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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 09.01.2002
Aktenzeichen: 4 St RR 132/01
Rechtsgebiete: UStG, StGB, AO


Vorschriften:

UStG § 14 Abs. 2 Satz 2
StGB § 24 Abs. 1
AO § 37
Die durchgeführte Berichtigung einer Rechnung nach § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG wirkt nur dann als Rücktritt vom Versuch im Sinne des § 24 Abs. 1 StGB oder als Selbstanzeige im Sinne des § 371 AO, wenn auch die zeitliche Schranke einer dieser Normen eingehalten ist.
Tatbestand:

Der Angeklagte betreibt als Einzelunternehmer eine Baumschule. Ferner ist er alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der F.G. GmbH. Diese GmbH ist so in die Baumschule eingegliedert, dass seit 1991 zwischen den beiden Unternehmen umsatzsteuerliche Organschaft besteht. Organträger ist die Baumschule. Hinsichtlich der in der Baumschule getätigten Umsätze unterlag der Angeklagte wie er wusste, in den Jahren 1992 und 1993 den Vorschriften über die Durchschnittssätze für landwirtschaftliche Betriebe nach § 24 UStG, weil er gegenüber dem Finanzamt nicht erklärt hatte, dass seine Umsätze für diese Jahre nach den allgemeinen Vorschriften des Umsatzsteuergesetzes besteuert werden sollten. Gleichwohl wies der Angeklagte in Ausgangsrechnungen seiner Baumschule gegenüber Kommunen und sonstigen öffentlichen Auftraggebern in vielen Fällen den seinerzeit geltenden Regelsteuersatz von 14 % bzw. 15 % aus. Die im Jahr 1992 über 8 % hinaus berechneten Mehrwertsteuerbeträge beliefen sich auf 83962,87 DM, die im Jahr 1993 über 8,5 % hinaus geltend gemachten betrugen insgesamt 60612,65 DM.

Obwohl der Angeklagte wusste, dass er jeweils bis zum 31.5., im Falle steuerlicher Beratung bis zum 30.9. des Folgejahres Umsatzsteuerjahreserklärungen abzugeben hatte, kam er dieser Pflicht für die Jahre 1992 und 1993 zunächst nicht nach. Er hielt es für möglich, dass dadurch die von ihm zu entrichtende Umsatzsteuer nicht rechtzeitig und im Falle einer Schätzung falsch festgesetzt werden würde. Dies nahm er billigend in Kauf, weil er eine Steuerfestsetzung zu seinen Lasten befürchtete und sie wegen seiner wirtschaftlichen Lage verhindern wollte.

Am 31.3.1995 erging gegen ihn ein auf Schätzung beruhender Umsatzsteuerbescheid für 1992, in welchem die von ihm für dieses Jahr zu zahlende Umsatzsteuer auf 1044 DM festgesetzt wurde.

Nach der dem Angeklagten am 28.6.1996 bekannt gegebenen Einleitung eines Strafverfahrens gegen ihn wegen Nichtabgabe der Umsatzsteuerjahreserklärungen für die Jahre 1991 - 1994 reichte er für seine Einzelfirma und die Firma F.G. GmbH die Umsatzsteuerjahreserklärungen für 1992 und 1993 am 1.10.1996 bzw. am 7.1.1999 beim Finanzamt ein. Danach hatte er unter Berücksichtigung der in den Rechnungen zu hoch ausgewiesenen Mehrwertsteuerbeträge für 1992 17136 DM und für 1993 54968,90 DM zu entrichten.

Am 17.10.2000 verständigte sich der Angeklagte mit dem Finanzamt dahin, dass seine sämtlichen rückständigen Einkommen- und Umsatzsteuern bis 1999 durch eine Zahlung von 100000 DM abgegolten sein sollten. Diesen Betrag hat er in der Folgezeit bezahlt.

Das Amtsgericht verurteilte den Angeklagten am 23.10.2000 wegen Umsatzsteuerhinterziehung in zwei Fällen zur Gesamtgeldstrafe von 85 Tagessätzen zu je 30 DM.

Gegen dieses Urteil legten der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft Berufung ein, die letztere auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte.

Am 17.8.2001 verwarf das Landgericht die Berufung der Staatsanwaltschaft und ermäßigte auf das Rechtsmittel des Angeklagten die vom Erstgericht verhängte Gesamtgeldstrafe auf 55 Tagessätze zu je 30 DM.

Die vom Angeklagten gegen diese Entscheidung eingelegte Revision blieb ohne Erfolg.

Gründe:

Die Feststellungen der Strafkammer tragen ihre Auffassung, dass der Angeklagte bedingt vorsätzlich durch Nichtabgabe der Umsatzsteuerjahreserklärungen 1992 und 1993 Umsatzsteuern in der von ihr errechneten Höhe verkürzt hat.

Der Angeklagte durfte in den im Jahr 1992 von seiner Baumschule ausgestellten Rechnungen gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des Umsatzsteuergesetzes 1991 in der Fassung der Bekanntmachung vom 8.2.1991 (BGBl I S. 350), dieses zuletzt geändert durch Art. 1 des Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetzes vom 19.12.2001 (BGBl I S. 3922), in der für 1992 maßgeblichen Fassung des § 28 UStG durch Art. 12 Nr. 6 Buchstabe a) des Steueränderungsgesetzes 1992 (BGBl I S. 297/317) nur 8 % Umsatzsteuer ausweisen. Für 1993 betrug dieser Steuersatz gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des Umsatzsteuergesetzes in der seit 1.1.1993 geltenden Fassung (BGBl I S. 565) 8,5 %. Gemäß den in beiden Jahren übereinstimmenden Fassungen des § 14 Abs. 2 Satz 1 UStG schuldete der Angeklagte aber den gesamten von ihm in seinen Rechnungen ausgewiesenen Steuerbetrag. Mit der Frage, wie hoch die vom Angeklagten in den Jahren 1992 und 1993 geschuldete Umsatzsteuer gewesen wäre, wenn er von der ihm in § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG eingeräumten Berichtigungsmöglichkeit Gebrauch gemacht hätte, brauchte sich die Strafkammer nicht zu befassen. Denn der Angeklagte hat vor Beendigung der beiden Umsatzsteuerhinterziehungen - diese ist jeweils mit Ablauf der Frist für die Jahresanmeldungen eingetreten (vgl. z.B. BGHR § 370 AO Verjährung 4) - die in Rede stehenden Rechnungen nicht berichtigt. Für die Berechnung des Hinterziehungsschadens ist nämlich allein maßgeblich, wie hoch die Steuerverkürzung in diesem Zeitpunkt war. Deswegen kann auch dahinstehen, ob der Angeklagte angesichts der von ihm am 17.10.2000 mit dem Finanzamt F. getroffenen tatsächlichen Verständigung die Rechnung mit überhöhtem Mehrwertsteuerausweis noch entsprechend der Rechtsprechung des EuGH (vgl. Urteil vom 19.9.2000, DStRE 2000, 1166) und ihm folgend des BFH (vgl. etwa NJW 2001, 3807; 3806; DStR 2001, 1151; BFH/NV 2001, 1001) gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG berichtigen kann. Die Rechtsauffassung des EuGH steht einer strafrechtlichen Ahndung von Taten der vorliegenden Art als Steuerhinterziehung nicht entgegen (vgl. dazu BGH wistra 2001, 220). Danach muss der Aussteller der Rechnung zur Vermeidung der Tatbestandsverwirklichung die Gefährdung des Steueraufkommens rechtzeitig und vollständig beseitigt haben. Schon daran fehlt es hier. Denn der Angeklagte hätte auf der Basis des mit den Leistungsempfängern vereinbarten Nettoentgelts die Mehrwertsteuer mit dem gesetzlich vorgeschriebenen Prozentsatz neu berechnen und den Vertragspartnern die zuviel berechnete Mehrwertsteuer erstatten müssen. Bis dahin schuldete er die erlangte Mehrwertsteuer nach § 14 Abs. 2 Satz 1 UStG. Zudem konnte er die Gefährdung des Steueraufkommens erst mit der Erfüllung seiner Umsatzsteuerschuld beseitigen. Auch wenn man annähme, dass diese Voraussetzungen mit der Erfüllung der mit dem Finanzamt F. am 17.10.2000 getroffenen tatsächlichen Verständigung verwirklicht worden waren, so blieb dies als Nachtatverhalten des Angeklagten ohne Einfluss auf die Verwirklichung des Tatbestands der Steuerhinterziehung. Vielmehr war es nur noch im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen. Denn allein der Umstand, dass die Berichtigung einer Rechnung nach § 14 Abs. 2 Satz 2 UstG noch möglich ist, schiebt den Zeitpunkt der Beendigung der Umsatzsteuerhinterziehung nicht hinaus. Ebenso hat die durchgeführte Berichtigung nur dann die Wirkung des auch bei Steuerstraftaten möglichen (vgl. etwa BGHSt 37, 340) Rücktritts vom Versuch im Sinne des § 24 Abs. 1 StGB, wenn die Voraussetzungen dieser Norm erfüllt sind, wie auch eine solche Berichtigung nur dann als Selbstanzeige gemäß § 371 AO wirken kann, wenn sie vor Entdeckung der Tat (vgl. dazu etwa BGH wistra 1993, 227) erfolgt. Dem Angeklagten wurde bereits am 28.6.1996 die Mitteilung zugestellt, dass gegen ihn am 21.6.1996 das Strafverfahren wegen Verdachts der Steuerhinterziehung durch Nichtabgabe der Umsatzsteuerjahreserklärungen 1991 mit 1994 eingeleitet worden war. Seine später abgegebenen Erklärungen können dementsprechend ungeachtet einer etwa fortbestehenden Berichtigungsmöglichkeit nach § 14.Abs. 2 Satz 2 UStG weder als Rücktritt gemäß § 24 StGB noch als Selbstanzeige nach § 371 AO gewertet werden.

Auch gegen die Auffassung der Strafkammer, dass der Angeklagte jedenfalls mit bedingtem Vorsatz gehandelt hat, bestehen angesichts der von ihr getroffenen Feststellungen keine Bedenken.

Einleuchtend weist die Strafkammer darauf hin, dass die Einlassung des Angeklagten, er habe die in Rede stehenden Umsatzsteuerjahreserklärungen nicht abgegeben, weil er mit einer Vorsteuererstattung gerechnet habe, angesichts seiner wirtschaftlichen Schwierigkeiten nicht nachvollziehbar ist. Ausweislich der Urteilsgründe hat der Angeklagte vor der Strafkammer auch nicht dargestellt, aufgrund welchen Rechenwerks oder welcher Schätzungsgrundlagen er zu diesem Ergebnis gelangt sein will. Der Angeklagte war zudem nach den Feststellungen der Strafkammer noch nach Jahren in der Lage, die Umsatzsteuerjahreserklärungen 1992 und 1993 im wesentlichen richtig abzugeben. Dies setzt voraus, dass er immer noch im Besitz der hierfür erforderlichen Unterlagen war. Angesichts dessen fehlt, auch wenn man nur ein geringes Interesse des Angeklagten an der Entwicklung der Umsätze und der Ergebnisse seiner Betriebe unterstellt, jeder plausible Grund für die Annahme, er könnte bei einer Schätzung oder überschlägigen Berechnung seiner für die Jahre 1992 und 1993 zu zahlenden Umsatzsteuerschuld gravierenden Irrtümern erlegen sein. Wesentlich näher liegt es angesichts seiner von der Strafkammer aufgezeigten wirtschaftlichen Schwierigkeiten, dass der Angeklagte die hier interessierenden Jahresteuererklärungen bewusst nicht abgegeben hat, um die ihm so verbleibenden Mittel betrieblich einsetzen zu können. Wenn die Strafkammer angesichts dessen gleichwohl nur bedingt vorsätzliches Handeln des Angeklagten angenommen hat, so belastet ihn dies nicht.

Auch die Überprüfung der von der Strafkammer verhängten Einzelstrafen, wie die der daraus gebildeten Gesamtstrafe, deckt keinen zum Nachteil des Angeklagten wirkenden Fehler auf. Denn die Strafkammer hat alle wesentlichen Strafzumessungsgründe berücksichtigt.

Ende der Entscheidung

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