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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 10.09.2002
Aktenzeichen: 4 St RR 70/02
Rechtsgebiete: AO, StPO, VStG, StÄndG 1991, FKPG


Vorschriften:

AO § 370 Abs. 1 Nr. 1
AO § 370 Abs. 1 Nr. 2
StPO § 344 Abs. 2 S. 2
VStG § 15 Abs. 1
VStG § 19 Abs. 1 S. 2
StÄndG 1991 Art. 10 § 2
FKPG Art. 26 § 2
1. Lässt sich dem angefochtenen Urteil nicht entnehmen, welche der verwerteten Urkunden aus einer vom Beschwerdeführer als rechtswidrig bezeichneten und welche aus einer von ihm nicht angegriffenen Beschlagnahme stammen, so sind im Rahmen der Verfahrensrüge, mit der die Verwertung zu Unrecht beschlagnahmter Urkunden angegriffen wird, nicht nur die Tatsachen zur Fehlerhaftigkeit der Beschlagnahme vorzutragen, sondern auch die verwerteten Urkunden zu bezeichnen und die fehlenden tatrichterlichen Feststellungen zu ihrer Gewinnung im Rahmen der rechtswidrigen Beschlagnahme mit der Aufklärungsrüge zu beanstanden.

2. Die durch Nichtabgabe einer Vermögenssteuererklärung zum Hauptveranlagungszeitpunkt begangene Steuerhinterziehung ist eine Tat, die den gesamten zwischen zwei Hauptveranlagungszeitpunkten liegenden Zeitraum umfasst.


Gründe:

I.

Das Amtsgericht sprach die Angeklagten der Steuerhinterziehung in neun Fällen schuldig und verurteilte deswegen den Angeklagten zur Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr drei Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, sowie zur Gesamtgeldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 100 DM und seine mitangeklagte Ehefrau zur Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, sowie zur Gesamtgeldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 200 DM.

Gegen dieses Urteil legten beide Angeklagte und die Staatsanwaltschaft Berufung ein, die letztere auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte.

Am 31.1.2002 verwarf das Landgericht die Berufungen der Angeklagten und änderte das amtsgerichtliche Urteil auf die Berufung der Staatsanwaltschaft dahin ab, dass der Angeklagte zur Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr neun Monaten, ausgesetzt zur Bewährung, und zur Gesamtgeldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 50 EUR sowie seine Ehefrau zur Gesamtfreiheitsstrafe von elf Monaten, ausgesetzt zur Bewährung, und zur Gesamtgeldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 100 EUR verurteilt wurden.

Nach den Feststellungen der Strafkammer gaben die Angeklagten in den von ihnen gemeinsam unterzeichneten und jeweils beim Finanzamt Wolfratshausen eingereichten Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1992 mit 1996 die aus Kapitalvermögen und Vermietung erzielten Einkünfte stets bewusst zu niedrig an. Aufgrund dessen wurde dem Plan der Angeklagten entsprechend vom Finanzamt Wolfratshausen, das ihren Angaben folgte, in den Steuerbescheiden für 1992 mit 1996 die zu zahlende Einkommensteuer jeweils zu niedrig festgesetzt. Die jährlichen Steuerverkürzungen bewegten sich zwischen 40.381 DM und 70.167,40 DM. Sie betrugen insgesamt 285.536,07 DM.

Weiterhin waren die Angeklagten, wie sie wussten, zur Abgabe von Vermögenssteuererklärungen verpflichtet, kamen dieser Verpflichtung aber nicht nach. Dadurch wurden in den Veranlagungszeiträumen von 1993 mit 1996 Vermögenssteuern in Höhe von 4585 DM, 5765 DM, 11910 DM und 14640 DM verkürzt.

Gegen diese Entscheidung richten sich die Revisionen der Angeklagten, mit denen sie die Verletzung des formellen und des materiellen Rechts beanstanden.

II.

Die zulässigen (§§ 333, 341 Abs. 1, §§ 344, 345 StPO) Revisionen sind nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

1. Ein Anlass, das Verfahren gegen den Angeklagten H K wegen seiner Erkrankung einzustellen, besteht nicht, weil er jedenfalls die zur Durchführung des Beschlusserfahrens nach § 349 StPO erforderliche Verhandlungsfähigkeit besitzt. Denn er ist zumindest in der Lage, im Revisionsverfahren seine Interessen außerhalb der Hauptverhandlung vernünftig wahrzunehmen, seine Verteidigung in verständiger und verständlicher Weise zu führen sowie Prozesserklärungen abzugeben und entgegenzunehmen. Für die Verhandlungsfähigkeit im Revisionsverfahren reicht es nämlich aus, dass der Angeklagte über die Einlegung des Rechtsmittels verantwortlich entscheiden konnte, dass er um die Bedeutung des Revisionsverfahrens weiß und er zu einer Grundübereinkunft mit seiner Verteidigung über die Fortführung oder die Rücknahme des Rechtsmittels in der Lage ist (BVerfG NJW 1995, 1951; BGHSt 41, 16; vgl. auch BVerwG Beschluss vom 25.1.2001 Az. 1 D 31/99 jeweils m.w.N.). Die vom Verteidiger im Rahmen des Revisionsverfahrens eingereichten Schriftsätze lassen keinen Zweifel daran, dass der Angeklagte über die danach erforderlichen Fähigkeiten verfügt. Auch die Revision trägt für das Gegenteil nichts Konkretes vor.

Das revisionsgerichtliche Beschlussverfahren nach § 349 StPO wird im übrigen nicht wegen des Gesundheitszustands des Angeklagten, sondern deswegen durchgeführt, weil seine gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. Anders als die Fortführung der Hauptverhandlung in Abwesenheit des erkrankten Angeklagten (vgl. dazu z.B. BVerfG NJW 1995, 1951; BVerfGE 89, 120) verstößt das Verfahren nach § 349 StPO nicht etwa dann gegen den Anspruch des Angeklagten auf rechtliches Gehör und ein faires Verfahren, wenn er an einer Hauptverhandlung aus gesundheitlichen Gründen nicht teilnehmen könnte. Bei einer Fortführung des Revisionsverfahrens ist ferner nicht zu befürchten, dass allein aufgrund dessen Fortganges der Angeklagte einen schwerwiegenden Gesundheitsschaden erleiden oder sein Leben einbüßen wird (vgl. dazu z.B. BVerfGE 51, 324). Auch die Revision stellt nicht in Frage, dass das Leiden des Angeklagten therapierbar ist, so dass eine künftige Besserung seines Zustands nicht fern liegt. Angesichts dessen käme ohnehin nur eine vorläufige Einstellung des Verfahrens in Betracht. Auch wenn man unterstellt, dass das Warten des Angeklagten auf die revisionsgerichtliche Entscheidung für ihn eine gewisse psychische Beeinträchtigung ist, die sich ungünstig auf seine Erkrankung auswirken kann, so erscheint dieses relativ kurze Zuwarten als die deutlich geringere Belastung gegenüber der für ihn mit der vorläufigen Einstellung des Verfahrens verbundenen. Denn dann belastet ihn für längere Zeit das Wissen, dass das Strafverfahren möglicherweise gegen ihn fortgesetzt werden wird. Die aus dieser Sorge resultierende psychische Belastung wird zudem durch jede gerichtliche Entscheidung, die seine gesundheitliche Begutachtung durch einen Sachverständigen zur Klärung der Frage seiner Verhandlungsfähigkeit anordnet, aufs neue intensiviert.

2. Die Rügen, mit denen die Angeklagten beanstanden, die Strafkammer habe bei der Beweiserhebung gegen ein Beweisverwertungsverbot verstoßen, sind unzulässig, weil sie den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht genügen. Dem Vortrag der Revisionsführer, der bei ihnen am 29.10.1998 durchgeführten Wohnungsdurchsuchung habe die gesetzliche Grundlage gefehlt, bräuchte der Senat nur nachzugehen, wenn sie auch formgerecht beanstanden würden, dass bestimmte bei dieser Durchsuchung sichergestellte Unterlagen von der Strafkammer entscheidungserheblich als Beweismittel verwertet wurden. Dies ist jedoch nicht geschehen. Die Darstellung, welche Urkunden im einzelnen zu Unrecht verwertet wurden, konnte hier nicht durch die Aufnahme einer Kopie des Verzeichnisses aller in der Wohnung der Angeklagten beschlagnahmten Gegenstände in die Revisionsbegründung ersetzt werden. Denn die Beschwerdeführer rügen nicht die beweiserhebliche Verwertung aller dort aufgeführten Unterlagen in der angefochtenen Entscheidung. Ebenso wenig genügt die Erklärung, dass bestimmte in dem angegriffenen Urteil verwertete Urkunden wahrscheinlich im Anwesen der Angeklagten beschlagnahmt worden seien (vgl. etwa BGHSt 25, 273/274; 19, 273/276; BGH GA 1962, 371; NJW 1962, 500). Das angefochtene Urteil unterscheidet nicht zwischen Urkunden, die anlässlich der Durchsuchung bei der Volksbank Wolfratshausen aufgefunden wurden und solchen, die aus der Wohnung der Angeklagten stammen. Dies ist jedoch kein Mangel, der den Bestand des angefochtenen Urteils in Frage stellt. Denn das Gericht hatte zwar alle entscheidungserheblichen Beweismittel zu würdigen (vgl. etwa BGH NStZ-RR 1998, 277), nicht jedoch im Urteil auch darzustellen, wie sie von den Ermittlungsbehörden gewonnen wurden. Beanstandet die Revision in solchen Fällen allein die Verwertung der aus dem Anwesen der Angeklagten stammenden Unterlagen, nicht aber auch die der Urkunden, die bei der Bank beschlagnahmt wurden, so hat sie nicht nur zu rügen, dass der Verwertung bestimmter Urkunden ein Verwertungsverbot entgegenstand. Sie hat auch mit der Aufklärungsrüge vorzutragen, die Erhebung eines bestimmten, aber nicht genutzten Beweises hätte ergeben, dass diese Urkunden im Anwesen der Angeklagten beschlagnahmt worden sind.

Die Revision kann dagegen nicht anhand einer eigenen Beweiswürdigung darlegen, welche Urkunden nicht bei der Bank, sondern bei den Angeklagten beschlagnahmt wurden. Denn das Revisionsgericht hätte dann im Rahmen der Prüfung der Verfahrensrüge im Freibeweisverfahren zu klären, wo die in Rede stehenden Urkunden von den Ermittlungsbehörden gefunden wurden. Das aber ist ihm verwehrt, weil der Tatrichter diese Frage erforderlichenfalls im Strengbeweisverfahren zu klären hat (vgl. dazu etwa BayObLGSt 2000, 94). Die danach gebotenen Aufklärungsrügen wurden von den Beschwerdeführern nicht erhoben.

3. Vergeblich beanstanden die Beschwerdeführer mit den Sachrügen ihre Verurteilung wegen Einkommensteuerhinterziehung. Die Urteilsfeststellungen tragen die Auffassung der Strafkammer, dass beide Angeklagte den objektiven Tatbestand der Einkommensteuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO erfüllt haben. Dies ziehen auch die Revisionen nicht in Zweifel. Die Strafkammer hat aber weiter widerspruchsfrei und einleuchtend anhand der von ihr getroffenen Feststellungen begründet, dass beide Angeklagte vorsätzlich gehandelt haben. Dies bedarf hinsichtlich des Angeklagten H K keiner weiteren Erörterung. Aber auch die Ansicht der Strafkammer, dass die Angeklagte H K bei der Verkürzung der Einkommensteuern mit ihrem Ehemann in Kenntnis aller Umstände bewusst und einvernehmlich zusammengewirkt, die Einkommensteuererklärungen also in Kenntnis ihrer Unrichtigkeit unterschrieben hat, ist aus revisionsgerichtlicher Sicht mängelfrei begründet. Angesichts des festgestellten persönlichen und beruflichen Werdegangs der Angeklagten und des Umstands, dass sie Inhaberin des größeren Teils des erheblichen Vermögens ist, durfte die Strafkammer den jedenfalls heutzutage der Lebenserfahrung entsprechenden Schluss ziehen, sie habe sich auch um das Schicksal ihres Vermögens gekümmert. Konsequent und einleuchtend ist in diesem Zusammenhang auch die Auffassung der Strafkammer, die Angeklagte habe ihr Vermögen betreffende Urkunden nicht ungelesen unterschrieben. Irgendwelche konkreten Anhaltspunkte für die Annahme, dass sich die Angeklagte abweichend von der allgemeinen Lebenserfahrung um ihr Vermögen nicht gekümmert, deswegen ihre Vermögens- und Einkommensentwicklung nicht gekannt und aus Desinteresse auch ihre Steuererklärungen ungelesen unterschrieben haben könnte, enthält die angefochtene Entscheidung nicht. Auch die Revision trägt dazu letztlich nichts Beachtliches vor. Ihr Hinweis, dass die Aufzeichnungen der Angeklagten über die Mieteinnahmen im wesentlichen mit den entsprechenden Angaben in der Steuererklärung übereinstimmten, stellt die Beweiswürdigung der Strafkammer nicht in Frage. Denn die Angeklagte war gehalten, solche Aufzeichnungen den erklärten Mieteinnahmen "anzupassen", und zwar unabhängig davon, ob sie diese zu Hause aufbewahrte oder ihrer Bank im Rahmen von Darlehensgeschäften vorlegte. Andernfalls lief sie Gefahr, etwa im Rahmen einer Betriebsprüfung der Steuerhinterziehung überführt zu werden.

Die Strafkammer brauchte sich auch nicht ausdrücklich mit der Aussagekonstanz von Frau K auseinander zu setzen. Diese erschöpfte sich nach dem Vortrag der Revision in der wiederholten Erklärung, von nichts gewusst zu haben. Eine solche Einlassung ist anders etwa als eine eingehende und detailreiche Sachverhaltsschilderung einer direkten Überprüfung ihrer Richtigkeit nicht zugänglich. Sie gewinnt allein durch ihre konstante Wiederholung nicht an Glaubwürdigkeit. Denn anders als Darstellungen der oben genannten Art kann sie ohne Schwierigkeiten widerspruchsfrei wiederholt werden.

Die von der Strafkammer gegen die beiden Angeklagten wegen der Einkommensteuerhinterziehungen verhängten Einzelstrafen wie die daraus gebildeten Gesamtstrafen weisen aus revisionsgerichtlicher Sicht keine die Angeklagten belastenden Mängel auf. Das Landgericht hat alle wesentlichen für und gegen die Angeklagten sprechenden Strafzumessungsgesichtspunkte berücksichtigt. Auch die durch § 47 Abs. 1 StGB normierten Voraussetzungen für die Verhängung kurzer Einzelfreiheitsstrafen wurden von der Strafkammer fehlerfrei bejaht.

4. Nach den Feststellungen der Strafkammer haben beide Angeklagte ferner den objektiven und den subjektiven Tatbestand der Vermögenssteuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO erfüllt. Soweit sich die Beschwerdeführerin gegen den Vorwurf vorsätzlichen Handelns wendet, gilt das zur Einkommensteuerhinterziehung Gesagte.

Entgegen der Bewertung der Strafkammer haben sich die Angeklagten jeweils aber nicht vier, sondern nur zwei Vermögenssteuerhinterziehungen schuldig gemacht. Anders als etwa die Einkommensteuererklärung, die jeweils nach Ablauf eines Kalenderjahres abzugeben ist (§ 149 AO, § 25 EStG), sind Vermögenssteuererklärungen, abgesehen von dem hier nicht gegebenen Fall, dass der Steuerpflichtige von der Finanzbehörde zur Abgabe einer Erklärung aufgefordert wird (§ 19 Abs. 1 Satz 2 Vermögenssteuergesetz [VStG] in der Fassung der Bekanntmachung vom 14.11.1990, BGBl I S. 2468, zuletzt geändert durch Art. 107 der Siebenten Zuständigkeitsanpassungs-Verordnung vom 29.10.2001, BGBl I S. 2785/2806), nur auf jeden Hauptveranlagungszeitpunkt abzugeben (§ 19 Abs. 1 Satz 1 VStG). Weiterhin ist in § 15 Abs. 1 VStG geregelt, dass die Vermögenssteuer für drei Kalenderjahre allgemein festgesetzt wird (Hauptveranlagung) und dass der Beginn dieses Zeitraums der Hauptveranlagungszeitpunkt ist. Innerhalb des hier interessierenden Zeitraums (Vermögenssteuer 1993 mit 1996) fand gemäß Art. 10 § 2 des Gesetzes zur Förderung von Investitionen und Schaffung von Arbeitsplätzen im Beitrittsgebiet sowie zur Änderung steuerrechtlicher und anderer Vorschriften (Steueränderungsgesetz 1991) vom 24.6.1991 (BGBl I S. 1322/1336) die erste Hauptveranlagung auf den 1.1.1993 und nur eine weitere gemäß Art. 26 § 2 des Gesetzes zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms - FKPG - vom 23.6.1993 (BGBl I S. 944/973) auf den 1.1.1995 statt. Die Vermögenssteuererklärung auf den 1.1.1993 war von den steuerlich beratenen Angeklagten bis zum 30.9.1993 (Nr. I Abs. 3, Nr. II Abs. 1 Satz 1 der gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder über Steuererklärungsfristen vom 4.1.1993, BStBl I S. 42) abzugeben. Die durch Nichtabgabe der Steuererklärung auf den 1.1.1993 - also durch Unterlassen - begangene Vermögenssteuerhinterziehung erschöpfte sich somit nicht in der Hinterziehung der für das Jahr 1993 von den Angeklagten zu zahlenden Vermögenssteuer. Verkürzt wurden durch dieses bis zum nächsten Hauptveranlagungszeitpunkt (1.1.1995) fortdauernde Unterlassen auch die von den Angeklagten für 1994 zu zahlenden Vermögenssteuern. Denn bis zu diesem Zeitpunkt hatten sie von Gesetzes wegen keine weitere Vermögenssteuererklärung abzugeben. Die durch Nichtabgabe der Vermögenssteuererklärung auf einen Hauptveranlagungszeitpunkt begangene Steuerhinterziehung erfaßte deshalb als eine Tat den gesamten bis zum nächsten Hauptveranlagungszeitpunkt eingetretenen Hinterziehungsschaden. Erst die Nichtabgabe der Vermögenssteuererklärung auf den nächsten Hauptveranlagungszeitpunkt stellt demgegenüber eine neue rechtlich selbständige Tat dar. Diese haben die Angeklagten durch Unterlassen der bis 30.9.1995 abzugebenden (Nr. I Abs. 3, Nr. II Abs. 1 Satz 1 der gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 2.1.1995, BStBl I S. 56) Vermögenssteuererklärung auf den 1.1.1995 verwirklicht. Wie oben dargelegt umfasst diese Tat auch die Verkürzung der für das Jahr 1996 zu zahlenden Vermögenssteuer.

Diese Vermögenssteuerhinterziehungen waren auch vollendet. Bei Veranlagungssteuern ist eine Tat im Sinne von § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO allerdings erst dann vollendet, wenn das zuständige Finanzamt die Veranlagungsarbeiten für den betreffenden Zeitraum im wesentlichen abgeschlossen hat. Entscheidend ist dabei der Zeitpunkt, zu dem bei ordnungsgemäßer Abgabe der Steuererklärung auch der unterlassende Täter spätestens veranlagt worden wäre (vgl. z.B. BGH NStZ 2002, 265; NStZ-RR 1999, 218). Zwar hat die Strafkammer diese Zeitpunkte für die in Rede stehenden Vermögenssteuererklärungen nicht festgestellt. Angesichts des Zeitablaufs ist aber auszuschließen, dass die maßgeblichen Veranlagungsarbeiten bei Entdeckung der Taten am 29.10.1998 noch nicht abgeschlossen waren.

Der Senat kann den landgerichtlichen Schuldspruch auch ohne vorherigen rechtlichen Hinweis nach § 265 Abs. 1 StPO ändern, weil sich die Angeklagten auch dann nicht anders hätten verteidigen können.

Infolge dieser Änderung des Schuldspruchs können jedoch die von der Strafkammer wegen der Vermögenssteuerhinterziehungen festgesetzten Einzel- wie die daraus gebildeten Gesamtgeldstrafen keinen Bestand haben.

III.

Auf die Revisionen der Angeklagten wird daher das Urteil des Landgerichts München I vom 31.1.2002 im Schuldausspruch dahin abgeändert, dass sie der Steuerhinterziehung in sieben Fällen schuldig sind. Aufgehoben wird dieses Urteil im Rechtsfolgenausspruch hinsichtlich der verhängten Einzel- und der hieraus gebildeten Gesamtgeldstrafen einschließlich der hierzu getroffenen Feststellungen. Mitaufgehoben wird die Kostenentscheidung (§ 353 StPO). Im übrigen werden die Revisionen der Angeklagten als unbegründet verworfen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere Strafkammer des Landgerichts München I zurückverwiesen (§ 354 Abs. 2 Satz 1 StPO).

Der Senat entscheidet teilweise auf Antrag der Staatsanwaltschaft durch einstimmig gefassten Beschluss (§ 349 Abs. 2 und 4 StPO).

Ende der Entscheidung

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