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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 21.05.2003
Aktenzeichen: 3Z BR 92/03
Rechtsgebiete: BGB, FGG


Vorschriften:

BGB § 1835
FGG § 67 Abs. 3
Auch wenn der Verfahrenspfleger ausnahmsweise Ersatz seiner Aufwendungen nach der BRAGO verlangen kann, gilt die Ausschlussfrist des § 1835 Abs. 1 Satz 3 BGB.
Gründe:

I.

Für die Betroffene besteht wegen einer paranoid-halluzinatorischen Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis eine Betreuung, die unter anderem den Aufgabenkreis Vermögenssorge umfasst.

Am 28.1.1999 bestellte das Amtsgericht der Betroffenen einen Rechtsanwalt als Verfahrenspfleger zur Wahrnehmung ihrer Interessen bei der vergleichsweisen Beendigung zweier Rechtsstreite in Österreich, durch die ein hälftiger Miteigentumsanteil der Betroffenen an einem in Österreich gelegenen Grundstück auf ihre frühere Schwiegermutter, der die andere Hälfte gehörte, zur Abgeltung von gegen die Betroffene geltend gemachten Zahlungsansprüchen übertragen werden sollte.

Der Vergleich wurde am 6.10.1999 geschlossen und vom Amtsgericht am 19.1.2000 im Einvernehmen mit dem Verfahrenspfleger vormundschaftsgerichtlich genehmigt.

Am 20.8.2002 beantragte der Verfahrenspfleger die Festsetzung des Gegenstandswerts für seine Gebührenrechnung. Am 29.8.2002 hob das Amtsgericht die Verfahrenspflegschaft auf. Am 14.11.2002 setzte es den Gegenstandswert für die Verfahrenspflegschaft auf 51000 EUR fest.

Mit Honorarnote vom 15.12.2002, eingegangen bei Gericht am 18.12.2002, beantragte der Verfahrenspfleger Aufwendungsersatz in Höhe von 2205,62 EUR. Dieser Betrag setzt sich aus einer 7,5/10-Geschäftsgebühr und einer 10/10-Vergleichgebühr zuzüglich Mehrwertsteuer nach den Vorschriften der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO), fußend auf dem festgesetzten Gegenstandswert, zurückgerechnet in DM, zusammen. Das Amtsgericht wies den Vergütungsantrag am 26.2.2003 als verfristet zurück. Die hiergegen erhobene sofortige Beschwerde des Verfahrenspflegers hat das Landgericht am 31.3.2003 zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Verfahrenspflegers.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig. Sie wurde insbesondere vom Landgericht wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zugelassen (§ 56g Abs. 5 Satz 2, § 67 Abs. 3 Satz 3 FGG).

In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) stand.

1. Das Landgericht hat ausgeführt, die Ersatzansprüche des Verfahrenspflegers für seine Aufwendungen seien erloschen, weil sie nicht binnen 15 Monaten nach ihrer Entstehung gerichtlich geltend gemacht worden seien. Die Ansprüche seien im Zeitpunkt des Tätigwerdens für die Betroffene entstanden, jedenfalls nicht nach dem 19.1.2000, dem Zeitpunkt der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung des in Österreich geschlossenen Vergleichs. Die Geltendmachung der Ansprüche gegenüber dem Amtsgericht sei erst am 18.12.2002 erfolgt. Die Ausschlussfrist von 15 Monaten gelte auch, wenn der Verfahrenspfleger ausnahmsweise nach den Vorschriften der BRAGO abrechnen dürfe.

2. Trotz des Ausschlusses des § 1835 Abs. 3 BGB in § 67 Abs. 3 Satz 2 FGG können Rechtsanwälte die Wahrnehmung bestimmter Einzelaufgaben im Rahmen einer Tätigkeit als Verfahrenspfleger ausnahmsweise über § 1835 Abs. 3 BGB nach den Vorschriften der BRAGO abrechnen (vgl. BT-Drucks. 13/158 S. 41; BVerfG FamRZ 2000, 345/347; BtPrax 2000, 120/122; BGHZ 139, 309/311 f.; BayObLG FamRZ 2002, 1201). Ist eine solche Abrechnung auf der Grundlage der BRAGO zulässig (zu den Voraussetzungen im Einzelnen vgl. Beschluss des Senats vom 6.3.2003, 3Z BR 230/02 - bisher unveröffentlicht), gilt gleichwohl die Ausschlussfrist des § 1835 Abs. 1 Satz 3 BGB. Diese Vorschrift findet auch auf den Aufwendungsersatzanspruch des Verfahrenspflegers Anwendung (§ 67 Abs. 3 Satz 2 FGG, § 1908i Abs. 1 Satz 1 BGB; OLG Koblenz FamRZ 2002, 1355 und 2003, 168). § 1835 Abs. 3 BGB bezieht die berufsspezifischen Dienste eines Vormunds in den Kreis der Aufwendungen ein, deren Ersatz in § 1835 Abs. 1 BGB näher geregelt ist. Dies gilt, wendet man § 1835 Abs. 3 BGB ausnahmsweise entgegen dem Wortlaut des § 67 Abs. 3 Satz 2 FGG auf die Tätigkeit des Verfahrenspflegers an, auch für dessen Ersatzansprüche nach dieser Vorschrift.

Es besteht auch kein Bedürfnis, die Abrechnung nach BRAGO in Ansehung der Ausschlussfrist gegenüber der Abrechnung nach den Stundensätzen des Gesetzes über die Vergütung von Berufsvormündern zu privilegieren. Die Abrechnung nach BRAGO ist im Regelfall einfacher und damit schneller zu erstellen, da sie wertabhängig ist und daher die häufig aufwändige Erfassung und Zusammenstellung der aufgewendeten Zeit wegfällt. Durch die Anwendung der Ausschlussvorschrift werden außerdem Verwerfungen vermieden, die entstehen könnten, wenn nicht eindeutig feststeht, ob die Voraussetzungen einer Abrechnung nach BRAGO vorliegen oder sich der Verfahrenspfleger mit der Vergütung nach § 1 BVormVG begnügen muss (§ 67 Abs. 3 Satz 2 FGG) und für diese Ansprüche unterschiedliche Regelungen zu Erlöschen und Verjährung gelten würden. Es entspricht dem Gebot der Klarheit und Rechtssicherheit, die Ausschlussfrist von 15 Monaten in gleicher Weise auf alle Aufwandsersatz- wie Vergütungsansprüche des Verfahrenspflegers anzuwenden. Nicht zuletzt aus diesem Grund hat der Gesetzgeber insoweit identische Regelungen vorgesehen (§ 1835 Abs. 1 Satz 3, § 1836 Abs. 2 Satz 4 BGB).

3. Das Landgericht ist zutreffend von diesen Grundsätzen ausgegangen. Es hat zu Recht angenommen, dass danach der Anspruch des Verfahrenspflegers auf Aufwendungsersatz gemäß den Vorschriften der BRAGO im Zeitpunkt der Geltendmachung bereits erloschen war.. Auf die Frage der Verjährung, auf die der Verfahrenspfleger abgestellt hat (vgl. dazu zum früheren Recht BayObLGZ 2000, 197), kommt es dann nicht mehr an. Es kann dahinstehen, wann genau ein solcher Anspruch im Sinn von § 1835 Abs. 1 Satz 3 BGB entsteht (vgl. hierzu allgemein BayObLG FamRZ 1996, 372/373; OLG Koblenz FamRZ 2002, 1355), insbesondere ob hierfür die Fälligkeit des Anspruchs erforderlich ist. Denn die Gebührenansprüche des Verfahrenspflegers wurden hier spätestens mit der Beendigung des Geschäfts fällig (§ 16 Satz 1 BRAGO). Es ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht die die Gebühren begründende Tätigkeit des Verfahrenspflegers spätestens mit der Erteilung der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung des in Österreich geschlossenen Vergleichs am 19.1.2000 als beendet angesehen hat. Dies steht im Einklang mit dem Akteninhalt, der ein Tätigwerden des Verfahrenspflegers nach diesem Zeitpunkt nicht erkennen lässt. Auch die Ausführungen des Verfahrenspflegers hierzu in seinem Schriftsatz vom 30.1.2003 lassen den Schluss zu, dass nach dem genannten Zeitpunkt keine Tätigkeit für die Betroffene mehr ausgeübt wurde. Anhaltspunkte dafür, dass der Verfahrenspfleger treuwidrig von der rechtzeitigen Geltendmachung seines Anspruchs abgehalten worden wäre (vgl. OLG Koblenz FamRZ 2003, 168), liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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