Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 30.03.2001
Aktenzeichen: 4Z AR 32/01
Rechtsgebiete: ZPO, WA


Vorschriften:

ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6
WA (in der Fassung von Den Haag 1955) Art. 28 Abs. 1
Die Gerichtsstandsregel des Art. 28 WA bezieht sich nicht auf Schadensersatzansprüche wegen unterbliebener Beförderung.
Bayerisches Oberstes Landesgericht BESCHLUSS

Der 4. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Jaggy sowie der Richter Dr. Pongratz und Frisch

am 30. März 2001

in dem Verfahren auf Bestimmung des zuständigen Gerichts

pp.

auf Vorlage des Amtsgerichts Offenbach am Main

beschlossen:

Tenor:

Örtlich zuständig ist das Amtsgericht Offenbach am Main.

I.

Die Klägerin fordert von der Beklagten Schadensersatz wegen Nichterfüllung eines Flug- und Beförderungsvertrages. Nach ihrem Vortrag hat sie am 29.7.1999 bei der Beklagten einen Hin- und Rückflug von Nürnberg nach Quito gebucht. Als sie die Rückreise aus Quito habe antreten wollen, sei ihr der Rückflug zu Unrecht verweigert worden. Sie sei deshalb gezwungen gewesen, bei einer anderen Fluggesellschaft, einen Ersatzflug zu buchen.

Mit der am 27.11.2000 beim Amtsgericht Nürnberg erhobenen Klage fordert die Klägerin Ersatz des ihr entstandenen Schadens in Höhe von 2.044 DM. Nachdem die Beklagte die Rüge der örtlichen Unzuständigkeit erhoben und die Verweisung des Verfahrens an das Amtsgericht Offenbach am Main beantragt und desweiteren das Amtsgericht Nürnberg darauf hingewiesen hatte, daß unter "Bestimmungsort" im Sinne des Art. 28 Abs. 1 des Warschauer Abkommens in der Fassung von Den Haag 1955 (nachfolgend: WA) der Ort des Flugziels zu verstehen sei, beantragte die Klägerin, den Rechtsstreit an das Amtsgericht Offenbach am Main abzugeben.

Mit Beschluß vom 12.12.2000 erklärte sich das Amtsgericht Nürnberg für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit auf übereinstimmenden Antrag der Parteien an das Amtsgericht Offenbach am Main, das nach Anhörung der Parteien mit Beschluß vom 15.3.2001 die Übernahme des Verfahrens unter Hinweis darauf ablehnte, daß nach dem hier einschlägigen Art. 28 Abs. 1 WA Bestimmungsort Nürnberg sei, da der Flug dort hätte enden sollen. Ein unzweifelhaft zuständiges Gericht dürfe nicht an ein anderes Gericht verweisen.

Die Amtsgerichte haben ihre Beschlüsse jeweils den Parteien bekannt gegeben.

II.

1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist zur Entscheidung des negativen Zuständigkeitsstreits berufen (§ 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2, § 37 ZPO, § 9 EGZPO), denn die beteiligten Gerichte gehören einem bayerischen und einem außerbayerischen Oberlandesgerichtsbezirk an. Zuerst mit der Sache befaßt war das Amtsgericht Nürnberg.

2. Die Voraussetzungen für eine Bestimmung des zuständigen Gerichts gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor. Die Amtsgerichte Offenbach am Main und Nürnberg haben sich rechtskräftig für unzuständig erklärt.

3. Als zuständiges Gericht ist das Amtsgericht Offenbach am Main, an das das Verfahren durch bindenden Beschluß des Amtsgerichts Nürnberg verwiesen wurde, zu bestimmen.

a) Bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO sind nicht nur die materiell-rechtlichen Zuständigkeitsvorschriften, sondern auch die verfahrensrechtlichen Bindungswirkungen (§ 281 Abs. 2 Satz 5 ZPO) zu beachten. Regelmäßig ist daher das Gericht als zuständig zu bestimmen, an das die Sache durch den ersten bindenden Verweisungsbeschluß gelangt ist; denn die Bindung durch den Verweisungsbeschluß wirkt im Bestimmungsverfahren fort (BayObLGZ 1985, 397/399).

b) Die gesetzlich angeordnete Verbindlichkeit eines Verweisungsbeschlusses wird noch nicht dadurch in Frage gestellt, daß er auf einem Rechtsirrtum des Gerichts beruht oder sonst fehlerhaft ist. Ein Verweisungsbeschluß kann nur dann nicht als verbindlich hingenommen werden, wenn ihm jede rechtliche Grundlage fehlt, so daß er objektiv willkürlich erscheint oder wenn er auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs beruht (vgl. BGHZ 102, 338/341; BayObLGZ 1993, 317/319; Zöller/Greger ZPO 22. Aufl. § 281 Rn. 17, 17a m.w.N.).

Eine solche Ausnahme liegt hier offensichtlich nicht vor. Den Parteien wurde rechtliches Gehör gewährt. Die Entscheidung des Amtsgerichts Nürnberg ist zwar nicht frei von Rechtsfehlern, da die Rechtsauffassung des Gerichts, bei einem gebuchten Hin- und Rückflug sei der Bestimmungsort im Sinne des Art. 28 Abs. 1 WA der Zielort (hier: Quito), nicht zutrifft. Bei einem von vornherein als einheitliche Leistung vereinbarten Hin- und Rückflug ist der für den Gerichtsstand maßgebende Bestimmungsort der Abflugsort (BGH NJW 1976, 1586; BayObLG Beschluß vom 22.1.2001 - 4Z AR 138/00 -). Gleichwohl kann - in Übereinstimmung mit der im Beschluß des vorlegenden Amtsgerichts Offenbach am Main vom 19.2.2001 vertretenen Rechtsansicht - die auf Rechtsirrtum beruhende Entscheidung des Amtsgerichts Nürnberg noch nicht als objektiv willkürlich bewertet werden, da Anhaltspunkte dafür, daß das Amtsgericht Nürnberg bei der Verweisung des Rechtsstreits vom Bestehen einer eigenen Zuständigkeit ausgegangen ist, nicht vorliegen und die Beantwortung der Fragen nach der gerichtlichen Zuständigkeit bei Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Beförderung von Personen im internationalen Luftverkehr nicht nur dem verweisenden Gericht erhebliche Schwierigkeiten bereitet, wie gerade der vorliegende Fall zeigt. Sowohl die Parteien als auch die Amtsgerichte gehen nämlich davon aus, daß Art. 28 WA anwendbar sei. Dies trifft jedoch nicht zu, da sich die Gerichtsstandsregel des Art. 28 WA nur auf Ansprüche aus dem 3. Kapitel des Abkommens (Art. 17-19) bezieht und der geltend gemachte Anspruch wegen Nichtbeförderung dort nicht geregelt wurde (OLG München RIW 1983, 127; Ehlers in: Giemulla/Schmid Art. 28 WA Rn. 6; Schmid in: Giemulla/Schmid Art. 19 WA Rn. 48; MünchKomm HGB-Kronke WA Art. 18 Rn. 4, Art. 19 Rn. 5, 44).

Ende der Entscheidung

Zurück