsaktionärin, die Antragsgegnerin zu 2, kein Abfindungsangebot abgegeben hat, konnten sie nicht davon ausgehen, dass wie bei dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall ein Sachverhalt vorliegt, der einer Strukturmaßnahme der Gesellschaft vergleichbar und von einigem Bestand ist. Es ist den Maßnahmen, die Gegenstand eines Spruchverfahrens sein können (vgl. § 1 SpruchG), immanent, dass sie auf einem Hauptversammlungsbeschluss beruhen. Das Spruchverfahren ist in diesen Fällen der Ausgleich dafür, dass der Hauptversammlungsbeschluss der Anfechtung entzogen und damit für den einzelnen Aktionär nicht mehr rückgängig zu machen ist (vgl. MünchKomm-AktG/Volhard § 1 SpruchG Rn. 2 und 5). Dies trifft auf das Delisting nicht zu. Insbesondere wenn wie hier der Vorstand allein gehandelt hat, muss ihm bei den dargelegten Umständen die Möglichkeit offen stehen, seinen pflichtwidrigen Beschluss binnen angemessener Zeit ohne ein aufwändiges Verfahren, das für und gegen alle wirkt (vgl. § 13 Satz 2 SpruchG analog) zu korrigieren. Sofern einzelne Aktionäre der Auffassung sind, sie hätten ihre konkrete Deinvestitionsentscheidung aufgrund der Einbeziehung der Aktien in den Freiverkehr nicht durchführen können, steht ihnen angesichts der pflichtwidrigen Entscheidung des Vorstands über das durchzuführende Delisting der Rechtsweg außerhalb eines Spruchverfahrens offen (vgl. BGHZ 83, 122).

III.

1. Nachdem auf das Verfahren zur Überprüfung des Abfindungsangebots im Rahmen des Delistings das Spruchverfahren analog anzuwenden ist (BGHZ 153, 47), muss dies auch für die Vorschriften über die Verteilung der Kosten gelten. Dabei kann die Antragsgegnerin zu 1, die das Delisting zu verantworten hat, keinen Vorteil daraus ziehen, dass sie ein Abfindungsangebot nicht abgegeben hat. Die Verteilung der Kosten erster Instanz ist, da das Verfahren vor Inkrafttreten des Spruchverfahrensgesetzes anhängig geworden ist, nach § 306 Abs. 7 AktG a.F. analog zu treffen (vgl. § 17 Abs. 2 Satz 1 SpruchG analog). Die Verteilung der Kosten zweiter Instanz erfolgt nach § 15 SpruchG analog (vgl. § 17 Abs. 2 Satz 2 SpruchG). Danach ergibt sich Folgendes:

a) Schuldner der Gerichtskosten in Spruchverfahren sind im Regelfall die Antragsgegner (§ 306 Abs. 7 Satz 7 AktG a.F. analog für die erste Instanz; § 15 Abs. 2 Satz 1 SpruchG analog für die zweite Instanz). Die Kosten können jedoch aus Billigkeitsgründen ganz oder zum Teil anderen Beteiligten auferlegt werden (§ 306 Abs. 7 Satz 8 AktG a.F. analog für die erste Instanz; § 15 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 SpruchG analog für die zweite Instanz). Derartige Billigkeitsgründe für eine abweichende Kostenverteilung liegen hier vor. Die Antragsteller haben, mit Ausnahme des Antragstellers zu 5, auch die Antragsgegnerin zu 2 für eine Barabfindung in Anspruch genommen, und dies obwohl die Antragsgegnerin zu 2 weder vor der Stellung des Antrags auf Widerruf der Zulassung der Börsennotierung noch danach im Spruchverfahren ein Abfindungsangebot abgegeben hat. Die Antragsteller konnten nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht darauf vertrauen, dass die Antragsgegnerin zu 2 ein Angebot abgibt oder sie nach der jetzt vorgefundenen Rechtslage ein Angebot hätte abgeben müssen. Im Rahmen eines regulären Delistings kann auch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das Abfindungsangebot durch die Gesellschaft selbst oder durch den Großaktionär abgegeben werden (vgl. BGHZ 153, 47/57). Die Antragsgegnerin zu 2 hat sich deshalb selbst nach der vom BGH geschaffenen Rechtslage nicht pflichtwidrig verhalten. Es wäre unbillig, sie mit Kosten zu belasten. Insoweit sind die gerichtlichen Kosten entsprechend dem Obsiegen und Unterliegen zwischen den Verfahrensbeteiligten aufzuteilen.

b) Die Verteilung der außergerichtlichen Kosten erfolgt für die erste Instanz nach § 13a Abs. 1 FGG (BayObLG AG 1996, 127/131; Hüffer § 15 SpruchG Rn. 6). Nach § 13a Abs. 1 Satz 1 FGG kann das Gericht bei mehreren Beteiligten aus Billigkeitsgründen anordnen, dass ein Beteiligter dem anderen die außergerichtlichen Kosten ganz oder teilweise zu erstatten hat. Bei der Anwendung dieser Vorschrift ist zu berücksichtigen, dass in den Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit grundsätzlich jeder Beteiligte seine Kosten selbst zu tragen hat (Keidel/Zimmermann § 13a Rn. 21 m.w.N.). Die Zurückweisung eines Antrags ist für sich genommen in der Regel kein ausreichender Grund für die Anordnung einer Kostenerstattung aus Billigkeitsgründen (vgl. Keidel/Zimmermann § 13a Rn. 22 m.w.N.). Die Anordnung der Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin zu 2 durch die Antragsgegner zu 1 mit 4 ist hier allerdings aus den gleichen Gründen geboten, die bereits unter a) zu einer abweichenden Verteilung der Gerichtskosten geführt haben. Die Antragsgegnerin zu 2 hat gegenüber den Antragstellern zu 1 mit 4 weder einen irgendwie gearteten Anlass gegeben noch einen Rechtsschein begründet, der es gerechtfertigt hätte, sie in das gegenständliche Spruchverfahren als Antragsgegnerin einzubeziehen. Im Übrigen erfolgt die Kostenverteilung entsprechend den im Spruchverfahren geltenden Grundsätzen (vgl. BayObLG AG 2004, 99/100). Für die Verteilung der außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zweiter Instanz ist § 15 Abs. 4 SpruchG analog heranzuziehen. Die Anordnung der Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Antragsteller zu 1 mit 4 zur Hälfte und des Antragstellers zu 5 zur Gänze entspricht hier der Billigkeit. Die analoge Anwendung des Spruchverfahrens auf Delistingvorgänge ist neu und in ihren Auswirkungen im einzelnen noch ungesichert. Dies und der Übergang zu der neuen Kostenregelung des § 15 Abs. 4 SpruchG (vgl. Hüffer § 15 SpruchG Rn. 6) lassen eine abweichende Kostenverteilung in erster und zweiter Instanz nicht sachgerecht erscheinen.

2. Die Festsetzung des Geschäftswerts für das Verfahren zweiter Instanz beruht auf § 15 Abs. 1 Satz 4 SpruchG analog. Er beträgt danach mindestens 200.000 EUR. Infolge der Zurückweisung der Anträge ist der Mindestwert anzusetzen. Für eine Ermessensausübung, die zu einer Festsetzung eines niederen Geschäftswerts führen könnte, ist gesetzlich kein Raum (vgl. OLG Stuttgart ZIP 2004, 850/851). Für die erste Instanz beruht die Festsetzung des Geschäftswerts auf § 306 Abs. 7 Satz 5 und 6 AktG a.F. analog, § 30 Abs. 1 KostO. Danach ist der Wert in einer vermögensrechtlichen Angelegenheit nach freiem Ermessen zu bestimmen, sofern er sich nicht aus den Vorschriften der Kostenordnung ergibt oder auch sonst nicht feststeht. Im Spruchverfahren wird daher der Geschäftswert nach freiem Ermessen bestimmt (vgl. BayObLG AG 1999, 273). Bei der Festsetzung des Geschäftswerts stellt die gerichtliche Praxis maßgeblich auf die Differenz ab, die zwischen der unternehmensvertraglich angebotenen und der angemessenen Leistung je Aktie besteht multipliziert mit der Gesamtzahl der Aktien, die außen stehende Aktionäre halten (vgl. BayObLG aaO). Im gegenständlichen Verfahren stehen allerdings die üblicherweise heranzuziehenden Wertbestimmungsfaktoren nicht zur Verfügung. So fehlt es an einem Abfindungsangebot seitens der Antragsgegnerinnen. Aufgrund der Zurückweisung der Anträge steht fest, dass die außen stehenden Aktionäre in diesem Verfahren eine Barentschädigung nicht erhalten. Mangels brauchbarer tatsächlicher Anhaltspunkte hält es der Senat für sachgerecht, für die erste und die zweite Instanz ein und denselben Geschäftswert anzusetzen, also auch den Wert erster Instanz mit 200.000 EUR zu bemessen. Gründe, die eine abweichende Festsetzung des Geschäftswerts erfordern würden, sind nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

Zurück