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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 26.04.2001
Aktenzeichen: 4Z AR 43/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 281 Abs. 2 Satz 5
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6
Ein den Parteien mitgeteilter Verweisungsbeschluss bindet regelmäßig das Gericht.
Der 4. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Jaggy sowie der Richter Frisch und Heiss

am 26. April 2001

in dem Rechtsstreit

hier: Bestimmung des zuständigen Gerichts

auf Gesuch des Amtsgerichts Cham

beschlossen:

Tenor:

Örtlich zuständig ist das Amtsgericht Cham.

Gründe:

I.

Der Beklagte konnte über Monate erfolgreich verheimlichen, dass er zur Zeit der Klagezustellung eine mehrjährige Haftstrafe (anfangs in Würzburg, zuletzt in Bayreuth) verbüßte. Dies löste einen mehrjährigen negativen Kompetenzkonflikt unter Beteiligung von drei Amtsgerichten aus.

Im März 1999 erhob die Klägerin zum Amtsgericht Gemünden am Main (OLG-Bezirk Bamberg) Klage gegen den Beklagten auf Zahlung von 4234,43 DM nebst Zinsen als offene Honorarforderung für Immobiliengutachten. Die Klage wurde unter der von der Klägerin angegebenen Wohnanschrift in A am 27.3.1999 förmlich zugestellt. Der Zusteller bescheinigte, er habe den Empfänger nicht angetroffen und die Sendung dem zur Familie gehörenden erwachsenen Hausgenossen übergeben. In seiner Klageerwiderung vom 9.4.1999 teilte der Beklagte mit: "Die Anschrift des Beklagten lautet: B". Auf Anfrage des Amtsgerichts Gemünden, ob Antrag auf Verweisung an das örtlich zuständige Gericht gestellt werde, beantragte die Klägerin Verweisung an das Amtsgericht Cham. Auf Rückfrage des Amtsgerichts Gemünden bestätigte der Beklagte, dass seine ladungsfähige Anschrift die am 9.4.1999 mitgeteilte sei.

Mit Beschluss vom 12.5.1999 erklärte sich das Amtsgericht Gemünden für örtlich unzuständig und verwies unter Bezugnahme auf § 281 Abs. 1 ZPO den Rechtsstreit an das Amtsgericht Cham. Auf Gegenvorstellung des Amtsgerichts Cham beschloss das Amtsgericht Gemünden am 30.7.1999: "Der Beschluss des Amtsgerichts Gemünden vom 12.5.1999 wird aufgehoben". Am 6.10.1999 erließ das Amtsgericht Gemünden einen mit dem Beschluss vom 12.5.1999 inhaltlich deckungsgleichen zweiten Verweisungsbeschluss. Die Parteien erhielten von den drei Beschlüssen formlos Abschriften.

Auf Grund mündlicher Verhandlung vom 13.1.2000 gab das Amtsgericht Cham mit Endurteil vom 3.2.2000 der Klage statt; in den Entscheidungsgründen bejahte es unter Hinweis auf die bindende Wirkung des Verweisungsbeschlusses vom 12.5.1999 seine örtliche Zuständigkeit. Das Landgericht Regensburg als Berufungsgericht hob am 6.6.2000 das Endurteil vom 3.2.2000 auf und verwies die Sache an das Amtsgericht Cham zurück.

Das Amtsgericht Cham erklärte sich nunmehr mit Beschluss vom 13.10.2000 für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das Amtsgericht Bayreuth, das mit Verfügung vom 29.3.2001 erklärte, dass es sich weigere, das Verfahren zu bearbeiten; die Weiterverweisung vom 13.10.2000 sei objektiv willkürlich und rechtsmissbräuchlich.

Das Amtsgericht Cham hat mit Verfügung vom 12.4.2001 die Akten dem Bayerischen Obersten Landesgericht mit der Bitte um Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.

II.

Über den Wohnsitz bzw. Aufenthalt des Beklagten ergaben die ab Mitte September 1999 zu den Akten eingegangenen Auskünfte folgendes Bild: Von der Wohnung in A zog er im November 1993 nach Würzburg um. Vom 16.5.1998 bis 11.10.2000 verbüßte er eine Freiheitsstrafe. Zur Zeit der Klageerhebung war er in der Justizvollzugsanstalt Bayreuth inhaftiert. Er plante, nach B zu ziehen. Bei Haftentlassung gab er als künftige Wohnanschrift A an (Bl. 81, 104, 178 d. A.).

III.

1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist als das zunächst höhere gemeinsame Gericht zur Entscheidung des negativen Zuständigkeitsstreits zwischen den in verschiedenen bayerischen Oberlandesgerichtsbezirken gelegenen Amtsgerichten berufen (§ 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO, § 7 EGZPO, § 8 EGGVG, Art. 11 Abs. 1 AGGVG).

2. Die Voraussetzungen für eine Bestimmung des zuständigen Gerichts gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor. Die Amtsgerichte Gemünden und Cham haben sich in den Parteien mitgeteilten Beschlüssen rechtskräftig für unzuständig erklärt; auf die (nicht mitgeteilte) Ablehnung der Verfahrensübernahme von Seiten des Amtsgerichts Bayreuth kommt es nicht an.

3. Als zuständiges Gericht ist das Amtsgericht Cham zu bestimmen, an das das Verfahren durch bindenden Beschluss des Amtsgerichts Gemünden vom 12.5.1999 verwiesen wurde. Die Bindungswirkung (§ 281 Abs. 2 Satz 5 ZPO) eines Verweisungsbeschlusses ist auch im Bestimmungsverfahren zu beachten. Sie wird noch nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Beschluss fehlerhaft ist, etwa auf einem Tatsachen- oder Rechtsirrtum beruht. Die Verweisung ist für das verweisende Gericht unwiderruflich, eine Berichtigung ist nur unter den Voraussetzungen des § 319 ZPO möglich, also bei Schreibfehlern oder ähnlichen offenbaren Unrichtigkeiten (Zöller/Greger ZPO 22. Aufl. § 281 Rn. 16). Die weiteren Beschlüsse des Amtsgerichts Gemünden vom 30.7. und 6.10.1999 sind folglich wirkungslos. Die Bindung verbietet auch eine Weiter- oder Zurückverweisung. Daraus folgt, dass die vom Amtsgericht Cham am 13.10.2000 erklärte Weiterverweisung ebenfalls wirkungslos ist.

4. Ein Verweisungsbeschluss muss nach ständiger Rechtsprechung nur dann nicht als verbindlich hingenommen werden, wenn ihm jede rechtliche Grundlage fehlt, so dass er objektiv willkürlich erscheint oder wenn er auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs beruht (BGHZ 102, 338/341; BayObLGZ 1993, 317/318; Zöller/Greger § 281 Rn. 17, 17 a m. w. N.). Eine solche Ausnahme liegt hier nicht vor. Der Verweisungsbeschluss vom 12.5.1999 beruhte auf der irrigen Annahme, der Beklagte wohne mindestens seit März 1999 in B, er habe also seinen allgemeinen Gerichtsstand (§§ 12, 13 ZPO) im Bezirk des Amtsgerichts Cham. Diese Annahme war nicht willkürlich, sie beruhte vielmehr auf glaubhaften Angaben des Beklagten, der seinen Haftaufenthalt noch bis Mitte September 1999 erfolgreich verheimlichen konnte.

Ende der Entscheidung

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