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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 24.11.2000
Aktenzeichen: 4 St RR 134/00
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 206 a
StPO § 207
Nennt der Amtsrichter im Formblatt für die Zulassung der Anklage und Eröffnung des Hauptverfahrens nicht den Namen des Angeklagten so ist der Eröffnungsbeschlusses unwirksam.
BayObLG Beschluß

4 St RR 134/00

24.11.00

Tatbestand:

Das Amtsgericht sprach den Angeklagten am 14.12.1999 der vorsätzlichen Einfuhr einer Schußwaffe samt zugehöriger Munition sowie der vorsätzlichen unerlaubten Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine halbautomatische Selbstladekurzwaffe schuldig. Es verurteilte ihn deswegen zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft änderte das Landgericht dieses Urteil am 13.6.2000 dahingehend ab, dass es gegen den Angeklagten eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten verhängte, deren Vollstreckung wiederum zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Die auf die Angeklagte die Verletzung des materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten führte zur Verfahrenseinstellung.

Aus den Gründen:

Die Revision ist zulässig (§§ 333, 341 Abs. 1, §§ 344, 345 StPO) und begründet, weil ein Eröffnungsbeschluß nicht vorliegt. Dieser Umstand ist von Amts wegen zu berücksichtigen (Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 44. Aufl. § 203 Rn. 3 m. w. N.).

1. Ein Eröffnungsbeschluß, durch den die Anklage der Staatsanwaltschaft R. vom 10.11.1999 im Verfahren 122 Js 18318/99 gegen den Revisionsführer zugelassen und die Hauptverhandlung vor dem Strafrichter des Amtsgerichts R. eröffnet wurde, ist nicht ausdrücklich ergangen. Der in den Akten befindliche Formularbeschluß, der das Datum vom 1.12.1999, die Gerichtsbezeichnung Amtsgericht R. und als Ausstellungsort R. nennt und die Unterschrift des Amtsrichters enthält, sagt dazu nichts aus. Insoweit enthält der Beschluß, für den das Formblatt StP 53 der in Bayern eingeführten Mustersammlung der Vordrucke in Strafsachen verwendet wurde, auf der Vorderseite unter Ziff. I lediglich den vorgedruckten Text: "Beschluß: In der Strafsache gegen ... wegen ... wird die Anklage der Staatsanwaltschaft vom (Aktenzeichen:) - mit folgenden Änderungen - zur Hauptverhandlung zugelassen. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft wird gegen den Angeschuldigten das Hauptverfahren vor dem Amtsgericht - Schöffengericht - eröffnet." Weiter folgt eine Rubrik, in der durch Ankreuzen gekennzeichnet werden kann, ob Haftfortdauer angeordnet wird. Die Rückseite des Formblatte enthält unter Ziff. II die erforderlichen Verfügungen, insbesondere für die Zustellung des Eröffnungsbeschlusses, die Terminsbestimmung und die Ladungen. Der Amtsrichter hatte insoweit verfügt, dass Termin zur Hauptverhandlung auf Dienstag, den 14.12.1999, 14.30 Uhr im Sitzungssaal 56 bestimmt wurde und dass ein Angeschuldigter zu laden ist. Vorder- und Rückseite des Beschlusses enthalten kein Aktenzeichen, kein Datum der Anklageerhebung, keine Personalien des Angeschuldigten und auch keine Blattzahlen, die Rückschlüsse auf diese Daten zuließen. Es ist nicht einmal ersichtlich, dass der Amtsrichter beim Ausfüllen des Formulars eine konkrete Anklage vor Augen hatte. Damit liegt keine ausdrückliche Entscheidung des Amtsrichters zur Zulassung der verfahrensgegenständlichen Anklage vor.

Auch die Niederschrift über die Hauptverhandlung vom 14.12.1999 vor dem Strafrichter des Amtsgerichts R. enthält keine solche Entscheidung. Hierzu ist lediglich die Feststellung des Richters vermerkt, dass die Anklage vom 10.11.1999 mit Eröffnungsbeschluß des Amtsgerichts R. vom 1.12.1999 zur Hauptverhandlung zugelassen worden sei.

2. Ist ein Eröffnungsbeschluß nicht ausdrücklich ergangen, so kann eine Entscheidung über die Eröffnung des Verfahrens unter Umständen auch in einer anderen - schriftlichen - Entscheidung gesehen werden. Insofern besteht keine ausdrückliche gesetzliche Formvorschrift über den Erlaß des Eröffnungsbeschlusses (vgl. hierzu ausführlich BayObLGSt 1989, 102/ 103 f.). Wortlaut und äußere Form sind für einen Eröffnungsbeschluß nicht entscheidend. Aus Gründen der Rechtssicherheit ist jedoch die schlüssige und eindeutige schriftliche Willenserklärung des Gerichts erforderlich, dass eine bestimmt bezeichnete Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen wird (vgl. BayObLGSt 1991, 6/9; OLG Hamm MDR 1993, 893/894; OLG Düsseldorf NStZ-RR 2000, 114; LK/Rieß StPO 24. Aufl. § 207 Rn. 30). Eine derart eindeutige gerichtliche Entscheidung ist den Akten nicht zu entnehmen.

2.1 Die genannte Terminsverfügung entspricht diesen Anforderungen nicht. Aus ihr geht nur hervor, dass das Amtsgericht eine nicht näher bezeichnete Strafsache zu einem bestimmten Zeitpunkt verhandeln wollte. Ihr ist nicht zu entnehmen, dass das Gericht damit inhaltlich eine ihr regelmäßig, vorausgehende Eröffnungsentscheidung treffen wollte (vgl. hierzu OLG Saarbrücken OLGSt StPO § 207 Nr. 2 m. w. N.). Auch aus der Zuordnung des Beschluß-Blattes zum verfahrensgegenständlichen Strafakt läßt sich keine eindeutige Aussage dazu treffen, ob das Amtsgericht gerade im vorliegenden Verfahren die Eröffnung beschlossen hat. Angesichts des Fehlens jeglicher Aktenzeichen, Namensangaben und des Datums der Anklage ist ein solches Blatt grundsätzlich beliebig verwendbar und kann unter Umständen einer Vielzahl von Strafakten zugeordnet werden.

2.2 Die Feststellung des Strafrichters in der Hauptverhandlung, wonach eine Anklage vom 10.11.1999 durch einen Eröffnungsbeschluß vom 1.12.1999 zur Hauptverhandlung zugelassen worden sei, beweist ebenfalls nicht, dass eine Eröffnungsentscheidung getroffen wurde. Zwar ist es möglich, dass der Amtsrichter - gedanklich - eine solche Entscheidung getroffen hat. Da an Hand schriftlicher Belegstellen in den Akten eine solche Entscheidung jedoch nicht zu verifizieren ist, kann der Nachweis einer Eröffnungsentscheidung nicht geführt werden. Im übrigen läßt sich die genannte Feststellung im Hauptverhandlungsprotokoll auch nicht dahingehend auslegen, das Amtsgericht habe zumindest bei Beginn der Hauptverhandlung eine Eröffnungsentscheidung getroffen. Der Wortsinn der Niederschrift verbietet eine solche Interpretation.

Das Verfahren ist daher wegen des Fehlens einer unverzichtbaren Prozeßvoraussetzung nach § 354 Abs. 1 StPO einzustellen, da der fehlende Eröffnungsbeschluß auch nicht nachgeholt werden kann (BayObLGSt 1985, 141)...

Wird erneut Anklage erhoben, so wird für das weitere Verfahren folgendes zu beachten sein:

1. Steht ein Strafrahmen von Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe zur Verfügung (§ 53 Abs. 1 Satz 2 WaffO), so darf sich der Tatrichter angesichts der außergewöhnlichen Häufung von Umständen, die zugunsten des Angeklagten sprechen (keine Vorstrafe, soziale Integration, langjähriger Besitz der verfahrensgegenständlichen Schußwaffe nach österreichischem Recht, Geständnis hinsichtlich des äußeren Sachverhalts, Einverständnis mit der formlosen Einziehung einer wertvollen Waffe) nicht nur mit der Frage befassen, in welcher Höhe eine Freiheitsstrafe angemessen erscheint. Er muß vielmehr auch die Frage diskutieren, ob angesichts der aufgezeigten Besonderheiten des Falles eine unter Umständen spürbare Geldstrafe zur Herbeiführung eines gerechten Schuldausgleichs (§ 46 Abs. 1 Satz 1 StGB) ebenfalls in Betracht kommt.

2. Wird zu Lasten des Angeklagten der Umstand verwertet, dass er eine hinsichtlich des Kalibers und der menge der Munition besonders gefährliche Waffe eingeführt und in seinem Besitz gehabt hat, so darf bei der Bewertung dieses Umstandes nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Angeklagte die Waffe getrennt von der Munition in einem Tresor seiner Privatwohnung und nicht in einem Betriebsraum einer seiner Gaststätten aufbewahrt hatte.

3. Im Rahmen der Strafzumessung hat sich der Tatrichter auch grundsätzlich mit den Wirkungen zu befassen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters zu erwarten sind (§ 46 Abs. 1 Satz 2 StGB). Hierzu gehört auch die Erörterung der Frage, ob die verhängte Strafe unter Umständen die bislang ausgeübte Berufstätigkeit beeinträchtigen wird (vgl. hierzu § 2 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG).

Ende der Entscheidung

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