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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 13.06.2001
Aktenzeichen: 5 St RR 140/01
Rechtsgebiete: StGB, BSHG, SGB X


Vorschriften:

StGB § 263 Abs. 1
BSHG § 97
BSHG § 107
SGB X § 2 Abs. 1
SGB X § 2 Abs. 2
SGB X § 2 Abs. 3
Kein Betrug begeht ein Sozialhilfeempfänger, der seinen Aufenthaltswechsel verschweigt, sofern die anspruchsbegründende Notlage fortbesteht.
Tatbestand:

Das Amtsgericht verurteilte den Angeklagten am 12.10.2000 wegen Betrugs zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten, deren Vollstreckung es zur Bewährung aussetzte. Auf die Berufung des Angeklagten erkannte das Landgericht am 24.1.2001 auf eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten und verwarf das Rechtsmittel im übrigen als unbegründet.

Mit seiner Revision rügte der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hatte mit der Sachrüge Erfolg.

Gründe:

Das Urteil des Landgerichts München I hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand, weil die tatsächlichen Feststellungen unzureichend sind und deshalb die Verurteilung wegen Betrugs nicht zu tragen vermögen (§ 337 StPO).

Die Strafkammer legt dem Angeklagten zur Last, er habe sich in der Zeit vom 1.6.1998 bis 30.4.1999 eine "ihm nicht zustehende Sozialhilfe" von insgesamt 16211,78 DM erschlichen. Er habe - trotz Belehrung - seine Verpflichtung verletzt, Änderungen seiner persönlichen Verhältnisse dem Sozialamt der Stadt M. mitzuteilen, er habe der Behörde nicht mitgeteilt, dass er in der genannten Zeit nicht in M., sondern in U., S., W. und Mu. gewohnt habe. Diese Feststellungen tragen eine Verurteilung wegen Betrugs mit einer Schadenshöhe von über 16000 DM nicht. Denn die landgerichtlichen Feststellungen lassen insgesamt keinen Zweifel zu, dass sich an der den Anspruch auf Sozialhilfe begründenden Notlage auch in der Zeit ab 1.6.1998 nichts geändert hat. Der Angeklagte war in der ihm zur Last gelegten Tatzeit materiell-rechtlich unverändert bedürftig und damit sozialhilfeberechtigt, die Geldleistungen, die er vom Sozialamt der Stadt M. über den 1.6.1998 hinaus bezog, standen ihm dem Grunde nach zu, denn er verheimlichte weder Vermögen noch anderweitige Einkünfte. Die nach den Urteilsfeststellungen dem Angeklagten vorwerfbare Unredlichkeit bestand in der Verheimlichung der Tatsache, dass er seinen gewöhnlichen Aufenthalt an Orte außerhalb des Stadtgebietes verlegt hatte, was sowohl für die Frage, welcher Leistungsträger örtlich zuständig ist, als auch für die Höhe der Leistung im Hinblick auf möglicherweise niedrigere Wohn- und Lebenshaltungskosten von Bedeutung sein kann. Zu beiden Fragen hat die Strafkammer keine Feststellungen getroffen, sie hat sich insbesondere nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob die festgestellten Ortswechsel die örtliche Zuständigkeit und die Leistungspflicht des bisher Hilfe leistenden Trägers haben entfallen lassen (vgl. § 2 Abs. 1 - 3 SGB X, § 97 Abs. 1 und § 107 BSHG). Dem Träger, der in Unkenntnis des Ortswechsels die Hilfeleistung im bisherigen Umfang fortsetzt, entsteht kein Schaden in Höhe der vollen Hilfeleistung, wenn nach dem Gesetz seine Leistungspflicht dem Grunde nach ohnehin fortbesteht oder wenn ihm - bei Übergang der Leistungspflicht auf einen anderen Träger - ein Erstattungsanspruch gegen diesen erwächst (vgl. § 2 Abs. 3 Satz 2 SGB X).

Der Senat kann nicht gemäß § 354 Abs. 1 StPO in der Sache selbst entscheiden, da die Frage, ob die Verheimlichung des Ortswechsels die leistende Behörde davon abgehalten hat, die Höhe der Leistung den ab 1.6.1998 möglicherweise niedrigeren Wohn- und Lebenshaltungskosten anzupassen, weiterer tatrichterlicher Aufklärung bedarf.

Ende der Entscheidung

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