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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 11.04.2001
Aktenzeichen: 4Z AR 29/01
Rechtsgebiete: EuGVÜ, ZPO


Vorschriften:

EuGVÜ Art. 17 Abs. 1
ZPO § 38 Abs. 1
ZPO § 38 Abs. 2
Die Schriftform einer Gerichtsstandsvereinbarung ist gewahrt, wenn der von den Parteien unterzeichnete Vertragstext auf die auf der Rückseite abgedruckten AGB verweist
Der 4. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Jaggy sowie der Richter Dr. Pongratz.und Frisch

am 11. April 2001

in dem Verfahren auf Bestimmung des zuständigen Gerichts

beschlossen:

Tenor:

Zuständig ist das Amtsgericht Frankfurt am Main.

Gründe:

I.

Die Klägerin verlangt von der in Wien geschäftsansässigen Beklagten aus abgetretenem Recht Zahlung gemäß Endabrechnung eines zwischen der PSA Bank und der Beklagten geschlossenen Leasingvertrages über einen PKW. Mit der am 20.9.2000 erhobenen Klage beantragt sie, die Beklagte zur Zahlung von 6317,64 DM Hauptsache zu verurteilen.

Nachdem die Beklagte die Rüge der örtlichen Unzuständigkeit erhoben hatte, beschloss das Amtsgericht München am 28.12.2000 auf Antrag der Klägerin die Verweisung des Verfahrens an das Amtsgericht Frankfurt am Main.

Ohne Anhörung der Parteien lehnte das Amtsgericht Frankfurt am Main die Übernahme des Verfahrens mit Beschluss vom 20.2.2001 ab und legte die Akten über das Oberlandesgericht München dem Bayerischen Obersten Landesgericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 ZPO vor.

Die Amtsgerichte haben ihre Beschlüsse jeweils den Parteien bekannt gegeben.

II.

1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist zur Entscheidung des negativen Zuständigkeitsstreits berufen (§ 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2, § 37 ZPO, § 9 EGZPO), denn die beteiligten Gerichte gehören einem bayerischen und einem außerbayerischen Oberlandesgerichtsbezirk an. Zuerst mit der Sache befasst war das Amtsgericht München.

2. Die Voraussetzungen für eine Bestimmung des zuständigen Gerichts gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor. Die beiden Amtsgerichte haben sich rechtskräftig für unzuständig erklärt.

3. Als zuständiges Gericht ist das Amtsgericht Frankfurt am Main, an das das Verfahren durch bindenden Beschluss des Amtsgerichts München verwiesen wurde, zu bestimmen.

a) Bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO sind nicht nur die materiell-rechtlichen Zuständigkeitsvorschriften, sondern auch die verfahrensrechtlichen Bindungswirkungen (§ 281 Abs. 2 Satz 5 ZPO) zu beachten. Regelmäßig ist daher das Gericht als zuständig zu bestimmen, an das die Sache durch den ersten bindenden Verweisungsbeschluss gelangt ist; denn die Bindung durch den Verweisungsbeschluss wirkt im Bestimmungsverfahren fort (BayObLGZ 1985, 397/399).

b) Die gesetzlich angeordnete Verbindlichkeit eines Verweisungsbeschlusses wird noch nicht dadurch in Frage gestellt, dass er auf einem Rechtsirrtum des Gerichts beruht oder sonst fehlerhaft ist. Ein Verweisungsbeschluss kann nur dann nicht als verbindlich hingenommen werden, wenn ihm jede rechtliche Grundlage fehlt, so dass er objektiv willkürlich erscheint oder wenn er auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs beruht (vgl. BGHZ 102, 338/341; BayObLGZ 1993, 317/319; Zöller/Greger ZPO 22. Aufl. § 281 Rn. 17, 17a m. w. N.).

Eine solche Ausnahme liegt hier offensichtlich nicht vor. Den Parteien wurde rechtliches Gehör gewährt. Zwar wurde der Verweisungsbeschluss nicht näher begründet. Dies steht aber ausnahmsweise der Bindungswirkung nicht entgegen, da die Begründung sich ohne weiteres aus dem Vortrag der Klägerin ergibt, wonach zwischen den Parteien des Leasingvertrages Frankfurt am Main als Gerichtsstand vereinbart worden sei. Bei Zugrundelegung dieses Sachvortrages ist die Verweisung durch das Amtsgericht München nicht ohne Rechtsgrund erfolgt, da sich die (ausschließliche) Zuständigkeit des Amtsgerichts Frankfurt am Main aus Art. 17 Abs, 1 EuGVÜ ergibt, der als Spezialgesetz dem § 38 Abs. 1 und 2 ZPO vorgeht (Thomas/Putzo ZPO 22. Aufl. § 38 Vorbem. Rn. 5; Musielak/Smid ZPO 2. Aufl. § 38 Rn. 14).

Die Voraussetzungen des Art. 17 EuGVÜ lieg en vor. Die Klägerin hat ihren Sitz in Deutschland, die Beklagte in Österreich. Dem Erfordernis der Schriftlichkeit nach Art. 17 Abs. 1 EuGVÜ ist genügt, weil der von den Parteien des Leasingvertrages unterzeichnete Vertragstext auf die umseitigen AGB verweist, die die Gerichtsstandsvereinbarung enthält (EuGH NJW 1977 494; Thomas/Putzo ZPO 22. Aufl. Art. 17 EuGVÜ Rn. 8). An diese ist die Klägerin als Rechtsnachfolgerin gebunden (Kropholler Europäisches Zivilprozeßrecht 6. Aufl. Art. 17 EuGVÜ Rn. 23; Geimer NJW 1985, 533 f.).

Ende der Entscheidung

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