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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 24.06.2004
Aktenzeichen: 3Z BR 96/04
Rechtsgebiete: BGB, FGG


Vorschriften:

BGB § 1836
FGG § 67
Billigt der Verfahrenspfleger in seiner Stellungnahme gegenüber dem Vormundschaftsgericht einen Antrag des Betreuers auf Gewährung eines über den Höchstsatz hinausgehenden Stundensatzes, ist darin kein wirksames Anerkenntnis oder Zugeständnis zulasten des vermögenden Betroffenen zu sehen.
Gründe:

I. Das Amtsgericht bestellte am 13.10.1999 für die nach dem zuvor eingeholten Sachverständigengutachten geschäftsunfähige, aber vermögende Betroffene einen Berufsbetreuer für die Aufgabenkreise Gesundheitsfürsorge, Vermögenssorge und Vertretung gegenüber Heimen. Auf den Vergütungsantrag des Betreuers vom 11.2.2001 hin, mit dem er einen Stundensatz von 100 DM beanspruchte, wurde ihm in zweiter Instanz dieser Stundensatz bis 30.6.2000, für die Zeit danach nur in Höhe von 60 DM zugesprochen. Auf den Vergütungsantrag vom 23.6.2002 betreffend 2001 wurde dem Betreuer vom Amtsgericht ein Stundensatz von 100 DM bewilligt. Der mit dem hier gegenständlichen Vergütungsantrag vom 22.9.2003 für 2002 geltend gemachte und von der Verfahrenspflegerin gebilligte Stundensatz von 38,50 EURO wurde vom Amtsgericht am 13.10.2003 auf 31 EURO herabgesetzt, so dass statt der begehrten 1.359 EURO nur 1.094,38 EURO als aus dem Vermögen der Betroffenen zu erbringende Betreuervergütung festgesetzt wurden.

Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde des Betreuers hat das Landgericht am 5.3.2004 zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Betreuers.

II. 1. Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig. Sie wurde vom Landgericht wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zugelassen (§ 56g Abs. 5 Satz 2, § 69e Satz 1 FGG) und formgerecht zu Protokoll der Rechtspflegerin des Landgerichts eingelegt (§ 29 Abs. 1 und Abs. 4, § 21 Abs. 2 Satz 1 FGG, § 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a RPflG). Sie ist nicht verspätet eingelegt, weil die Einlegungsfrist von zwei Wochen mangels Zustellung der landgerichtlichen Entscheidung nicht in Lauf gesetzt wurde (§§ 29 Abs. 1 und Abs. 4, 22 Abs. 1, 16 Abs. 2 FGG).

2. In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg.

a) Das Landgericht hat ausgeführt, dass das Zugeständnis des vom Betreuer geltend gemachten Stundensatzes in Höhe von 38,50 EURO seitens der Verfahrenspflegerin keine Bindung im Festsetzungsverfahren entfalte. Die vorliegende Betreuung weise keine besonderen Schwierigkeiten auf, die eine Erhöhung des Regelstundensatzes von 31 EURO rechtfertigen könnten. Ein Härteausgleich komme hinsichtlich des hier gegenständlichen Abrechnungszeitraums nicht mehr in Betracht. Eine Gleichbehandlung sei weder mit Betreuungsvereinen noch in Ansehung des für 2001 durch das Amtsgericht zugebilligten Stundensatzes von 100 DM geboten.

b) Das ist rechtlich (§ 27 FGG, § 546 ZPO) nicht zu beanstanden.

aa) Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BVormVG steht dem Betreuer für den hier gegenständlichen Abrechnungszeitraum ein Stundensatz von 31 EURO zu. Diese Regelung ist im Grundsatz auch bei vermögenden Betreuten maßgeblich (vgl. BayObLG NJW-RR 2002, 1228/1229). Ohne erkennbaren Rechtsfehler hat das Landgericht das Vorliegen besonderer Schwierigkeiten, die eine Erhöhung des Regelstundensatzes rechtfertigen könnten, verneint.

bb) Rechtlich nicht zu beanstanden ist des Weiteren die Annahme des Landgerichts, ein Härteausgleich komme nicht mehr in Betracht. Der Härteausgleich für die Betreuer von nicht mittellosen Betroffenen kann grundsätzlich nur auf Vergütungen gewährt werden, die für bis 30.6.2000 ausgeführte Tätigkeiten angefallen sind (vgl. BayObLGZ 2001, 122/125). Ohne Ermessensfehlgebrauch hat das Landgericht das Vorliegen von Gründen, die eine Abweichung rechtfertigen könnten, verneint. Es ist insbesondere zutreffend davon ausgegangen, dass die besonderen Umstände, die eine Verlängerung dieses Zeitraums für Betreuungsvereine bewirken können (vgl. BayObLGZ 2002, 121/125), hier nicht vorliegen können.

cc) Zu Recht hat das Landgericht den Stundensatz nicht deshalb erhöht, weil dem Betreuer für 2001 ein Stundensatz von 100 DM zugesprochen wurde. Dabei kann dahinstehen, ob dieser Stundensatz durch besondere Umstände gerechtfertigt war. Wenn ja, wofür der Akteninhalt kaum etwas hergibt, ist das Vorliegen solcher Umstände, wie oben dargestellt, jedenfalls für den hier gegenständlichen Abrechnungszeitraum vom Landgericht rechtsfehlerfrei verneint worden, so dass unterschiedliche Beurteilungsgrundlagen gegeben sind. Wenn nicht, ist die Erhöhung zu Unrecht vorgenommen worden und lediglich mangels Beanstandung nicht korrigiert worden. Aus einer solchen Handhabung kann jedoch kein Recht auf Fortführung dieser rechtlich fehlerhaften Handhabung hergeleitet werden (vgl. auch BVerfGE 9, 213/233; 50, 142/166; 57, 29/38).

dd) Während der Beschwerdeführer die Entscheidung des Landgerichts in den bisher genannten Punkten nicht (weiter) angreift, kommt es ihm ausweislich seiner Beschwerdebegründung auf die Klärung der Frage an, ob die Verfahrenspflegerin den erhöhten Stundensatz wirksam zugestanden hat. Dies ist, wie das Landgericht ebenfalls richtig angenommen hat, nicht der Fall. Die Verfahrenspflegerin hat in ihrer Stellungnahme für die Betreute nachteilige und diese bindende Erklärungen nicht abgegeben.

Eine Vergütungsvereinbarung liegt nicht vor. Die Zulässigkeit einer solchen Vereinbarung und ihre Auswirkungen im Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 56 g FGG sind strittig (vgl. BayObLG FamRZ 2002, 130/131; Bienwald Anm. FamRZ 2002, 1063/1064; Damrau/Zimmermann Betreuungsrecht 3. Aufl. § 1836 BGB Rn. 60). Jedenfalls würde eine wirksame Vereinbarung voraussetzen, dass die Verfahrenspflegerin mit Wirkung für die Betreute einen solchen diesen belastenden Vertrag abschließen konnte und eine entsprechende Erklärung abgegeben hat. Das ist nicht der Fall. Der Verfahrenspfleger im Betreuungsverfahren soll nach dem Willen des Gesetzgebers Helfer des Betroffenen sein, nicht sein Vormund (BT-Drucks. 11/4528 S. 171). Er soll den Betroffenen im Verfahren unterstützen, nicht verdrängen oder ersetzen (BT-Drucks. aaO. S. 89). Mit einer solchen Rechtsstellung ist es kaum vereinbar, dass der Verfahrenspfleger für den Betroffenen nachteilige und diesen bindende materiellrechtliche Verträge abschließt. Die Verfahrenspflegerin hat im vorliegenden Verfahren eine derartige Willenserklärung aber nicht abgegeben. Sie hat lediglich in ihrer Stellungnahme vom 9.10.2003 gegenüber dem Gericht unter der Überschrift "Stundensatz" ausgeführt, dass sie besondere Schwierigkeiten im Rahmen der Betreuung für gegeben erachte, die Argumentation des Betreuers zur Übergangsregelung betreffend den Stundensatz nachvollziehbar sei und sie ganz allgemein die Begründung des Betreuers hinsichtlich der Festsetzung des Stundensatzes insgesamt für überzeugend halte. Sie hat mit diesen Ausführungen lediglich ihre Auffassung kundgetan. Aus der Sicht eines objektiven Betreuers kann nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte (vgl. Palandt/Heinrichs BGB 63. Aufl. § 133 Rn. 9) darin jedoch keine Willenserklärung, die im Namen des Betroffenen auf den Abschluss einer Vergütungsvereinbarung gerichtet ist, erblickt werden.

Ebenso wenig ist in der Äußerung ein Anerkenntnis oder das Zugestehen eines überhöhten Stundensatzes zu sehen. Dabei kann dahinstehen, ob ein solches Anerkenntnis oder, bezogen auf die dem Stundensatz zugrunde liegenden Tatsachen, ein Geständnis im Verfahren nach § 56 g FGG zulässig wären, obwohl dort der Amtsermittlungsgrundsatz gilt. Jedenfalls könnten derartige Erklärungen Wirkung nur entfalten, soweit sie durch den in seinen Rechten Betroffenen oder wirksam in seinem Namen abgegeben sind. Eine solche Erklärung liegt hier, wie oben ausgeführt, nicht vor und war von der Verfahrenspflegerin angesichts der ihr nach dem Gesetz zugedachten Stellung (vgl. auch Keidel/Zimmermann FGG 15. Aufl. § 13 Rn. 22a) und auch nach dem Wortlaut ihrer Stellungnahme offensichtlich nicht beabsichtigt.



Ende der Entscheidung

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