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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 10.07.2003
Aktenzeichen: 5 St RR 176/03
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 244 Abs. 3 Satz 2
Ermöglicht die in einem Sachverständigenbeweisantrag zur Schuldfrage genannte Anknüpfungstatsache allein noch keine abschließende Beurteilung der Schuldfähigkeit des Angeklagten, rechtfertigt dies nicht in jedem Fall die Beurteilung des Beweismittels als völlig ungeeignet. Ist nämlich ein qualifizierter Sachverständiger auf Grund der Beweisbehauptung i.V.m. den weiteren tatrichterlichen Feststellungen in der Lage, weitere indizielle Anknüpfungstatsachen zu ermitteln und damit Entscheidungsrelevantes zur Beweisbehauptung der Verteidigung auszusagen, dann ist dieses Beweismittel lediglich relativ ungeeignet und dessen Ablehnung nach § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO folglich unzulässig.
Tatbestand:

Am 18.3.2002 entwendete die Angeklagte in den Geschäftsräumen der Firma K. in F. Waren im Wert von insgesamt 51,86 EUR, nämlich Kosmetika: Puder, Mascara und Lippenstift, die sie für sich selbst verwenden wollte. Sie handelte in der Absicht, die Waren ohne Bezahlung für sich zu behalten.

Vor dieser Tat war sie mindestens ein Jahr im Methadon-Substidutionsprogramm bei einem Arzt in F..

Das Amtsgericht verurteilte die Angeklagte am 18.9.2002 wegen Diebstahls zu drei Monaten Freiheitsstrafe. Die dagegen eingelegte Berufung der Angeklagten verwarf das Landgericht mit Urteil vom 14.3.2003 als unbegründet.

Die Revision der Angeklagten war begründet.

Gründe:

Die Beschwerdeführerin rügt zu Recht die Verletzung von § 244 Abs. 3, Abs. 4 StPO bei der Ablehnung ihres Antrags auf Einvernahme eines Sachverständigen zur Schuldfrage.

Der Verteidiger beantragte in der Berufungshauptverhandlung zum Beweis dafür, dass die im Tatzeitraum mit Methadon substituierte Angeklagte bei Tatbegehung sich im Zustand eingeschränkter bzw. ausgeschlossener Schuldfähigkeit im Sinne der §§ 20, 21 StGB befunden habe, die Vernehmung eines psychiatrischen Sachverständigen.

Die Strafkammer lehnte diesen Beweisantrag mit der Begründung ab, für die behauptete Tatsache seien nicht genügend Anknüpfungstatsachen vorhanden. Insoweit sei auch eine Beweiserhebung von Amts wegen im Wege der Beweisermittlung nicht veranlasst gewesen.

Diese Verfahrensweise der Strafkammer war rechtsfehlerhaft. Es trifft zwar zu, dass die im Beweisantrag der Verteidigung ausschließlich geltend gemachte Anknüpfungstatsache der "Methadonsubstitution der Angeklagten zur Tatzeit" allein noch keine ausreichende Basis für eine verlässliche und abschließende sachverständige Beurteilung der Schuldfähigkeit der Angeklagten bietet. Dies rechtfertigt aber nicht den Schluss auf eine völlige Ungeeignetheit dieses Beweismittels im Sinne von § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO, sondern führt allenfalls zu dessen relativer Ungeeignetheit. Nach Sachlage war nämlich nicht von vornherein auszuschließen, dass ein qualifizierter Sachverständiger auf Grund der von der Verteidigung benannten Anknüpfungstatsache, insbesondere in Verbindung mit den weiteren Feststellungen der Strafkammer zur langjährigen Drogenkarriere der Angeklagten, wenigstens in der Lage ist, weitere indizielle Anknüpfungstatsachen zu ermitteln und damit Entscheidungsrelevantes zur Beweisbehauptung der Verteidigung auszusagen (vgl. KK-Herdegen StPO 4. Aufl § 244 Rn. 77, 79 m. w. N.).

Nach Sachlage kann der Senat nicht ausschließen, dass das angefochtene Urteil auf dieser nach § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO und darüber hinaus auch unter dem Aspekt des § 244 Abs. 2 StPO rechtsfehlerhaften Ablehnung dieses Beweisantrags der Verteidigung beruht (§ 337 StPO).

Das angefochtene Urteil kann schon deshalb insgesamt keinen Bestand haben (§§ 353, 318 StPO; Meyer-Goßner StPO 46. Aufl. § 318 Rn. 17 m. w. N.). Die Erörterung der weiteren Revisionsrügen war folglich nicht veranlasst.

Ende der Entscheidung

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