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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 28.07.2004
Aktenzeichen: 3Z BR 94/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1908b Abs. 1
BGB § 1908b Abs. 3
1. Eine Auswechslung des Betreuers auf Wunsch des Betreuten kann durch das Vormundschaftsgericht nur dann vorgenommen werden, wenn der Betroffene aus eigenem Antrieb die Auswechslung des Betreuers anstrebt und auf Grund eigenständiger Willensbildung einen bestimmten neuen Betreuer wünscht.

2. Voraussetzung für eine Entlassung des Betreuers gegen seinen Willen wegen fehlender Eignung oder aus einem anderen wichtigen Grund ist grundsätzlich, dass das Wohl des Betreuten bei einer fortbestehenden Betreuerstellung entweder nicht oder erheblich schlechter gewahrt ist als bei einer Betreuerauswechslung.


Gründe:

I.

Für den Betroffenen ist seit 20.8.2000 ein Betreuer für die Aufgabenkreise Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge, Vermögenssorge, Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern, ferner Entgegennahme, Anhalten und Öffnen der Post sowie Entscheidung über den Fernmeldeverkehr bestellt. Für den Bereich Vermögenssorge wurde ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet. Zum Betreuer wurde der Beschwerdeführer, ein Berufsbetreuer, bestellt. Die Betreuung wurde durch Beschlüsse des Amtsgerichts vom 13.12.2001 bis zum 31.12.2002 und vom 23.12.2002 bis zum 31.12.2004 verlängert.

Am 26.11.2003 genehmigte das Amtsgericht die vorläufige Unterbringung des Betroffenen in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses bis zum 7.1.2004. Der Betroffene wurde am gleichen Tage in das Klinikum I. verbracht. Bei der richterlichen Anhörung am 2.12.2003 erklärte der Betroffene, er wolle einen anderen Betreuer, weil ihm der Beschwerdeführer nur 80 EUR pro Woche zubillige. Der Beschwerdeführer teilte dem Klinikum mit Schreiben vom 18.12.2003 eine von ihm getroffene Anweisung mit, dem Betroffenen dürfe nur in Begleitung von Fachpersonal und nur innerhalb der Grenzen der Stadt I. Ausgang gewährt werden. Von Seiten der Klinik wurde dieser Anordnung widersprochen. Die Genehmigung der vorläufigen Unterbringung wurde mit Beschluss vom 22.12.2003 aufgehoben. An diesem Tage teilte der Beschwerdeführer dem Amtsgericht mit, er habe die Verlegung des Betroffenen in das Bezirkskrankenhaus T. veranlasst, weil seitens des Klinikums I. Betreuerverfügungen ignoriert würden. Die Klinik erklärte hierzu, der Betroffene wünsche keinesfalls eine Verlegung. Den Antrag des Beschwerdeführers, im Wege der einstweiligen Anordnung das Klinikum dazu zu verurteilen, den Betroffenen zwecks Verlegung an den Beschwerdeführer herauszugeben, nahm dieser wieder zurück. Ebenfalls am 22.12.2003 wurde dem Beschwerdeführer das alleinige Betreten der Station untersagt, in welcher sich der Betroffene aufhielt. Eine hiergegen vom Beschwerdeführer beantragte einstweilige Verfügung wurde durch das Amtsgericht nicht erlassen. Bei der richterlichen Anhörung zum Klinikwechsel bestätigte der Betroffene, dass er im Klinikum I. bleiben wolle, er habe kein Vertrauen mehr zu dem Beschwerdeführer, weil ihm dessen gesamtes Auftreten nicht gefalle. Bei der richterlichen Anhörung zum Betreuerwechsel erklärte er, er komme mit dem Beschwerdeführer einfach nicht zurecht, es habe von Anfang an nicht gepasst.

Das Amtsgericht entließ mit Beschluss vom 19.2.2004 den Beschwerdeführer als Betreuer und bestellte die jetzige Vereinsbetreuerin.

Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde des ehemaligen Betreuers, mit welcher dieser eine Aufhebung des amtsgerichtlichen Beschlusses erreichen wollte, am 6.4.2004 zurückgewiesen.

Mit seiner sofortigen weiteren Beschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen diesen Beschluss.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig, §§ 69g Abs. 4 Satz 1 Nr. 3, 29 Abs. 2, 27 Abs. 1 FGG. Sie hat aber in der Sache im Ergebnis keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat seine Entscheidung folgendermaßen begründet:

Die Voraussetzungen für die Entlassung des Beschwerdeführers nach § 1908b Abs. 3 BGB lägen vor. Im Rahmen der Entscheidung nach § 1908b BGB seien in erster Linie die Wünsche des Betroffenen zu berücksichtigen, insoweit gelte der Rechtsgedanke des § 1897 Abs. 4 BGB entsprechend. Der Wunsch des Betroffenen nach einer Entlassung seines Betreuers sei verständlich wegen des mit dem Betroffenen nicht abgesprochenen Vorgehens, den Betroffenen in eine andere Klinik zu verlegen, wegen der Probleme bei der Regelung der finanziellen Verhältnisse und dem Vorwurf, der Beschwerdeführer habe durch seine Untätigkeit zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Betroffenen beigetragen. Zwar stehe dem Vormundschaftsgericht bei der Entscheidung über die Entlassung ein Ermessensspielraum zu, doch habe sich die Ermessensausübung am Wohl des Betroffenen zu orientieren. Hier sei zu berücksichtigen, dass das Verhalten des Beschwerdeführers nachvollziehbar zu einem Vertrauensverlust bei dem Betroffenen geführt habe. Dass der Beschwerdeführer ohne bzw. gegen den Willen des Betroffenen eine Verlegung in ein anderes Krankenhaus betrieben habe, weil er die Kompetenz der behandelnden Ärzte anzweifle, habe den Betroffenen verunsichert. Auch sei nicht nur von dem Betroffenen selbst, sondern auch von seiner behandelnden Ärztin der Vorwurf erhoben worden, dass die Untätigkeit des Beschwerdeführers für die Verschlechterung des Gesundheitszustandes mitverantwortlich sei. Das Ermessen sei daher dahingehend auszuüben, dass der Beschwerdeführer zu entlassen sei. Die neue Betreuerin sei auch geeignet. Auch der Betroffene habe sich bei seiner Anhörung mit diesem Vorschlag zufrieden gezeigt.

2. Diese Ausführungen erweisen sich im Ergebnis als zutreffend. Die Entlassung des Beschwerdeführers als Betreuer ist zwar nicht nach § 1908b Abs. 3 BGB, wohl aber nach § 1908b Abs. 1 BGB gerechtfertigt.

a) Das Vormundschaftsgericht kann einen Betreuer entlassen, wenn der Betreute eine gleich geeignete Person, die zur Übernahme bereit ist, als neuen Betreuer vorschlägt, § 1908b Abs. 3 BGB. Voraussetzung hierfür ist, dass der Betroffene aus eigenem Antrieb die Auswechslung des Betreuers anstrebt und selbst einen bestimmten neuen Betreuer wünscht. Es reicht nicht aus, wenn der neue Betreuer durch das Vormundschaftsgericht ausgewählt wird und der Betroffene mit diesem Vorschlag lediglich einverstanden ist (vgl. auch OLG Celle Beschluss vom 8.6.2000 Az. 15 W 9/00).

b) Das Vormundschaftsgericht hat den Betreuer zu entlassen, wenn seine Eignung, die Angelegenheiten des Betroffenen zu besorgen, nicht mehr gewährleistet ist oder ein anderer wichtiger Grund für die Entlassung vorliegt (§ 1908b Abs. 1 Satz 1 BGB). Für die Entlassung genügt jeder Grund, der den Betreuer als nicht mehr geeignet im Sinne von § 1897 Abs. 1 BGB erscheinen lässt (vgl. BayObLG FamRZ 2003, 403/404 m.w.N.). Als wichtiger Grund kann auch anzusehen sein, dass das Vertrauensverhältnis zwischen dem Betreuer und dem Betroffenen gestört ist (Palandt/Diederichsen BGB 63. Aufl. § 1908b Rn. 2). Bei der Prüfung, ob das Vertrauensverhältnis zwischen Betreuer und Betreutem gestört ist, sind auch Wunsch und Wille einer geschäftsunfähigen oder in ihrer geistigen Leistungskraft eingeschränkten Person zu berücksichtigen (OLG Köln FamRZ 1999, 1169).

Grundsätzlich ist jedenfalls Voraussetzung für die Entlassung eines Betreuers nach §1908b Abs. 1 BGB, dass das Wohl des Betroffenen bei fortbestehender Betreuerstellung nicht oder erheblich schlechter gewahrt ist als bei einem Austausch des Betreuers (vgl. BayObLG FamRZ 2000, 1457/1458). Nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist die Entlassung des Betreuers erst als letzte Maßnahme zulässig, wenn also minder schwere Maßnahmen nicht ausreichen, um eine etwaige Gefährdung des Wohls des Betroffenen zu beseitigen. Das Vormundschaftsgericht hat also zuerst die Mittel der Aufsicht und des Weisungsrechts einzusetzen (BayObLG FamRZ 1998, 1257/1258; 2003, 433/404; BtPrax 2002, 218).

c) Der Betroffene hat von sich aus keinen neuen Betreuer vorgeschlagen, so dass eine Betreuerauswechslung nach § 1908b Abs. 3 BGB nicht in Betracht kommt. Er hat zwar verschiedentlich bei richterlichen Anhörungen geäußert, er wolle einen neuen Betreuer, weil er mit dem Beschwerdeführer nicht zurechtkomme bzw. noch nie zurechtgekommen sei. Darauf hat sich die Aktivität des Beschwerdeführers beschränkt. Voraussetzung für eine Entlassung eines Betreuers nach § 1908b Abs. 3 BGB ist aber der eigenständige Wunsch des Betroffenen nach einem bestimmten neuen Betreuer. Insofern setzt § 1908b Abs. 3 BGB den Gedanken des § 1897 Abs. 4 BGB für den Zeitraum ab erfolgter Betreuerbestellung fort: In erster Linie ausschlaggebend für die Ermessensentscheidung, welcher Betreuer bestellt werden soll, sind der Wille und der Wunsch des Betroffenen. Wunsch und Wille setzen eine eigenständige Überlegung des jeweils Betroffenen voraus; das bloße Einverständnis mit anderen Vorschlägen ist auch bei erstmaliger Betreuerbestellung nicht als Betreuervorschlag zu werten. Auch wenn der Betroffene bei der letzten gerichtlichen Anhörung sich mit dem Vorschlag der Betreuungsstelle zufrieden gezeigt hat, ist er doch lediglich einem fremden Vorschlag gefolgt, ohne sich zu einem früheren Zeitpunkt selbst einen eigenen Willen gebildet zu haben.

d) Es liegen aber die Voraussetzungen für eine Entlassung des Betreuers nach § 1908b Abs. 1 BGB vor, weil das Vertrauensverhältnis zwischen dem Betroffenen und dem Beschwerdeführer stark gestört ist. Der Senat kann aufgrund der durch das Landgericht getroffenen Feststellungen und des Akteninhaltes in der Sache selbst entscheiden. Hieraus ergibt sich, dass während des Aufenthaltes des Betroffenen im Klinikum I. die Vertrauensbasis zwischen dem Betroffenen und dem Beschwerdeführer entfallen ist. Es kann dahinstehen, auf welche Ursache dies letztlich zurückzuführen ist. Fest steht jedenfalls, dass die vom Beschwerdeführer geplante Verlegung des Betroffenen in ein anderes Klinikum gegen den Willen der behandelnden Ärzte und das daraus resultierende Stationsverbot für den Beschwerdeführer zumindest subjektiv zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Betroffenen, der sich damals in einer depressiven Phase befand, und zu einem Verlust des Vertrauens zu dem Beschwerdeführer als seinem Betreuer geführt haben. So hat der Betroffene bei mehreren richterlichen Anhörungen erklärt, er habe kein Vertrauen mehr zu dem Beschwerdeführer. Gleichgültig, ob der Betroffene mit der Verlegung schließlich einverstanden war, wie der Beschwerdeführer behauptet, oder nicht, wie die Ärzte des Klinikums I. behaupten, hat die Auseinandersetzung zwischen den Ärzten und dem Beschwerdeführer nicht dem Wohl des Betroffenen gedient; Streitigkeiten zwischen den behandelnden Ärzten und einem Betreuer dürfen keinesfalls auf dem Rücken des Betreuten ausgetragen werden. Gerade für einen psychisch kranken Patienten wie dem Betroffenen, der sich letztlich freiwillig in einem psychiatrischen Krankenhaus seiner Wahl aufhielt, ist die kontinuierliche Behandlung in einer ihm vertrauten Umgebung durch Ärzte, zu denen er Vertrauen hat, wichtig. Wird das Vertrauen des Betreuten zu den behandelnden Ärzten durch Handlungen des Betreuers in Frage gestellt und führt dies zu einem Vertrauensverlust des Betroffenen, ist es nahe liegend, dass dieser Betreuer die Betreuung gerade im Aufgabenkreis Gesundheitsfürsorge und Aufenthaltsbestimmung nicht mehr zum Wohl des Betroffenen weiterführen kann.

Mildere Maßnahmen kommen nicht in Betracht. In Anbetracht der Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Beschwerdeführer und dem Betroffenen sind weder eine Mahnung noch eine Weisung erfolgversprechend. Hier ist zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer von seinen Vorbehalten gegenüber den Ärzten des Klinikums I. bisher nicht abgerückt ist und das zerrüttete Vertrauensverhältnis durch eine vormundschaftsgerichtliche Äußerung nicht mehr wieder hergestellt werden kann. Auf die anderen Vorwürfe - Untätigkeit des Beschwerdeführers, Ausreichung zu geringer Geldbeträge an den Betroffenen - kam es deshalb nicht mehr an. Zweifel an der Eignung der nun bestellten Betreuerin sind von keiner Seite vorgetragen worden.

Ende der Entscheidung

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