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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 11.08.2000
Aktenzeichen: 4Z Sch 5/00
Rechtsgebiete: UN-Ü, ZPO


Vorschriften:

UN-Ü Art. IV Abs. 1 lit b
UN-Ü Art. IV Abs. 2
UN-Ü Art. VII Abs. 1
ZPO § 1064
Um einen ausländischen Schiedsspruch für vollstreckbar erklären zu lassen, muß nur der Spruch oder eine beglaubigte Abschrift des Schiedsspruchs vorgelegt werden. Allerdings kann das Gericht eine Übersetzung verlangen.
BayObLG Beschluss

4Z Sch 5/00

11.08.00

BayObLGZ Nr. 52/2000

In dem gerichtlichen Verfahren betreffend die Schiedssache wegen Vollstreckbarerklärung eines Schiedspruchs

erläßt der 4. Zivilenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Jaggy sowie der Richter Dr. Pongratz und Heiss ohne mündliche Verhandlung am 11. August 2000 folgenden

Beschluss

Tenor:

I. Das Schiedsgericht beim Büro für rechtliche Unterstützung in Moskau erließ am 6. April 1999 in dem zwischen der Antragstellerin (im Schiedsspruch "anrufende,Partei" genannt) und der Antragsgegnerin (im Schiedsspruch "angerufene Partei" genannt) geführten Schiedsverfahren (Akte Nr. 2/99) folgenden Schiedsspruch:

"Von der angerufenen Partei sind 5110918,74 US-Dollar bzw. der Rubelgegenwert des genannten Betrags nach dem Kurs der Zentralbank der Russischen Föderation am Tage der Zahlung zugunsten der anrufenden Partei einzuziehen, der angerufenen Partei sind ferner die Gerichtskosten in Höhe von USD 15332,00 bzw. der Rubelgegenwert des angegebenen Betrags nach dem Kurs der Zentralbank der Russischen-Föderation am Tage der Zahlung anzurechnen."

II. Dieser Schiedsspruch wird für vollstreckbar erklärt.

III. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

IV. Der Beschluss ist vorläufig vollstreckbar.

V. Der Wert der Beschwer wird auf DM 11072701 DM festgesetzt.

Gründe

I.

Zwischen den Parteien bestehen Streitigkeiten hinsichtlich der Erfüllung des zwischen ihnen über die Ausführung von Bauleistungen geschlossenen Vertrages vom 6.11.1996.

In der am 21.10.1998 zu Abs. 19.1 dieses Vertrages geschlossenen schriftlichen Zusatzvereinbarung Nr. 8 vereinbarten die Parteien, dass sämtliche Streitigkeiten und Differenzen, die aus dem Vertrag oder im Zusammenhang mit diesem entstehen können, nach Möglichkeit auf dem Verhandlungsweg zwischen den Parteien entschieden werden. Falls die Parteien eine Einigung nicht erzielen können, werde der Streitfall von einem Schiedsgericht am Büro für Juristischen Beistand in Moskau beizulegen sein, gemäß der Satzung und den geltenden Regeln des genannten Schiedsgerichts am Büro für Juristischen Beistand sowie den gültigen Gesetzesnormen der Russischen Föderation.

Am 1.3.1999 schlossen die Parteien in Moskau die Zusatzvereinbarung Nr. 11 zum Vertrag vom 6.11.1996, in der sie Regelungen zur Begleichung bestehender Zahlungsrückstände trafen. Hinsichtlich des Wortlauts der Zusatzvereinbarungen Nr. 8 und 11 wird auf die von den Parteien vorgelegten Übersetzungen Bezug genommen.

Am 6.4.1999 erwirkte die Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin in dem zwischen ihnen vor dem Schiedsgericht beim Büro für rechtliche Unterstützung in Moskau geführten Schiedsverfahren folgenden Schiedsspruch:

Von der angerufenen Partei (= Antragsgegnerin) sind 5110918,74 US-Dollar bzw. der Rubelgegenwert des genannten Betrags nach dem Kurs der Zentralbank der Russischen Föderation am Tage der Zahlung zugunsten der anrufenden Partei (=Antragstellerin) einzuziehen; der angerufenen Partei sind ferner die Gerichtskosten in Höhe von 15332,00 US-Dollar bzw. der Rubelgegenwert des angegebenen Betrags nach dem Kurs der Zentralbank der Russischen Föderation am Tage der Zahlung anzurechnen.

Unter Vorlage einer von der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Moskau gemäß § 10 Abs. 1 Ziff. 2 KonsG beglaubigten Abschrift des Schiedsspruchs und einer von der Industrie- und Handelskammer Moskau beglaubigten Übersetzung des Schiedsspruchs beantragt die Antragstellerin, den Schiedsspruch für vollstreckbar zu erklären. Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag zurückzuweisen, hilfsweise nicht ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden.

Sie trägt vor,

1. Die Übersetzung des Schiedsspruchs durch einen öffentlich bestellten Dolmetscher und Übersetzer für die russische Sprache sei nicht nachgewiesen.

2. Die Zusatzvereinbarung Nr. 8 sei zwar ordnungsgemäß durch einen öffentlich bestellten und beeidigten Dolmetscher und Übersetzer für die russische Sprache übersetzt, jedoch sei die Legitimation weder des Auftragnehmers noch des Auftraggebers nachgewiesen.

3. Der Beglaubigungsvermerk zu der Ablichtung der Zusatzvereinbarung Nr. 8 vom 21.10.1998 sei nicht ordnungsgemäß nachgewiesen.

Die von den Parteien am 1.3.1999 geschlossene Zusatzvereinbarung Nr. 11 zum Vertrag vom 6.11.1996 enthalte eine Begrenzung der Forderung der Antragstellerin auf insgesamt US-Dollar 2700000 und eine Stundungsabrede in der Form, dass der Anspruch erst fällig werde bei Zahlung durch gleich ob in Geld oder Sachwerten oder anderen materiellen Werten. Dies ergebe sich aus den Ziffern 4 bis 6 der Zusatzvereinbarung Nr. 11.

Da die Parteien erkennbar das Schiedsgericht beim Büro für rechtliche Unterstützung in Moskau über die bindende Zusatzvereinbarung Nr. 11 nicht informiert hätten und ein Ausschluß oder Verwirkungsgrund zu der Zusatzvereinbarung nicht zu erkennen sei, laufe der Schiedsspruch vom 6.4.1999 sowohl tatsächlich als auch rechtlich ins Leere. Da der Schiedsspruch die Zusatzvereinbarung Nr. 11 zum Vertrag vom 6.11.1996 nicht berücksichtigte, sei er rechtlich nicht- verbindlich.

Bei dieser Sachlage sei die Antragstellerin gehindert, aus der schiedsgerichtlichen Entscheidung vorzugehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Der zulässige Antrag ist begründet.

1. Die Zuständigkeit des Senats ergibt sich aus § 1062 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2, Abs. 5 ZPO i.V.m. § 6a n.F. der Gerichtlichen Zuständigkeitsverordnung Justiz.

2. Die Anerkennung und Vollstreckung des russischen Schiedsspruchs richtet sich gemäß § 1061 Abs. 1 Satz 1 ZPO nach dem UN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10.6.1958 (nachfolgend: UN-Ü). Gemäß § 1061 Abs. 1 Satz 2 ZPO bleiben jedoch die Vorschriften in anderen Staatsverträgen über die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen unberührt. Zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Russischen Föderation, der Rechtsnachfolgerin der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, gilt Art.. 8 des Deutsch-sowjetischen Abkommens über Allgemeine Fragen des Handels und der Seeschiffahrt vom 25.4.1958 fort (Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 6. Aufl., Kap. 59 IV Rn. 14; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 57. Aufl., Schlußanhang VI, Deutsch-sowjetisches Abkommen über Allgemeine Fragen des Handels und der Seeschifffahrt vom 25.4.1958, Vorbemerkung zu Art. 8 des Abkommens), so dass auch diese Vorschrift zu berücksichtigen ist.

3. Entgegen der Behauptung der Antragsgegnerin hat die Antragstellerin die formellen Voraussetzungen für die Vollstreckbarerklärung formgerecht nachgewiesen.

a) Sie hat mit Schreiben vom 23.5.2000 eine von einem zuständigen deutschen Konsularbeamten (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 KonsG) beglaubigte Ablichtung des Schiedsspruchs vom 6.4.1999 vorgelegt. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 1064 Abs. 1, Abs. 3 ZPO sind damit erfüllt.

b) Die Vorlage der in Art. IV Abs. 1 lit. b UN-Ü genannten Urschrift der Schiedsvereinbarung oder einer Abschrift, deren Übereinstimmung mit einer solchen Urschrift ordnungsgemäß beglaubigt ist, sowie die Vorlage der in Art. IV Abs. 2 UN-Ü vorgesehenen Übersetzungen stellt aufgrund des Günstigkeitsprinzips des Art. VII UN-Ü i.V.m. § 1064 ZPO keine Zulässigkeitsvoraussetzung für die Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs dar (Musielak/Voit ZPO § 1061 Rn. 3; Schwab/Walter Schiedsgerichtsbarkeit, 6. Aufl., Kap. 30 V 1 Rn. 26 und Kap. 58 1 2 Rn. 2 hinsichtlich der Schiedsvereinbarung; a.A. Moller NZG 1999, 143 ff. und NZG 2000, 57/71 zur Frage, ob eine Schiedsvereinbarung vorzulegen ist).

§ 1064 Abs. 1 ZPO fordert lediglich, dass mit dem Antrag auf Vollstreckbarerklärung der Schiedsspruch oder eine beglaubigte Abschrift des Schiedsspruchs vorgelegt wird. § 1064 Abs. 1 ZPO findet auch bei ausländischen Schiedssprüchen Anwendung, soweit Staatsverträge nicht ein anderes bestimmen (§ 1064 Abs. 3 ZPO). Insofern enthält Art. IV UN-0 zwar weitergehende Vorschriften über das Vollstreckbarerklärungsverfahren, deren Anwendbarkeit aber andererseits unter dem Vorbehalt des Art. VII Abs. 1 UN-Ü steht, der klarstellt, dass das Übereinkommen keiner Partei das Recht nimmt, sich auf einen Schiedsspruch nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts des Landes, in dem er geltend gemacht wird, zu berufen (vgl. BGH NJW 84, 2763; WM 91, 576 f.), so dass das nationale Verfahrensrecht, soweit es zur Herbeiführung der Vollstreckbarkeitserklärung günstiger ist, vorgeht.

Da § 1064 Abs. 1 ZPO für die Vollstreckbarkeitserklärung keine Verpflichtung zur Vorlage der Schiedsvereinbarung und der in Art. IV Abs. 2 UN-Ü genannten Übersetzungen vorsieht, stellt sich das innerstaatliche Recht, nach der ZPO als für die Antragstellerin günstiger dar, mit der Folge, dass es Anwendung findet.

Der Gefahr einer Benachteiligung der Antragsgegnerin durch die Vorlage unvollständiger oder sonst mangelhafter Übersetzungen kann notfalls dadurch begegnet werden, dass das Gericht nach § 142 Abs. 3 ZPO, § 184 GVG jederzeit die Beibringung einer Übersetzung, die von einem nach den Richtlinien der Landesjustizverwaltung hierzu ermächtigten Übersetzer angefertigt wurde, anordnen kann.

4. Da die Antragstellerin nicht verpflichtet war, Übersetzungen in der in Art. IV Abs. 2 UN-Ü genannten Form und die Urschrift oder eine im Sinne des Art. IV Abs. 1 UN-Ü ordnungsgemäß beglaubigte Abschrift der Schiedsvereinbarung vorzulegen, greifen die formellen Rügen hinsichtlich der vorgelegten Übersetzungen und der Beglaubigung der Ablichtung der Schiedsvereinbarung nicht durch.

5. Dem Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs ist somit stattzugeben.

a) Versagungsgründe im Sinne des Art. 8 Abs. 3 des Deutschsowjetischen Abkommens über Allgemeine Fragen des Handels und der Seeschiffahrt vom 25.4.1958 sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

b) Da nach Art. 8 Abs. 3 Satz 2 des Deutsch-sowjetischen Abkommens über Allgemeine Fragen des Handels und der Seeschifffahrt vom 25.4.1958, das gemäß Art. VII Abs. 1 UN-Ü den Versagungs-Bestimmungen nach Art. V UN-Ü vorgeht, eine sachliche Nachprüfung des Schiedsspruchs nicht stattfindet, kann die Antragsgegnerin mit ihren Einwendungen gegen die Richtigkeit der Entscheidung des Schiedsgerichts (Forderungsbegrenzung, Stundungsabrede) nicht gehört werden.

6. Die Anordnung einer mündlichen Verhandlung war nicht veranlaßt, weil Aufhebunsgründe im Sinne des § 1059 Abs. 2 ZPO nicht in Betracht kamen (§ 1063 Abs. 2 ZPO).

7. Kosten: § 91 Abs. 1

8. ZPO-Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 1064 Abs. 2 ZPO.

9. Wert der Beschwer für die Antragsgegnerin: § 1065, § 546 Abs. 2, §§ 2, 3, 4 ZPO.

Ende der Entscheidung

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