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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 02.12.1999
Aktenzeichen: 4Z BR 8/99
Rechtsgebiete: InsO, GZVJu


Vorschriften:

InsO § 305 Abs. 1 Nr. 1 - 4
InsO § 287 InsO
InsO §§ 304
InsO § 305 ff. InsO
InsO § 6 Abs. 1 InsO
InsO § 305 Abs. 3 Satz 2 InsO
InsO § 7 Abs. 3 InsO
InsO § 34 InsO
InsO § 4 InsO
GZVJu § 29 Abs. 2
ZPO § 269 Abs. 3 Satz 3
StPO § 269 Abs. 3 Satz 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BayObLG

Beschluß

02.12.1999

4Z BR 8/99 LG Traunstein 4 T 3191/99 AG Traunstein 4 IK 93/99

Der 4. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Jaggy sowie der Richter Kehrstephan und Hilger am 2. Dezember 1999 in dem Insolvenzverfahren beschlossen:

Tenor:

I. Die sofortige weitere Beschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluß des Landgerichts Traunstein vom 30. August 1999 wird zugelassen.

II. Auf dieses Rechtsmittel werden die Beschlüsse des Landgerichts Traunstein vom 30. August 1999 und des Amtsgerichts Traunstein vom 28. Juli 1999 aufgehoben.

III. Die Sache wird zur weiteren Behandlung an das Amtsgericht Traunstein zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Die Schuldnerin beantragte am 13. 7. 1999 die Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens über ihr Vermögen. Dem Antrag waren als Anlagen u. a. die gemäß § 305 Abs. 1 Nr. 1 - 4 InsO geforderten Unterlagen beigefügt, nämlich eine Bescheinigung über das Scheitern eines außergerichtlichen Einigungsversuch, ein Antrag auf Erteilung von Restschuldbefreiung gemäß § 287 InsO, ein Vermögensverzeichnis, ein Gläubiger- und Forderungsverzeichnis sowie ein Schuldenbereinigungsplan. Letzterer lautet:

Schuldenbereinigungsplan

Zur Bereinigung der Schulden wird folgender Plan vorgeschlagen.

Die Schuldnerin ist nicht in der Lage, irgendeinen Betrag aufzubringen.

Es kann daher nur ein Nullplan vorgelegt werden.

Mit Beschluß forderte das Amtsgericht die Schuldnerin u. a. auf, unter Verwendung eines beigefügten Formblatts einen neuen Schuldenbereinigungsplan, der zu einer angemessenen Schuldenbereinigung führen könne, vorzulegen. Das Gericht wies darauf hin, daß der Antrag der Schuldnerin auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens als zurückgenommen gelte, wenn die Schuldnerin nicht binnen eines Monats ab Zustellung des Beschlusses der gerichtlichen Aufforderung nachkomme. Ferner teilte das Amtsgericht der Schuldnerin mit, daß nach seiner Auffassung die Vorlage eines sogenannten Null-Plans, d. h. eines Schuldbereinigungsplans, der keinerlei Zahlungen an die Gläubiger vorsehe, zur Durchführung eines Verfahrens gemäß §§ 304, 305 ff. InsO nicht ausreiche.

Die Schuldnerin legte gegen den Beschluß vom 28. 7. 1999 sofortige Beschwerde ein mit dem Antrag, den Beschluß aufzuheben und den sogenannten Null-Plan als "angemessene Schuldenbereinigung" gemäß § 305 Abs. 1 Nr. 4 InsO anzuerkennen.

Das Landgericht verwarf die sofortige Beschwerde am 30. 8. 1999 als unzulässig. In den Gründen des Beschlusses ist ausgeführt, daß keine nach dem Gesetz mit der sofortigen Beschwerde anfechtbare Entscheidung i. S. des § 6 Abs. 1 InsO vorliege und der angefochtene Beschluß außerdem keine Entscheidung, sondern nur einen Hinweis des Gerichts auf seine Auslegung des § 305 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4 InsO und die nach § 305 Abs. 3 Satz 2 InsO eintretende Rechtsfolge beinhalte.

Nach Rückkunft der Akten vom Landgericht verfügte das Amtsgericht am 27. 9. 1999 mit dem Vermerk, wegen Nichtvorlage eines zulässigen Schuldenbereinigungsplans gelte der Insolvenzantrag als zurückgenommen, die Schlußbehandlung des Verfahrens.

Gegen die Entscheidung des Landgerichts hat die Schuldnerin sofortige weitere Beschwerde eingelegt mit dem Antrag

I. Auf die sofortige weitere Beschwerde wird der Beschluß des Amtsgerichtes vom 28. 7. 1999 aufgehoben.

II. Der sogenannte "Null-Plan" wird als angemessene Schuldenbereinigung gemäß § 305 Abs. 1 Nr. 4 InsO anerkannt.

Zur Begründung ist ausgeführt, das Landgericht habe die sofortige Beschwerde zu Unrecht aus formellen Gründen abgewiesen. Die Aufforderung, einen neuen Insolvenzplan vorzulegen, müsse entweder mit der sofortigen Beschwerde oder einer sogenannten außerordentlichen Beschwerde rechtsmittelfähig sein, weil andernfalls das Eingangsgericht die nicht überprüfbare Möglichkeit hätte, "Verbraucherinsolvenzanträge zu erledigen".

II.

1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist gemäß § 7 Abs. 3 InsO i. V. m. § 29 Abs. 2 GZVJu i. d. F. vom 6. 7. 1995 (GVBl S. 343) zur Entscheidung über die sofortige weitere Beschwerde berufen. Das form- und fristgerecht eingereichte Rechtsmittel (§§ 4, 7 InsO, § 78 Abs. 1, §§ 569, 577 Abs. 2 ZPO) ist zuzulassen.

a) Die sofortige weitere Beschwerde bedarf der Zulassung.

Diese setzt einen Antrag des Beschwerdeführers voraus Der Beschwerdeschriftsatz der Schuldnerin enthält allerdings einen solchen ausdrücklichen Antrag nicht. Dies ist jedoch dann unschädlich, wenn der Beschwerdebegründung eine Rechtsfrage zu entnehmen ist, deren Klärung nicht nur der Einzelfallgerechtigkeit, sondern auch der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dient. Bei einer derartigen Interessenlage ist eine eingelegte "Beschwerde" regelmäßig zugleich als Zulassungsantrag auszulegen (HK/Kirchhof InsO § 7 Rn 4). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.

b) Die Schuldnerin wurde gemäß § 305 Abs. 3 InsO zur Vorlage eines angemessenen Schuldenbereinigungsplans binnen eines Monats aufgefordert. Die völlig mittellose Schuldnerin kann aus tatsächlichen Gründen aber nur einen sogenannten Null-Plan vorlegen. Ein solcher Plan entspricht nach der Auffassung des Amtsgerichts grundsätzlich nicht den gesetzlichen Anforderungen. Das Amtsgericht ging deshalb vom Eintritt der Rechtsfolge der Fristversäumnis der Schuldnerin fingierte Rücknahme des Eröffnungsantrags, gemäß § 305 Abs. 3 Satz 2 InsO - aus.

Der Beschwerdebegründung ist somit die Rechtsfrage zu entnehmen, ob im Fall einer vom Schuldner nicht erfüllbaren gerichtlichen Aufforderung nach § 305 Abs. 3 Satz 1 InsO zur Vervollständigung der gemäß § 305 Abs. 1 InsO vorzulegenden Unterlagen eine rechtsmittelfähige Entscheidung vorliegen kann. Das Landgericht verneint dies. Der Senat vertritt in dieser - soweit ersichtlich obergerichtlich noch nicht entschiedenen - Frage eine andere Rechtsauffassung. Die Nachprüfung der Beschwerdeentscheidung ist deshalb zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten.

2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Der angefochtene Beschluß des Amtsgerichts beinhaltet unter den im vorliegenden Fall gegebenen Umständen materiell eine den Eröffnungsantrag der Schuldnerin als unzulässig abweisende und damit gemäß § 34 InsO mit dem Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde anfechtbare Entscheidung.

a) § 7 Abs. 1 Satz 1 InsO knüpft hinsichtlich der Statthaftigkeit der sofortigen weiteren Beschwerde an § 6 Abs. 1 InsO an, wonach nur diejenigen Entscheidungen des Insolvenzgerichts einem Rechtsmittel unterliegen, für deren Anfechtung die Insolvenzordnung die sofortige Beschwerde vorsieht.

(1) Bei der Aufforderung, einen über den sogenannten Null-Plan hinausgehenden angemessenen Plan zur Schuldenbereinigung vorzulegen, handelt es sich nicht lediglich um eine nur vorbereitende richterliche Tätigkeit, sondern wegen der konstitutive Wirkung entfaltenden Rücknahmefiktion des § 305 Abs. 3 Satz 2 InsO um die Entscheidung eines Insolvenzgerichts (BayObLG ZIP 1999, 1767; Kübler/Brütting InsO § 6 Rn. 8 m. w. N.). Diese Ergänzungsaufforderung nach § 305 Abs. 3 Satz 1 InsO stellt allerdings mangels eines bedeutsamen Eingriffs in die Rechte des Schuldners nach dem System der Insolvenzordnung regelmäßig noch keine förmliche Nichteröffnungsentscheidung im Sinn des § 34 Abs. 1 InsO dar, so daß im Regelfall die sofortige Beschwerde nicht statthaft ist (BayObLG aaO).

(2) Eine andere rechtliche Beurteilung ist aber dann geboten, wenn das Insolvenzgericht gemäß § 305 Abs. 1 Nr. 1 bis 4, Abs. 3 InsO zur Vorlage von Unterlagen einer bestimmten inhaltlichen Qualität auffordert, die es als unverzichtbare Voraussetzung eines zulässigen Eröffnungsantrags ansieht, deren Beibringung dem Schuldner aus tatsächlichen Gründen, auch für das Gericht von vornherein eindeutig erkennbar, auf Dauer nicht möglich ist. Bei dieser Sachlage wäre die - vom Schuldner nicht erfüllbare - Aufforderung zu einer Ergänzung der Unterlagen, die gemäß § 305 Abs. 3 Satz 2 InsO zur fingierten Rücknahme des Antrags führt, rechtlich verfehlt, weil der gesetzgeberische Zweck, durch eine rasche Vervollständigung der Unterlagen den Fortgang des Verfahrens zu fördern, nicht erreicht werden kann. In einem solchen Fall bliebe dem Insolvenzrichter als Konsequenz seiner Rechtsauffassung sinnvollerweise nur die Möglichkeit, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen Fehlens der formellen Antragsvoraussetzungen abzulehnen. So liegt der Fall hier.

Das Amtsgericht ist der Auffassung, die Vorlage eines sogenannten Null-Plans sei grundsätzlich unzulässig. Es war für das Gericht von vornherein erkennbar, daß die völlig mittellose Schuldnerin kein über eine Nulllösung hinausgehendes Angebot machen konnte. Bei dieser Ausgangslage war die Ergänzungsaufforderung an die Beschwerdeführerin von vornherein sinnlos.

b) In ihrer materiellen Auswirkung stellt sich die Entscheidung des Amtsgerichts als eine endgültige Ablehnung des Antrags der Schuldnerin auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Sinn des § 34 InsO dar. Würde die Beschwerdeführerin - was angesichts der nur formellen Präklusionsverwirkung der Rücknahmefiktion jederzeit möglich ist - einen neuen Eröffnungsantrag stellen, so würde dieser bei fortbestehender Rechtsauffassung des Insolvenzgerichts infolge erneuter Rücknahmefiktion die gleiche verfahrensmäßige Erledigung finden wie der vorhergehende Antrag. Dieser Vorgang ließe sich beliebig oft wiederholen.

Aus diesem Grund hält der Senat das von der Insolvenzordnung für die Ablehnung von Eröffnungsanträgen vorgesehene Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde für statthaft. Eines Rückgriffs auf den von der Rechtsprechung nur in Ausnahmefällen zugelassenen, im Gesetz nicht vorgesehenen Rechtsbehelf der "außerordentlichen Beschwerde" bedarf es daher nicht. Der Senat folgt auch nicht dem in der Literatur (FK/Grothe InsO § 305 Rn. 50) aufgezeigten Ausweg, wonach der Schuldner, wenn er die Rechtsfolge der fingierten Antragsrücknahme für ungerechtfertigt hält, entsprechend § 4 InsO, § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO einen der sofortigen Beschwerde nach § 269 Abs. 3 Satz 5 StPO unterliegenden gerichtlichen Beschluß erwirken können soll; denn der Gesetzgeber hat sich in § 6 Abs. 1 InsO eindeutig für eine begrenzte Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde entschieden, die sich auf konkrete, in ausdrücklichen Vorschriften der Insolvenzordnung als anfechtbar bezeichnete Entscheidungen des Insolvenzgerichts beschränkt (BayObLG ZIP 1999, 1767).

3. Das Landgericht hat daher zu Unrecht wegen mangelnder Statthaftigkeit die sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung des Amtsgerichts als unzulässig verworfen.

Auch die amtsgerichtliche Entscheidung kann keinen Bestand haben, weil das Amtsgericht den Umfang seiner Prüfungskompetenz hinsichtlich der vom Schuldner nach § 305 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 InsO vorzulegenden Unterlagen verkannt hat und von unzutreffenden Voraussetzungen über die Zulässigkeit sogenannter Null-Pläne ausgegangen ist.

Prüfungsmaßstab für die nach § 305 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 InsO vorzulegenden Unterlagen ist in erster Linie deren quantitative Vollständigkeit. Eine inhaltliche Überprüfung nimmt das Insolvenzgericht nicht vor. Es hat lediglich zu prüfen, ob die vorgelegten Schriftstücke die im Gesetz angeführten Unterlagen darstellen. Grundsätzlich kann daher der Schuldner seiner Pflicht zur Vorlage eines Schuldenbereinigungsplans auch dadurch genügen, daß er seinen Gläubigern eine sogenannte Null- oder Fast-Null-Lösung anbietet (BayObLGZ 1999 Nr. 66). Es muß sich hieraus allerdings ein - wenigstens aus seiner Sicht - ernsthaftes Bemühen des Schuldners um Schuldenbereinigung entnehmen lassen.

Die noch nicht entscheidungsreife Sache ist daher unter Aufhebung beider Entscheidungen an das Amtsgericht zur weiteren Behandlung zurückzuverweisen.



Ende der Entscheidung

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