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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 10.08.2001
Aktenzeichen: 5 St RR 198/01
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 326 Satz 2
StPO § 258 Abs. 3
Das letzte Wort steht dem Angeklagten nach jedem Wiedereintritt in die Beweisaufnahme vor der Urteilsverkündung zu.
Tatbestand:

Das Amtsgericht verurteilte den Angeklagten unter Freisprechung im übrigen wegen Diebstahls "im besonders schweren Fall in Tatmehrheit mit einem versuchten Diebstahl im besonders schweren Fall" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten. Darüber hinaus wurde dem Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen, sein Führerschein eingezogen und auf eine Sperrfrist zur Neuerteilung von zwei Jahren erkannt.

Die gegen dieses Urteil eingelegten Berufungen der Staatsanwaltschaft, insoweit beschränkt auf den Freispruch, und des Angeklagten verwarf das Landgericht am 5.4.2001 als unbegründet.

Mit seiner Revision rügte der Angeklagte die Verletzung formellen und sachlichen Rechts.

Gründe:

Die zulässige Revision hat aufgrund der ordnungsgemäß erhobenen Verfahrensrüge der Verletzung des § 326 Satz 2 StPO einen zumindest vorläufigen Erfolg.

1. Der Rüge liegt folgendes Prozessgeschehen zugrunde: Dem Angeklagten liegen u.a. ein Diebstahl und ein versuchter Diebstahl zur Last (Tatzeiten: 5. und 24.3.1999).

Nachdem der Angeklagte am ersten Verhandlungstag (2.4.2001) nach Schluss der Beweisaufnahme und den Anträgen von Staatsanwaltschaft, Verteidiger und ihm selbst das letzte Wort hatte, wurden die Hauptverhandlung unterbrochen, die Erholung eines Bundeszentralregisterauszuges für die Entlastungszeugin R. (seine Ehefrau) angeordnet und Fortsetzungstermin auf 5.4.2001 bestimmt. An diesem zweiten Verhandlungstag wurden nach erneutem Eintritt in die Beweisaufnahme der erholte Bundeszentralregisterauszug der Zeugin vom 3.4.2001 verlesen und die Beweisaufnahme erneut geschlossen. Nach dem Protokoll der Hauptverhandlung wiederholten daraufhin Staatsanwaltschaft, Angeklagter und Verteidiger die bereits gestellten Anträge. Anschließend wurde nach geheimer Beratung des Gerichts das Urteil verkündet.

Mit seiner Revision rügt der Angeklagte, dass ihm das letzte Wort vor der Urteilsverkündung nicht erneut erteilt wurde.

2. Nach den §§ 326 Satz 2 StPO und 332, 258-Abs. 3 StPO ist dem Angeklagten nach jedem Wiedereintritt in die Beweisaufnahme vor der Urteilsverkündung erneut das letzte Wort zu erteilen (BGHSt 22, 278/279; BGH NStZ 1983, 357), weil jeder Wiedereintritt in die Beweisaufnahme den vormaligen Ausführungen des Angeklagten die Bedeutung des Schlussvortrages und letzten Wortes nimmt (BGH NStZ - RR 1998,15). Die Einhaltung dieser wesentlichen Förmlichkeit kann nur durch das Protokoll bewiesen werden (BGHSt 22, 278/279). Eine Unklarheit in der Sitzungsniederschrift, wie sie ausnahmsweise eine Aufklärung des formalen Verfahrensablaufs im Freibeweis gestatten würde (BGH StV 1999, 5; OLG Hamm StV 2000, 298; KK StPO 4. Aufl. § 258 Rn. 33), oder ein auslegungsfähiger Vermerk im Protokoll (KK § 258, Rn. 17, 33) liegt hier nicht vor. Das Sitzungsprotokoll weist nicht aus, dass der Angeklagte als letzter die Möglichkeit zu seinen Ausführungen hatte. Nach dem Protokoll wurde die der Formulierung des Gesetzes entsprechende Reihenfolge(§ 326 Satz 1 StPO) eingehalten, die keinen Raum dafür lässt, anzunehmen, der Angeklagte habe noch als letzter gesprochen.

Ein Verstoß gegen das Gebot der Gewährung des letzten Wortes, begründet die Revision nicht unbedingt, sondern nur dann, wenn und soweit das Urteil auf dem Fehler beruhen kann (BGHSt 21, 289/290). Die Möglichkeit, dass der Verfahrensmangel sich auf das Urteil ausgewirkt hat, kann aber nur in besonderen Ausnahmefällen ausgeschlossen werden (BGHSt 22, 278) und zwar auch dann, wenn sich die erneute Beweisaufnahme, wie hier, nur auf einen Teilvorwurf erstreckte. Dem Angeklagten muss das letzte Wort auch dann für das Verfahren im ganzen gewährt werden (BGHSt 20, 273). Einer der von der Rechtsprechung angenommenen Ausnahmefälle kann bei erneuter Beweisaufnahme durch Verlesung einer Urkunde, die offensichtlich die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Entlastungszeugin betraf, nicht bejaht werden. Auch wenn sich die Beweisaufnahme nur auf das Tatgeschehen vom 5.3.1999 bezog, kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Angeklagte bei erneuter Erteilung des letzten Wortes auch zu den von ihm bestrittenen subjektiven Voraussetzungen hinsichtlich des Tatgeschehens vom 24.3.1999 weitere Ausführungen gemacht hätte. Ein Vortrag der Revision insoweit ist nicht erforderlich (KK § 258 Rn. 36; BGHSt 21, 288/290). Der Senat schließt jedoch aus, dass die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen des Vorfalles vom 24.3.1999 bei einer erneuten Worterteilung hätten beeinflusst werden können. Der Angeklagte hatte diese in erster Instanz eingeräumt und ist nach dem Berufungsurteil dem durch die beobachtenden Zeugen geschilderten Tatablauf "nicht entgegengetreten". Er leugnete lediglich den subjektiven Tatbestand, seine "Diebstahlsabsicht". Die im übrigen fehlerfrei getroffenen Feststellungen zum äußeren Tatbestand des Tatgeschehens am 24.3.1999 können deshalb bestehen bleiben.

Ende der Entscheidung

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