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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 25.03.2003
Aktenzeichen: 4Z BR 16/03
Rechtsgebiete: AuslG


Vorschriften:

AuslG § 55
AuslG § 56
AuslG § 57 Abs. 2 Satz 1
AuslG § 57 Abs. 3 Satz 1
Zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine über zwei Jahre zurückliegende Haftzeit im Falle einer erneuten Haftanordnung zu berücksichtigen wäre.
Gründe:

I.

Die Ausländerbehörde betreibt die Abschiebung des Betroffenen, eines kasachischen Staatsangehörigen.

Mit Beschluss vom 6.2.2003 ordnete das Amtsgericht gegen ihn zur Sicherung seiner Abschiebung mit sofortiger Wirksamkeit Abschiebungshaft für höchstens zwei Monate an.

Die von dem Betroffenen hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde hat das Landgericht am 6.3.2003 zurückgewiesen.

Gegen diesen am 10.3.2003 zugestellten Beschluss wendet sich der Betroffene mit der sofortigen weiteren Beschwerde, die er - jeweils zu Protokoll des Rechtspflegers des Amtsgerichts - am 12.3. eingelegt und am 19.3.2003 begründet hat. Er rügt im Wesentlichen: Eine Abschiebungshaft von mehr als sechs Monaten sei unzulässig. Dieses Maß sei überschritten, wenn man die früher gegen ihn bis 27.7.2000 vollzogene Abschiebungshaft von über elf Monaten anrechne. Er sei nicht untergetaucht, wie die Tatsache zeige, dass er selbst die Ausländerbehörde aufgesucht habe. Es gebe kein Gesetz, das ihn verpflichte, Essen oder Post bei der Unterkunftsverwaltung abzuholen, oder ihm verbiete, spazieren zu gehen, wie es ihm beliebe; es besage daher nichts, wenn die Polizei ihn bei einer Nachschau nicht in der Unterkunft angetroffen hat.

II.

Das zulässige Rechtsmittel hat keinen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung stand (§ 103 Abs. 2 Satz 1 AuslG, § 3 Satz 2 FreihEntzG, § 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO). Das Landgericht hat den entscheidungserheblichen Sachverhalt rechtsfehlerfrei festgestellt und gewürdigt. Die den Senat bindenden Tatsachenfeststellungen (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 559 ZPO) tragen die von dem Betroffenen beanstandete Haftanordnung (§ 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5, Abs. 3 Satz 1 AuslG).

Das Landgericht ist auf Grund eigener Ermittlungen, deren Ergebnis es dem Betroffenen zum Zweck der Stellungnahme vor der Entscheidung vom 6.3.2003 bekannt gab, zu der Feststellung gelangt, dass sich der Betroffene ab Anfang 2003 nicht mehr in der ihm zugewiesenen Unterkunft an der Hintermeierstraße in München aufhielt. Das Landgericht stützt diese Feststellung verfahrensfehlerfrei auf tatsächliche Umstände, die auch der Betroffene nicht in Abrede stellt, (sondern nur anders gedeutet wissen will), nämlich die Nichtabholung eingegangener Post und der zweimal wöchentlich bereitgestellten Sachleistungspakete sowie die Erfolglosigkeit der polizeilichen Nachschau am 3.2.2003. Aus diesem Verhalten und aus dem weiter hinzutretenden Umstand, dass der Betroffene seit November 2002 wusste, dass die Ausländerbehörde nicht bereit war, die nur noch bis 23.1.2003 gültige Duldung zu verlängern, und ihm die Abschiebung für den Fall androhte, dass er nicht von sich aus ausreisen sollte, hat das Landgericht letztlich den Schluss gezogen, die festgestellten Tatsachen rechtfertigten den begründeten Verdacht, der Betroffene wolle sich der Abschiebung entziehen (§ 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AuslG). Dies hält rechtlicher Prüfung stand.

Bereits dem Landgericht gegenüber hatte der Betroffene gerügt, seine (erneute) Inhaftnahme sei unzulässig, denn es seien 1999/2000 schon über elf Monate Abschiebungshaft gegen ihn vollzogen worden. Das Landgericht ist auf diese Rüge nicht eingegangen, obwohl nach der obergerichtlichen Rechtsprechung hierzu durchaus Anlass bestanden hätte (vgl. Schlesw.-Holst. OLG FGPrax 1996, 38; KG InfAuslR 2000, 233 und BayObLG Beschluss vom 2.1.2001 - 3Z BR 398/00). Im Ergebnis bleibt die Rüge im Hinblick auf die tatsächlichen Umstände dieses Falles ohne Erfolg. Die in dem Verfahren 3Z BR 216/00 auf weitere Beschwerde des Betroffenen am 27.7. und am 2.8.2000 ergangenen Entscheidungen des 3. Zivilsenats sind dem beschließenden Senat bekannt; aus ihnen ergibt sich, dass sich der Betroffene auf Antrag der Zentralen Ausländerbehörde in Zirndorf vom 25.8.1999 bis 27.7.2000 in Abschiebungshaft befand. Am letztgenannten Tag setzte der 3. Zivilsenat die weitere Vollziehung aus. Im Beschluss vom 2.8.2000 wird ausgeführt, ein weiterer Vollzug sei nicht mehr verhältnismäßig; die Durchführung der Abschiebung scheitere nicht mehr am ursprünglichen hindernden Verhalten des Betroffenen, sondern an der ihm nicht zurechenbaren, schleppenden Arbeitsweise seiner Heimatbehörden.

Nach der damaligen Freilassung erhielt der Betroffene, wie das Landgericht im angefochtenen Beschluss festgestellt hat, eine zuletzt bis 23.1.2003 befristete Duldung (§§ 55, 56 AuslG), da die Abschiebung aus tatsächlichen Gründen vorerst unmöglich war. Mit dieser über zwei Jahre dauernden Duldung ist nach Auffassung des Senats eine relevante Zäsur zwischen den Haftabschnitten eingetreten, die eine Anrechnung der früheren Haftzeit entfallen lässt (KG aaO). Während dieser über zweijährigen Duldung, die zu keiner Zeit die Ausreisepflicht entfallen ließ (§ 56 Abs. 1 AuslG), war der Betroffene aufgerufen und in der Lage, sich selbst um einen Pass oder ein anderes für die Ausreise geeignetes Ausweispapier seines Heimatlandes zu bemühen und anschließend seiner Ausreisepflicht nachzukommen. Den im vorliegenden Verfahren am 6.2.2003 gestellten Haftantrag stützte die Behörde auf die neue konkrete Erwartung, dass das zuständige kasachische Konsulat nunmehr erstmalig bereit oder in der Lage war, innerhalb einer Zeitspanne von längstens zwei Monaten einen Passersatz auszustellen. Nach Mitteilung der Ausländerbehörde liegt ihr das für die Abschiebung erforderliche Passersatzdokument, gültig bis 19.4.2003, nunmehr im Original vor.

Ob die Abschiebung des Betroffenen ansonsten zu Recht betrieben wird, haben die Haftgerichte nicht zu prüfen; insoweit obliegt die Gewährung von Rechtsschutz ausschließlich den Verwaltungsgerichten (vgl. BayObLGZ 1993, 311/313; KG InfAuslR 2000, 230/232).

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