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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 12.07.2004
Aktenzeichen: 3Z BR 95/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1899 Abs. 4
1. Ein Ersatzbetreuer kann auch für Verhinderungsfälle tatsächlicher Art bestellt werden.

2. Die Bestellung eines Ersatzbetreuers kommt nur in Betracht, wenn sie sich auf Grund der konkreten Sachlage als erforderlich erweist (vgl. § 1896 Abs. 2 BGB). Die weder zeitlich noch ínhaltlich konkretisierte Möglichkeit, dass der Betreuer wegen Krankheit zeitweise an der Wahrnehmung seiner Aufgaben verhindert sein könnte, genügt nicht.


Gründe:

I.

Die Betroffene ist das gemeinsame Kind der Betreuerin und des Ersatzbetreuers. Am 26.1.2002 beantragten die Eltern, sie für die an einem schweren Lungenleiden erkrankte Tochter zu Mitbetreuern zu bestellen. Mit Beschluss vom 5.2.2002 bestellte das Vormundschaftsgericht die Mutter der Betroffenen zur vorläufigen Betreuerin für alle Angelegenheiten. Mit gesondertem Beschluss vom gleichen Tag bestellte das Amtsgericht den Vater zum Ersatzbetreuer für den Fall der Verhinderung der Betreuerin. Nach Anhörung der Betroffenen am 22.8.2002 bestellte das Vormundschaftsgericht mit Beschluss vom 5.11.2002 Betreuerin und Ersatzbetreuer endgültig. Mit Schreiben vom 30.7.2003 beantragte die Betreuerin, den Ersatzbetreuer wegen aufgetretener Schwierigkeiten zu entlassen. Diesem Antrag widersprach der Ersatzbetreuer und beantragte seinerseits die Gewährung des Umgangs mit seiner Tochter. Die zuständige Behörde sprach sich für die Entlassung des Ersatzbetreuers aus. Das Vormundschaftsgericht entließ diesen mit Beschluss vom 5.11.2003, gegen den der Ersatzbetreuer mit Schreiben vom 20.11.2003 Beschwerde einlegte. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde mit Beschluss vom 1.3.2004 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Ersatzbetreuers vom 27.4.2004.

II.

Die zulässige sofortige weitere Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Gegen die Entscheidung des Landgerichts ist die sofortige weitere Beschwerde statthaft (§ 69g Abs. 4 Satz 1 Nr. 3, § 29 Abs. 2 FGG). Dieses Rechtsmittel steht auch dem gerichtlich bestellten Ersatzbetreuer zur Seite. Da er Betreuer im Sinne des § 1899 Abs. 4 BGB ist, kann er seine Entlassung mit dem für den Betreuer vorgesehenen Rechtsmittel der sofortigen weiteren Beschwerde anfechten. Den gesetzlichen Anforderungen an die Form und die Frist des Rechtsmittels wurde entsprochen.

2. Das Landgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Die Beschwerde des Ersatzbetreuers sei als zulässige sofortige Beschwerde zu behandeln. Sie sei aber nicht begründet, weil die Bestellung eines Ersatzbetreuers nicht hätte erfolgen dürfen. Die Anordnung einer Ergänzungsbetreuung bei absehbarer wiederkehrender Verhinderung des Betreuers diene nicht dem Wohl der Betroffenen. Darüber hinaus sei ein konkret zu erwartender Verhinderungsfall weder vorgetragen noch ersichtlich gewesen. Ein solcher sei auch bislang nicht eingetreten. Die Bestellung eines Ergänzungsbetreuers sei angesichts der Differenzen zwischen ihm und der Hauptbetreuerin eher schädlich. Deshalb entspreche die Entbindung des Ergänzungsbetreuers der Rechtslage. Eine Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung über das Umgangsrecht komme nicht in Betracht.

3. Dies hält rechtlicher Nachprüfung stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO).

a) Das Vormundschaftsgericht hat einen Betreuer zu entlassen, wenn seine Eignung, die Angelegenheiten des Betreuten zu besorgen, nicht mehr gewährleistet ist oder ein anderer wichtiger Grund für die Entlassung vorliegt (§ 1908b Abs. 1 Satz 1 BGB). Ein solcher Grund liegt u.a. schon dann vor, wenn mehrere Betreuer bestellt sind, ohne dass die hierfür maßgebenden gesetzlichen Voraussetzungen vorgelegen haben (vgl. Palandt/Diederichsen BGB 63. Aufl. § 1908b Rn. 5).

b) Die Entlassung des Ersatzbetreuers erfolgte zu Recht. Die Voraussetzungen für seine Bestellung haben niemals vorgelegen.

aa) Das Gericht kann mehrere Betreuer auch in der Weise bestellen, dass der eine die Angelegenheit des Betreuten nur zu besorgen hat, soweit der andere verhindert ist oder ihm die Besorgung überträgt (§ 1899 Abs. 4 BGB). Nach herrschender Ansicht umfasst diese gesetzliche Bestimmung nicht nur eine Verhinderung in rechtlicher, sondern auch in tatsächlicher Hinsicht (LG Stuttgart BtPrax 1999, 200; LG Frankfurt/Oder FamRZ 1999, 1221/1222; Bamberger/Müller BGB § 1899 Rn. 8; Bienwald Betreuungsrecht 3. Aufl. § 1899 Rn. 2; Damrau/Zimmermann Betreuungsrecht 3. Aufl. § 1899 Rn. 21; Jürgens, Betreuungsrecht 2. Aufl. § 1899 Rn. 5; Knittel Betreuungsgesetz § 1899 BGB Rn. 23; Palandt/Diederichsen § 1899 Rn. 5; a.A. mit beachtlichen Gründen: MünchKomm/Schwab BGB 4. Aufl. § 1899 Rn. 23). Für die Bestellung eines Ergänzungsbetreuers als Ersatzbetreuer besteht auch in Fällen der tatsächlichen Verhinderung ein praktisches Bedürfnis. Es ist sachgerecht, einen Ersatzbetreuer für Fälle konkret zu erwartender tatsächlicher Verhinderung wie z.B. die Abwesenheit wegen Jahresurlaubs zu bestellen. Es braucht hier nicht entschieden zu werden, welche Anforderungen im Einzelfall an die Zulässigkeit der Bestellung eines Ersatzbetreuers zu stellen sind. Jedenfalls wenn es sich um die tatsächliche Verhinderung in einem konkret umrissenen oder in einem anhand tatsächlicher Umstände bestimmbaren Zeitraum handelt, bestehen auch unter dem Aspekt der Vertretungskompetenz des Betreuers (vgl. § 1902 BGB) und des Grundsatzes der Einzelbetreuung (vgl. BayObLG FamRZ 1997, 1502) keine Einwände gegen die Bestellung eines Ersatzbetreuers.

bb) In dem hier zu entscheidenden Fall sind die Voraussetzungen für die Bestellung eines Ersatzbetreuers hingegen nicht gegeben. Es kann vorliegend dahin stehen, ob die Anordnung einer Dauerersatzbetreuung als generell zulässig anzusehen ist (bejahend: Alperstedt BtPrax 2001, 106/107; Damrau/Zimmermann aaO; Bienwald aaO; Knittel § 1899 Rn. 24; verneinend: LG Frankfurt/Oder aaO; MünchKomm/Schwab aaO). Jedenfalls muss die Bestellung eines Ersatzbetreuers, wie die Bestellung eines Betreuers allgemein, dem Erforderlichkeitsgrundsatz des § 1896 Abs. 2 BGB Rechnung tragen (Bamberger/Müller § 1899 Rn. 8; Knittel aaO). Danach darf ein Betreuer nur für Aufgabenkreise bestellt werden, in denen Handlungsbedarf besteht. Nichts anderes gilt für die Bestellung eines Ersatzbetreuers. Für sie ist nur Raum, sofern im konkreten Fall angesichts aller Umstände eine Ersatzbetreuung erforderlich erscheint. Einer künftigen Bedarfslage ist dabei vorausschauend Rechnung zu tragen (vgl. MünchKomm/Wage- nitz § 1896 Rn. 42). Die Ersatzbetreuung ist insbesondere auch dann erforderlich, wenn die Annahme begründet ist, dass von der Entscheidungsverantwortlichkeit des bestellten Ersatzbetreuers in einem überschaubaren Zeitraum Gebrauch gemacht werden muss (vgl. LG Stuttgart aaO). Das ist hier nicht der Fall.

cc) Das Vormundschaftsgericht hat weder seinen Beschluss vom 5.2.2002 noch den vom 5.11.2002 in Bezug auf die Anordnung der Ersatzbetreuung begründet. Konkrete Anhaltspunkte für die Notwendigkeit der Bestellung eines Ersatzbetreuers waren weder damals noch sind sie derzeit ersichtlich. So war eine wiederholte urlaubsbedingte Abwesenheit der Betreuerin niemals Gegenstand der Erörterung. Auch der Ausfall der Betreuerin aus krankheitsbedingten Gründen, der die Bestellung eines Ersatzbetreuers erforderlich machen könnte, ist nach Aktenlage nicht festzustellen. Zwar führt das Vormundschaftsgericht in seinem Beschluss über die Entlassung des Ersatzbetreuers u.a. an, dass der Ersatzbetreuer damals angesichts der angespannten gesundheitlichen Lage der Betreuerin rein vorsorglich bestellt worden sei. Nach Aktenlage ist jedoch nicht erkennbar, dass die Betreuerin aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage gewesen wäre, die Betreuungsaufgaben zum Wohl ihrer Tochter selbst durchzuführen bzw. die entsprechenden Maßnahmen zu organisieren. Auch würde die abstrakte Möglichkeit einer kurzfristigen Erkrankung für die Anordnung eines Ersatzbetreuers auf Dauer nicht ausreichen (Alperstedt aaO). Aus dem Beschluss über die Entlassung des Ersatzbetreuers wird ersichtlich, dass selbst für das Vormundschaftsgericht die Erforderlichkeit für die Anordnung des Ersatzbetreuers niemals gegeben war. Auch der Beschwerdeführer geht in der Begründung seiner sofortigen weiteren Beschwerde davon aus, dass eine wiederkehrende Verhinderung der Betreuerin nicht zu erwarten stand. Die Ersatzbetreuung wurde offensichtlich nur für den völlig ungewissen Fall eines plötzlichen krankheitsbedingten Ausfalls der Betreuerin angeordnet. Dies und auch der ursprüngliche Wunsch der Eltern der Betroffenen, gemeinsam als Betreuer bestellt zu werden, rechtfertigt die Anordnung einer Ersatzbetreuung für jeden Fall der Verhinderung nicht. Das Gesetz sieht die Bestellung mehrerer Betreuer nur unter sehr eingeschränkten Umständen vor (vgl. § 1899 BGB). Liegt keine der in dieser Vorschrift genannten Voraussetzungen für die Bestellung mehrerer Betreuer vor, verbleibt es bei dem Grundsatz der Bestellung nur eines Betreuers (§ 1897 Abs. 1 BGB).

Sonach ist es für die hier zu treffende Entscheidung ohne Belang, ob der Ersatzbetreuer für die Erfüllung der Betreuungsaufgaben geeignet wäre. Der Senat weist die Beteiligten in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es Aufgabe eines Betreuers ist, die Angelegenheiten eines Betroffenen rechtlich zu besorgen und er ihn nur in dem für diese rechtliche Betreuung erforderlichen Umfang persönlich zu betreuen hat. Die von dem Beschwerdeführer angeführte bzw. von der Betreuerin geforderte Hilfe im tatsächlichen Bereich bei der Pflege der Tochter ist deshalb unabhängig davon, ob der Beschwerdeführer die Stellung eines Ersatzbetreuers innehat.

Schließlich ist die Frage der Zulässigkeit der Bestellung eines Ersatzbetreuers gänzlich losgelöst von der Frage zu beantworten, ob und inwieweit dem Vater ein Umgangsrecht in Bezug auf seine Tochter zusteht. Die jeweiligen Verfahren sind nach verschiedenen rechtlichen Gesichtspunkten zu entscheiden. Eine Aussetzung dieses Verfahrens kommt deshalb nicht in Betracht.

4. Der Geschäftswert wurde nach § 31 Abs. 1 Satz 1, § 131 Abs. 2, § 30 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 KostO festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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