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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 17.04.2002
Aktenzeichen: 4Z BR 20/02
Rechtsgebiete: InsO


Vorschriften:

InsO § 290 Abs. 1 Nr. 6
Die Restschuldbefreiung kann nicht wegen Mängeln der mit dem Antrag auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens und auf Restschuldbefreiung eingereichten Unterlagen versagt werden, wenn diese noch im Eröffnungsverfahren korrekt ergänzt oder berichtigt werden.
Beschluss 4Z BR 20/02 17.04.02

Gründe:

I.

1. Am 15.2.2000 beantragte die Schuldnerin beim Insolvenzgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen nach §§ 304 ff. InsO verbunden mit einem Antrag auf Restschuldbefreiung nach § 287 InsO. Sie ist als Zahnarzthelferin ausgebildet, als Verwaltungsangestellte im Landratsamt erwerbstätig und gegenüber zwei 1986 bzw. 1997 geborenen Kindern unterhaltsverpflichtet. In der Anlage 5 zum Eröffnungsantrag (Gläubiger- und Forderungsverzeichnis) benannte sie als Gläubigerin allein die Beschwerdegegnerin. In der Anlage 4 (Vermögensverzeichnis) beantwortete sie im Abschnitt II (Konten und Sparverträge bei Banken und Sparkassen) die Frage nach "Ratensparverträge, Bausparverträge" mit "ja, und zwar Bausparvertrag als vermögenswirksame Leistung" und trug hierzu in die mit "Guthaben DM/Euro" überschriebene Spalte den Betrag "100" bei gleichzeitiger Streichung des Wortes "Euro" in der Spaltenüberschrift ein.

2. Auf eine Beanstandung der Gläubigerin vom 24.2.2000, dass im Gläubigerverzeichnis das Darlehen bei einer Bank mit einem Restsaldo von ca. 10000 DM nicht erwähnt sei und dass im Vermögensverzeichnis die Angabe eines Bausparguthabens von 100 DM nicht zutreffe, bestätigte die Schuldnerin mit Schreiben vom 10.3.2000 an das Insolvenzgericht, dass sie auf das Darlehen die monatlich zu zahlenden Tilgungen erbringe; die Angabe "100 DM" in Verbindung mit dem Bausparvertrag stelle die monatliche Ansparrate dar, der ihr von 1999 bekannte Kontostand betrage ca. 1600 bis 1700 DM.

3. Mit Beschluss vom 22.3.2000 eröffnete das Insolvenzgericht das Verbraucherinsolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin und bestellte den im Rubrum genannten Treuhänder.

4. Der Treuhänder erstattete am 19.3.2001 seinen Schlussbericht. In dem am 24.7.2001 vor der Rechtspflegerin des Insolvenzgerichts abgehaltenen Schlusstermin beantragte die Gläubigerin Versagung der Restschuldbefreiung nach § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO unter Bezugnahme auf ihr Schreiben vom 24.2.2000; das Bausparguthaben habe nach der ihr als Pfändungsgläubigerin am 7.3.2000 erteilten Auskunft tatsächlich 2194,10 DM betragen. Der Umstand, dass die Eltern der Schuldnerin, wie diese vortrage, die Darlehensschuld gegenüber der Bank übernommen hätten, stelle eine Verschiebung der Vermögensverhältnisse innerhalb der Familie und eine grobe Benachteiligung der antragstellenden Gläubigerin dar.

5. Mit Beschluss vom 30.7.2001 versagte das Insolvenzgericht die Restschuldbefreiung und wies den hierauf gerichteten Antrag der Schuldnerin zurück. Gegen den am 3.8.2001 zugestellten Beschluss legte die Schuldnerin am 17.8.2001 sofortige Beschwerde ein. Diese wies das Landgericht mit Beschluss vom 6.11.2001 als unbegründet zurück und ließ der im Beschwerdeverfahren anwaltschaftlich vertretenen Schuldnerin die Entscheidung am 17.11.2001 persönlich zustellen.

6. Gegen die landgerichtliche Entscheidung richtet sich die am 5.3.2002 eingegangene sofortige weitere Beschwerde der Schuldnerin, die zugleich Zulassung des Rechtsmittels nach § 7 Abs. 1 InsO a. F. sowie vorsorglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen eine eventuelle Versäumung der Rechtsmittelfrist beantragt.

II.

Der Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und dieses selbst sind begründet.

1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist für die Entscheidung über die sofortige weitere Beschwerde gemäß § 7 Abs. 3 InsO (a. F.), § 29 Abs. 2 GZVJu i. d. F. vom 6.7.1995 (GVB1. S. 343) und § 26 Nr. 10 EGZPO (BGBl. 2001 1 1907/1908) zuständig, Da die angefochtene Entscheidung vor dem 1.1.2002 erlassen wurde, findet § 7 InsO in der am 31.12.2001 geltenden Fassung weiter Anwendung (vgl. OLG Köln ZIP 2002, 443). Im übrigen sind die Bestimmungen der Insolvenzordnung in der bis 30.11.2001 geltenden Fassung anzuwenden, da das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin vor dem 1.12.2001 eröffnet wurde (Art. 103a EGInsO).

2. Der Senat lässt das Rechtsmittel gemäß § 7 Abs. 1 InsO (a. F.) zu. Das Rechtsmittel ist form- und fristgerecht angebracht und statthaft. Der landgerichtliche Beschluss vom 6.11.2001 hätte an die durch Vollmacht legitimierten Verfahrensbevollmächtigten der Schuldnerin zugestellt werden müssen (§ 4 InsO, § 176 ZPO in der bis 30.6.2002 geltenden Fassung [Art. 4 Zust-RG vom 25.6.2001, BGBl 12061). Die unter Verstoß gegen § 176 ZPO am 17.11.2001 an die Schuldnerin persönlich bewirkte Zustellung hat die Rechtsmittelfrist nicht in Gang gesetzt (Thomas/Putzo ZPO 23. Aufl. § 176 Rn. 6). Einer Entscheidung über den vorsorglich gestellten Wiedereinsetzungsantrag bedarf es daher nicht. Es liegt eine der sofortigen weiteren Beschwerde grundsätzlich zugängliche Ausgangsentscheidung des Landgerichts im Sinne des § 7 InsO (a. F.) vor, da das Landgericht über eine gemäß § 6 Abs. 1, § 289 Abs. 2 Satz 1 InsO statthafte Erstbeschwerde der Schuldnerin entschieden hat.

3. Die weiteren Voraussetzungen für eine Zulassung des Rechtsmittels nach § 7 Abs. 1 Satz 1 InsO (a. F.) sind ebenfalls gegeben. Die Beschwerdeführerin stützt ihr Rechtsmittel auf eine Verletzung des Gesetzes. Ferner ist die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten, weil noch die Gefahr besteht, dass die Insolvenzgerichte die Restschuldbefreiung in Verkennung der Anforderungen an die Feststellung der objektiven und subjektiven Voraussetzungen des Versagungsgrundes des § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO (vgl. Senatsbeschlüsse vom 5. und 27.12.2001, 4Z BR 31/01 und 4Z BR 39/01) ablehnen werden.

4. Die sofortige weitere Beschwerde ist begründet, da die von dem Landgericht (im wesentlichen durch Bezugnahme auf die nach Ansicht der Beschwerdekammer zutreffend begründete Entscheidung des Amtsgerichts) getroffenen Feststellungen die Annahme grob fahrlässig unrichtiger bzw. unvollständiger Angaben im Sinne von § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO nicht tragen.

a) Zur Begründung des Versagungsgrundes nach § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO führt das Landgericht auf Seite 38 des Beschlusses vom 6.11.2001 (die Seiten 2 bis 37 sind im wesentlichen ein durch Ablichtung hergestellter Aktenauszug) folgendes aus:

"Auch nach Ansicht des Beschwerdegerichts handelte die Schuldnerin grob fahrlässig, als sie die Bank nicht in das Gläubiger- und Forderungsverzeichnis als Gläubigerin aufgenommen hat; ebenso ist es als grob fahrlässig zu werten, dass im Vermögensverzeichnis das Guthaben des Bausparvertrages mit DM 100 angegeben wurde.

In beiden Fällen hat die Schuldnerin ihre erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt und das nicht beachtet, was im vorliegenden Fall jedem einleuchten musste.

Insbesondere liegt nicht lediglich ein Augenblicksversagen vor und wäre die Schuldnerin ohne weiteres in der Lage gewesen, zutreffende Angaben zu machen."

Die von dem Landgericht durch Bezugnahme auf den amtsgerichtlichen Beschluss vom 30.7.2001, den Schuldnerantrag vom 15.2.2000 nebst Anlagen und den Akteninhalt festgestellten Tatsachen rechtfertigen nicht die Annahme unrichtiger bzw. unvollständiger Angaben im Sinne von § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO, so dass es auf die für das Rechtsbeschwerdegericht nur beschränkt überprüfbare Abgrenzung zwischen einfacher und grober Fahrlässigkeit (Senatsbeschluss vom 27.12.2001, 4Z BR 39/01, im Anschluss an BGHZ 89, 153/160 ff.) nicht ankommt.

b) Bereits in objektiver Hinsicht rechtfertigen die von der Schuldnerin im Eröffnungsverfahren in bezug auf das Darlehen bei der Bank und das Guthaben aus dem Bausparvertrag gemachten Angaben nicht den Vorwurf der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit. Denn die Schuldnerin hat noch innerhalb des Eröffnungsverfahrens von der ihr in § 305 Abs. 3 Satz 1 und § 307 Abs. 3 Satz 1 InsO eingeräumten Möglichkeit, Fehlendes zu ergänzen oder unrichtige Angaben zu ändern, Gebrauch gemacht. Die noch im Eröffnungsverfahren erfolgte Ergänzung oder Berichtigung genügt, um eine Versagung nach § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO auszuschließen. Dies ist hier der Fall.

aa) Darlehen bei der Bank

Bereits im Eröffnungsantrag vom 15.2.2000 gab die Schuldnerin mit der Benennung der Bank (mit vollständiger Anschrift) als Besitzerin des KFZ-Briefs und mit der Angabe einer monatlichen Ratenzahlung von 297 DM an die Bank deutliche Hinweise auf eine offene Darlehensschuld. Die noch fehlende Angabe der Darlehenshöhe (ca. 10000 DM) holte die Schuldnerin noch im Eröffnungsverfahren nach, als sie mit Schreiben vom 10.3.2000 dem Insolvenzgericht gegenüber die Mitteilungen der Gläubigerin vom 24.2.2000 bestätigte. Auch der Umstand, dass trotz des Bestehens dieser Darlehensrestschuld die Schuldnerin weder am 15.2. noch am 10.3.2000 die Bank in das Gläubigerverzeichnis aufnahm, rechtfertigt eine Versagung nach § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO nicht. Denn die Schuldnerin hat mit den Anlagen 1 und 3 der Erstbeschwerde vom 7.9.2001 hinreichend glaubhaft gemacht, dass ihre Eltern ihr seinerzeit zugesagt hatten, ihr diese Darlehenslast abzunehmen. Die Mitteilung des Treuhänders im Schlusstermin, er habe die Bank am 17.4.2000 (als mögliche Gläubigerin) angeschrieben aber keine Antwort erhalten, bestätigt zusätzlich die Glaubhaftmachung der Schuldnerin. In dem offenkundigen Motiv dieser Schuldübernahme (nämlich der Schuldnerin für Berufsausübung und Kinderbetreuung die weitere Nutzung des Fahrzeugs zu sichern) liegt weder etwas Verwerfliches noch eine "grobe Benachteiligung" der Beschwerdegegnerin, der der Wegfall eines konkurrierenden Gläubigers durch freiwillige Leistungen der Eltern lediglich Vorteile bringt.

bb) Guthaben aus Bausparvertrag

Es ist unstreitig, dass die am 15.2.2000 auf Seite 2 der Anlage 4 zum Eröffnungsantrag vorgenommene Eintragung "100,-DM" nicht das damalige Guthaben darstellte. Auch in diesem Fall hat die Schuldnerin ihren Fehler noch im Eröffnungsverfahren in einer die Anwendung von § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO ausschließenden Weise berichtigt. Denn sie hat am 10.3.2000 dem Insolvenzgericht mitgeteilt, mit "100 DM" habe sie die monatliche Ansparrate gemeint, der ihr von 1999 bekannte Kontostand liege bei ca. 1600 bis 1700 DM. Mit dieser Ergänzung ist nach den konkreten Umständen des vorliegenden Falles die Schuldnerin ihrer Auskunftspflicht nach § 305 Abs. 1 und 3 InsO ausreichend nachgekommen; denn der mitgeteilte Kontostand am 7.3.2000, nämlich 2194,10 DM, entspricht der Größenordnung nach (bei Berücksichtigung einer seit 1999 monatlich hinzukommenden Ansparrate von 100 DM) den von der Schuldnerin im Eröffnungsverfahren gemachten Angaben, d. h., diese sind bereits objektiv nicht unrichtig im Sinne von § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO. Im übrigen konnte der damals aktuelle, exakte Kontostand jederzeit von jedem Beteiligten erfragt werden, wie die Drittschuldnerauskunft vom 7.3.2000 gegenüber der Beschwerdegegnerin, die Mitte Februar 2000 Pfändungsgläubigerin dieses Guthabens geworden war, belegt.

Die Vorlage der in § 305 Abs. 1 Nr. 3, § 307 Abs. 1 InsO genannte Verzeichnisse dient nicht buchhalterischen Zwecken, sondern - insbesondere, was das Vermögens- und das Gläubigerverzeichnis betrifft, - der Entlastung des Insolvenzgerichts und der Information der Gläubiger über die Grundlagen der geplanten Schuldenbereinigung (FK/Grote/Ahrens InsO 3. Aufl. § 350 Rn. 1, 23 und § 290 Rn. 53; Nerlich/Römermann InsO Stand Nov. 2000 § 305 Rn. 31, 32; Hess InsO § 305 Rn. 52). Hinsichtlich des Forderungsverzeichnisses ist der Schuldner ohnehin auf eine aktuelle Rechnungslegung der Gläubiger angewiesen (FK/Grote § 305 Rn. 32), so dass ohne deren Hilfe die Angaben des Schuldners häufig nicht buchhalterisch korrekt sein werden, aber dennoch den Gesetzeszweck insbesondere in bezug auf die Erstellung des Schuldenbereinigungsplans erfüllen. Der Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO ist daher nicht erfüllt, wenn der Schuldner nach Maßgabe der § 305 Abs. 3 Satz 1, § 307 Abs. 3 Satz 1 InsO seine Verzeichnisse korrigiert (FK/Ahrens § 290 Rn. 52).

5. Wegen der aufgezeigten Rechtsfehler sind die Entscheidungen beider Vorinstanzen aufzuheben. Da es einer weiteren Sachverhaltsaufklärung oder -bewertung (insbesondere zur Abgrenzung zwischen einfacher und grober Fahrlässigkeit) nicht bedarf, kann der Senat in der Sache selbst entscheiden und weist den Versagungsantrag der Gläubigerin vom 24.7.2001 als unbegründet kostenpflichtig (§ 4 InsO, §§ 91, 97 ZPO) zurück.

6. Es obliegt dem Insolvenzgericht, die nach §§ 291 ff. InsO gebotenen weiteren Entscheidungen zu treffen.

Ende der Entscheidung

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