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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 05.07.2004
Aktenzeichen: 4Z Sch 9/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 1061 Abs. 1
ZPO § 1053
Zur Anerkennungsfähigkeit eines vor einem österreichischen Schiedsgericht geschlossenen Schiedsvergleichs.
Gründe:

I.

Der Antragsteller ist Rechtsanwalt in Österreich. Er hat in dem vorerwähnten Schiedsgerichtsverfahren Honorarforderungen gegen den Antragsgegner geltend gemacht. Am 15.09.2003 schlossen die Parteien vor dem Schiedsgericht in Innsbruck einen Vergleich, in dem sich der Antragsgegner verpflichtete, an den Antragsteller binnen 14 Tagen 8.847,73 EURO zu bezahlen. Unter Vorlage einer Ausfertigung der Niederschrift über die Schiedsgerichtsverhandlung vom 15.09.2003 sowie einer vom Vorsitzenden des Schiedsgerichts unterzeichneten Bestätigung, wonach die Parteien den Vergleich persönlich unterfertigt haben, beantragt der Antragsteller:

Den Vergleich der Tiroler Rechtsanwaltskammer, durch den der Antragsgegner zur Zahlung von 8.847,73 EURO verpflichtet wurde, abzüglich geleisteter Zahlungen vom 07.10.2003 und 22.10.2003 in Höhe von 200,00 EURO mithin noch 8.647,73 EURO nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 23.10.2003, mit der Vollstreckungsklausel zu versehen.

Der Antragsgegner beantragt

Feststellung, dass der Vergleich vom 15.09.2003 als Schiedsspruch im Inland nicht anzuerkennen ist.

Er macht geltend, die gemäß dem vorgelegten Schriftstück zwischen den Parteien geschlossene Vereinbarung vom 15.09.2003 sei ein außergerichtlichen Vergleich und kein Schiedsspruch im Sinne der §§ 1053, 1061 ZPO. Außerdem seien weder eine legalisierte Urschrift noch die Schiedsvereinbarung vorgelegt worden. Die Voraussetzungen von Art. IV Abs. 1 des UN-Übereinkommens seien damit nicht gewahrt.

II.

Der Antrag des Antragstellers ist zulässig und - abgesehen von dem Begehren, Zinsen aus dem Zahlungsanspruch für vollstreckbar zu erklären - begründet. Es liegen keine Gründe vor, dem Schiedsvergleich die Anerkennung im Inland zu verweigern.

1. Die Zuständigkeit des Senats ergibt sich aus §§ 1025 Abs. 4, 1062 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 und Abs. 5 ZPO i.V.m. § 6 a GZvJu. Der Antragsgegner hat seinen Wohnsitz in Bayern.

2. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners kann nicht nur ein ausländischer Schiedsspruch, sondern auch ein ausländischer Schiedsvergleich unter bestimmten Voraussetzungen für vorläufig vollstreckbar erklärt werden. § 1061 Abs. 1 Satz 2 ZPO bestimmt, dass die Vorschriften in anderen Staatsverträgen über die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen unberührt bleiben. Der für vollstreckbar zu erklärende Vergleich vom 15.09.2003 wurde unstreitig vor einem österreichischen Schiedsgericht geschlossen. Art. 12 Abs. 2 des Deutsch-Österreichischen Vertrags über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Vergleichen und öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen vom 06.06.1959 (abgedruckt bei Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Kommentar zur Zivilprozessordnung, 62. Auflage, Schlussanhang V B 3) stellt die vor einem Schiedsgericht eines Vertragsstaates abgeschlossenen Vergleiche den Schiedssprüchen gleich. Die Regelung in § 1053 ZPO, wonach die Vollstreckbarkeitserklärung eines vor einem Schiedsgericht abgeschlossenen Vergleichs nur dann erfolgt, wenn er in einen Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut überführt wurde, ist nachrangig gegenüber diesem völkerrechtlichen Vertrag (vgl. Stein/Jonas, Kommentar zur Zivilprozessordnung, 22. Auflage, § 1053, Rn.10). Eine dem § 1053 ZPO vergleichbare Regelung existiert im Österreichischen Recht nicht. Vielmehr kann in Österreich aus einem vor einem Schiedsgericht geschlossenen Vergleich ebenso vollstreckt werden, wie aus einem Schiedsspruch (vgl. § 1 Nr. 16 Österreichische Exekutionsordnung). Eine Überführung des österreichischen Schiedsvergleichs in einen Schiedsspruch ist damit für die Vollstreckbarkeitserklärung nicht erforderlich. Der Schiedsvergleich vom 15.09.2003 ist vielmehr wie ein Schiedsspruch im Sinne von § 1061 ZPO zu behandeln.

3. Die formellen Antragserfordernisse gemäß § 1064 Abs. 1 ZPO hat der Antragsteller mit den vorgelegten Dokumenten erfüllt. Er hat eine Ausfertigung der Niederschrift über die Schiedsgerichtsverhandlung am 15.09.2003 eingereicht, in der der für vollstreckbar zu erklärende Vergleich geschlossen und protokolliert wurde. Die Richtigkeit der Ausfertigung wurde von der Tiroler Rechtsanwaltskammer und dem Vorsitzenden des Schiedsgerichts, bestätigt. Die Authentizität des bei persönlicher Anwesenheit beider Parteien geschlossenen Schiedsvergleichs ist im Übrigen unstreitig.

4. Die Vorlage der zugrunde liegenden Schiedsvereinbarung, deren Fehlen der Antragsgegner rügt, war nicht erforderlich. Für den Antrag auf Vollstreckbarkeitserklärung eines ausländischem Schiedsspruchs genügt nach §§ 1025 Abs. 4, 1064 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 ZPO die Einreichung des Schiedsspruchs in Urschrift oder beglaubigter Abschrift. Die Vorlage der Schiedsvereinbarung wird in § 1064 ZPO nicht verlangt. Die nationale Regelung des § 1064 ZPO hat nach dem Günstigkeitsprinzip des Art. VII Abs. 1 UNÜ Vorrang vor der entsprechenden Bestimmung des Art. IV UNÜ (vgl. BGH SchiedsVZ 2003, 281, 282).

5. Der Antrag auf Vollstreckbarkeitserklärung des Schiedsvergleichs vom 15.09.2003 ist in der Hauptsache (= 8.647,73 Euro) begründet. Versagungs- oder Aufhebensgründe nach § 1059 Abs. 2 ZPO wurden nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich.

Soweit der Antragsteller allerdings beantragt, Zinsen in Höhe von 4 % seit 23.10.2003 für vollstreckbar zu erklären, ist der Antrag unbegründet. Der vorgelegte Vergleich enthält zwar eine Zahlungsfrist von 14 Tagen für die Hauptforderung, nicht jedoch eine Zinsregelung im Falle der Nichtzahlung.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2 ZPO.

Gemäß § 1064 Abs. 2 ZPO ist die Entscheidung für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Der Streitwert wurde gemäß §§ 2, 3 und 4 ZPO in Höhe der geltend gemachten Hauptforderung festgesetzt.

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