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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 09.07.2004
Aktenzeichen: 3Z BR 99/04
Rechtsgebiete: AktG


Vorschriften:

AktG § 104
Mit der Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern durch die Hauptversammlung endet das Amt der Mitglieder, die zuvor gerichtlich bestellt worden sind und die durch die gewählten Personen ersetzt werden sollen , automatisch, unabhängig davon ob möglicherweise der Beschluss über die Wahl Mängel aufweist. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts in der Sache kann deshalb nach dem Beschluss der Hauptversammlung wegen Erledigung der Hauptsache nicht mehr ergehen.
Gründe:

I.

Mit Schreiben vom 12.2.2004 beantragte der Vorstand der beteiligten Gesellschaft beim Registergericht M. die gerichtliche Bestellung von neun im Einzelnen benannten Personen zu Mitgliedern des Aufsichtsrats. Die bezeichneten Personen waren von der Hauptversammlung am 14.5.2003 im Wege der Blockwahl in den Aufsichtsrat gewählt worden. Im Rahmen eines gerichtlichen Anfechtungsverfahrens, welches die genannte Hauptversammlung betraf, teilte der Vorsitzende der zuständigen Kammer für Handelssachen des Prozessgerichts in der mündlichen Verhandlung am 5.2.2004 mit, dass die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der gemeinsamen Wahl der Aufsichtsratsmitglieder wohl nicht vorliegen dürften. Diese Äußerung veranlasste den Vorstand der beteiligten Gesellschaft zu der hier gegenständlichen Antragstellung. Er vertrat die Auffassung, dass der Aufsichtsrat der Gesellschaft nicht als ordnungsgemäß besetzt anzusehen sei und deshalb keine gültigen Wahlvorschläge für die anstehende Hauptversammlung am 29.4.2004 unterbreiten könne.

Das Registergericht entsprach dem Antrag mit Beschluss vom 17.2.2004. Gegen diese Entscheidung legten die weiteren Beteiligten jeweils sofortige Beschwerde ein. Das Landgericht hat die einzelnen Rechtsmittel als unzulässig verworfen, weil den weiteren Beteiligten kein Beschwerderecht zukomme. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des weiteren Beteiligten zu 1 vom 11.5.2004 und die sofortige weitere Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 2 vom 28.4.2004. Am 29.4.2004 wählte die Hauptversammlung der beteiligten Gesellschaft die neun Personen, die im Wege der gerichtlichen Bestellung vom 17.2.2004 zu Mitgliedern des Aufsichtsrats bestellt worden waren, zu Aufsichtsratsmitgliedern.

II.

Die sofortigen weiteren Beschwerden der beiden weiteren Beteiligten waren als unzulässig zu verwerfen, weil sich am 29.4.2004 mit der Wahl der neun Personen zu Mitgliedern des Aufsichtsrats, die Gegenstand des angefochtenen Beschlusses vom 17.2.2004 waren, das Verfahren zur Ergänzung des Aufsichtsrats durch gerichtliche Bestellung (§ 104 AktG) erledigt hat und somit ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Entscheidung in der Sache nicht mehr besteht.

1. Im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist die Hauptsache erledigt, wenn nach Einleitung des Verfahrens der Verfahrensgegenstand durch ein Ereignis, welches eine Veränderung der Sach- und Rechtslage herbeiführt, weggefallen ist, so dass die Weiterführung des Verfahrens keinen Sinn mehr hätte, weil eine Sachentscheidung nicht mehr ergehen kann (vgl. BGH NJW 1982, 2505/2506; BayObLGZ 1990, 130/131, Bassenge/Herbst/Roth FGG/RPflG 9. Aufl. Einl. FGG Rn. 118; Keidel/Kahl FGG 15. Aufl. § 19 Rn. 85). Das ist insbesondere der Fall, wenn die gerichtliche Entscheidung auf Grund veränderter Umstände keine Wirkung mehr entfalten könnte. Ein bereits eingelegtes Rechtsmittel wird dann im Grundsatz unzulässig, eine Sachentscheidung darf nicht ergehen. Denn mit der Erledigung entfällt das Rechtsbedürfnis für das Rechtsmittel (BayObLGZ 1971, 182/184). Beschränkt ein Rechtsmittelführer sein vor Erledigung der Hauptsache wirksam eingelegtes Rechtsmittel jedoch auf die Kosten, so bleibt es insoweit zulässig. In diesem Fall hat das Gericht über die in allen Rechtszügen angefallenen gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten zu entscheiden (BayObLGZ 1992, 54/57).

a) Eine Beschränkung des Rechtsmittels auf die Entscheidung über die Kosten ist durch die Beschwerdeführerin zu 2 trotz gerichtlichen Hinweises auf die mögliche Erledigung der Hauptsache nicht erfolgt. Eine Beschränkung des Rechtsmittels auf die Entscheidung über die Kosten wäre dem Beschwerdeführer zu 1 nicht möglich gewesen, weil die Erledigung der Hauptsache bereits vor Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde eingetreten war. Die Folge ist in beiden Fällen die Verwerfung der jeweiligen sofortigen weiteren Beschwerde als unzulässig (Keidel/Kahl § 19 Rn. 93 und 94; Bassenge Einl. FGG Rn. 128 und 129).

b) Die Wahl der neun Personen in der Hauptversammlung vom 29.4.2004 zu Mitgliedern des Aufsichtsrats hat die Hauptsache des gerichtlichen Bestellungsverfahrens nach § 104 AktG materiellrechtlich erledigt, da die Aufsichtsratsmitglieder nunmehr aus einem anderen Berufungsgrund Mitglied des Aufsichtsgremiums der beteiligten Gesellschaft geworden sind. Es kann offen bleiben, ob unter Berücksichtigung der Verfahrenssituation des Rechtsstreits über die Anfechtung der Wahl der Mitglieder des Aufsichtsrats in der Hauptversammlung vom 14.5.2003 ein Fall für die gerichtliche Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern nach § 104 AktG gegeben war. Mit dem Beschluss des Amtsgerichts M. vom 17.2.2004 waren jedenfalls die darin bezeichneten Personen Mitglieder des Aufsichtsrats der beteiligten Gesellschaft kraft gerichtlicher Bestellung geworden. Die einzelnen Personen sind wirksam mit Zustellung des Beschlusses an sie Mitglieder des Aufsichtsrats geworden, weil sie zuvor ihre Zustimmung zur gerichtlichen Bestellung erteilt hatten (vgl. MünchKomm/Semler AktG § 104 Rn. 106). Das Amt der gerichtlich bestellten Aufsichtsratsmitglieder endet, sobald der Mangel behoben ist § 104 Abs. 5 AktG). Das Amt erlischt automatisch und bedarf keines weiteren gerichtlichen Aktes etwa in Gestalt der Abberufung (vgl. OLG Frankfurt AG 1987, 159; Hüffer AktG 6. Aufl. § 104 Rn. 12; MünchKomm/Semler § 104 Rn. 116). Eine Behebung des Mangels liegt vor, wenn ein neu gewähltes Mitglied die Bestellung in den Aufsichtsrat angenommen hat (vgl. Hüffer § 104 Rn. 13; MünchKomm/Semler § 104 Rn. 117). Ein solcher Sachverhalt ist hier gegeben. Mit Bestellung der neun Personen zu Aufsichtsratsmitgliedern durch die Hauptversammlung vom 29.4.2004 sind die materiellrechtlichen Wirkungen des amtsgerichtlichen Beschlusses vom 17.2.2004 für die Zukunft automatisch entfallen. Daher könnte eine gerichtliche Entscheidung im weiteren Beschwerdeverfahren über die sachliche Berechtigung der Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern durch das Registergericht für die Zukunft keine inhaltliche Wirkung mehr entfalten (vgl. Senatsbeschluss vom 1.8.2003 - 3Z BR 107/03, S. 5 f.).

Die Erlöschenswirkung durch die Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder durch die Hauptversammlung vom 29.4.2004 tritt ein, obwohl die Beschwerdeführer gegen den Beschluss zu diesem Punkt der Tagesordnung Anfechtungsklage erhoben haben. Die mögliche Anfechtbarkeit des Hauptversammlungsbeschlusses hat auf die Erledigungswirkung nach § 104 Abs. 5 AktG keinen Einfluss (vgl. OLG Frankfurt AG 1987, 159/160; Hüffer § 104 Rn. 13). Die Wahl des Aufsichtsrates durch die Hauptversammlung vom 29.4.2004 hat unabhängig von den hiergegen gerichteten Klagen zunächst Bestand. Ob die Beschlussfassung Mängel mit der Folge der Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit aufweist, muss in den hierfür vorgesehenen aktienrechtlichen Verfahren geprüft werden.

c) Die Wirkungen des Bestellungsakts für die Zeit vor dem 29.4.2004 können nicht mehr beseitigt werden. Die Beschwerdeführer haben auch kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin zu 2 greift § 32 FGG im gegenständlichen Fall ein. Diese Vorschrift ist ohne Bedenken auf Mitglieder eines Aufsichtsrats anzuwenden, die kraft gerichtlichen Beschlusses bestimmt worden sind, da solchen Personen im gesetzlich vorgesehenen Umfang Vertretungsmacht zukommt (vgl. Bassenge § 32 FGG Rn. 1; Keidel/Zimmermann § 32 Rn. 6). Eine Anwendbarkeit von § 32 FGG wäre nur dann zu verneinen, wenn der Beschluss des Registergerichts vom 17.2.2004 als nichtig anzusehen wäre (vgl. Bassenge § 32 FGG Rn. 6). Nichtigkeitsgründe sind hier allerdings nicht erkennbar. Selbst wenn die materiellrechtlichen Voraussetzungen für die gerichtliche Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder nicht vorgelegen hätten, führte dies im Fall der Nichterledigung nur zur Aufhebbarkeit der Entscheidung, nicht aber zu ihrer Nichtigkeit (vgl. Keidel/Zimmermann § 7 Rn. 40).

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG (vgl. Keidel/ Zimmermann § 13a Rn. 47).

3. Der Senat hält - wie das Landgericht - einen Geschäftswert in Höhe von jeweils 100.000 Euro für angemessen. Im Verfahren der gerichtlichen Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern nach § 104 AktG bestimmt sich der Geschäftswert nach § 30 Abs. 2 KostO (BayObLGZ 1997, 262/266; 2000, 87/91). In Ermangelung genügender tatsächlicher Anhaltspunkte für eine Schätzung ist der Wert auf regelmäßig 3.000 EUR festzusetzen (§ 30 Abs. 2 Satz 1 KostO). Er kann jedoch nach Lage des Falles niedriger oder höher, jedoch nicht über 500.000 EUR angenommen werden (§ 30 Abs. 2 Satz 2 KostO). Zu berücksichtigen ist hierbei das wirtschaftliche Gewicht des Geschäfts für die Beteiligten, Auswirkung, Zweck und Wichtigkeit des Geschäfts, die Vermögenslage der Beteiligten sowie die Mühewaltung des Gerichts (BayObLGZ 2000, 87/91). Unter Berücksichtigung aller Ermessensgesichtspunkte erscheint ein Geschäftswert von 100.000 EUR für die einzelne sofortige weitere Beschwerde als angemessen. In Betracht zu ziehen ist insbesondere der Umstand, dass Verfahrensgegenstand die nahezu vollständige Besetzung des Aufsichtsrats einer deutschen Großbank mit Vertretern der Anteilseigner ist.

Ende der Entscheidung

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