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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Urteil verkündet am 08.08.2002
Aktenzeichen: 5 St RR 202/02 a
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 283b Abs. 3
StGB § 283 Abs. 6
Zur Frage, ob zwischen Buchdelikt und objektiver Strafbarkeitsbedingung ein Zusammenhang besteht, sofern die Bilanzen noch vor Eintritt des wirtschaftlichen Zusammenbruchs des Unternehmens nachgeholt werden.
5 St RR 202/02 a, b

Tatbestand:

Die Angeklagten waren Gesellschafter und Geschäftsführer der Firma P. GmbH mit Sitz in R. Gemäß §§ 238 ff. HGB i.V.m. § 13 III GmbHG war die Firma P. GmbH verpflichtet, Bücher zu führen und Jahresabschlüsse (Bilanzen) bis spätestens 30.Juni des nachfolgenden Jahres zu erstellen.

Den Jahresabschluss für das Geschäftsjahr 1994 erledigte das Steuerberatungsbüro K. zum 12. Dezember 1995, den Jahresabschluss für das Geschäftsjahr 1995 zum 28. Juni 1996 und den Jahresabschluss für das Geschäftsjahr 1996 zum 5. November 1997.

Auf ein Anschreiben des Gläubigers R.F. vom 2.6.1998 an das Amtsgericht V. wurde von dem Amtsgericht -Konkursgericht- D. mit dem 16.6.1998 über das Vermögen der Firma P. GmbH ein Konkursverfahren eingeleitet. Mit Beschluss vom 28.9.1998 wurde der Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens kostenpflichtig abgewiesen, da keine den Kosten des Verfahrens entsprechende Masse als vorhanden angesehen wurde und ein zur Kostendeckung ausreichender Betrag nicht vorgeschossen worden war (§§ 107, 72 KO, § 91 ZPO).

In dem Konkursverfahren wurden die Jahresabschlüsse 1994 mit 1996 nicht berücksichtigt. Der mit der Erstellung des Gutachtens "zur Frage des Vorhandenseins einer die Verfahrenskosten deckenden Masse" bestellte Sequester Rechtsanwalt Dr. H.V. führte in seinem Gutachten vom 24.9.1998 aus, dass "die Geschäftsbücher, sämtlich von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt, ihm nicht zur Verfügung standen".

Beide Angeklagten gaben am 13.12.1996 als Geschäftsführer Firma P. GmbH vor dem Amtsgericht V. vertreten durch den Rechtspfleger S. in dem Verfahren M 763/96 die eidesstattliche Versicherung ab. Ein früherer Termin vom 7.10.1996, zu dem nur der Angeklagte M.P. erschienen war, wurde aufgehoben, und dem Angeklagten P. aufgegeben, zu dem nächsten Termin alle geschäftlichen Unterlagen, insbesondere eine Aufstellung aller ausstehenden Forderungen, mitzubringen. Vor Abgabe der eidesstattlichen Versicherung am 13.6.1996 wurden beide Angeklagten von dem Rechtspfleger S. dahingehend belehrt, dass sie sämtliche Forderungen der Firma P. GmbH gegen jedwede dritte Personen anzugeben hätten. Dies gelte auch für abgetretene und fällige Forderungen, soweit diese noch nicht in Rechnung gestellt seien.

Zu dem Punkt "Außenstände" übergaben die Angeklagten eine schriftliche Zusammenstellung aller ausstehenden Forderungen, fügten als Ergänzung hinzu, dass die Außenstände gemäß gleichzeitig übergebenen Sicherungsverträgen vom 4.5.1992 und 20.3.1996 global an die Personen A.P., M.P. und H.P. bis zum Betrag von 1850000,-- DM bzw. nachrangig an die Firma M. GmbH bis zum Betrag von 400000,-- DM abgetreten seien und machten die übergebenen Schriftstücke zum Gegenstand dieser eidesstattlichen Erklärung.

Die Fragen Ziffer 22 und 23 des Formulars "sonstige Forderungen, auch gepfändet oder abgetreten" beantworteten beide Angeklagte mit "nein" bzw. "keine". Tatsächlich bestanden aber am 13.12.1996 durchsetzbare Forderungen der Firma P. GmbH.

Dem Angeklagten P.M. waren am Tag der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung die Existenz und Größenordnung aller vorgenannten Forderungen bewusst. Gleiches gilt grundsätzlich auch für den Angeklagten P.H. zu dessen Gunsten aber davon ausgegangen wird, dass ihm der Bestand der Rechnung "R. Dezember 1996" nicht bekannt war. In dem genannten Rahmen haben die Angeklagten bei der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung am 13.12.1996 bewusst das Bestehen obiger Forderungen verschwiegen mit dem Ziel, die Firma P. GmbH als zahlungsunfähig darzustellen, um die Gläubiger nicht befriedigen zu müssen.

Das Schöffengericht bei dem Amtsgericht verurteilte am 7.11.2000 den Angeklagten M.P. wegen zweier tatmehrheitlicher Fälle der fahrlässigen Verletzung der Buchführungspflicht, sachlich zusammentreffend mit vorsätzlicher falscher Versicherung an Eides Statt zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr, den Angeklagten H.P. wegen zweier tatmehrheitlicher Fälle der fahrlässigen Verletzung der Buchführungspflicht, sachlich zusammentreffend mit fahrlässiger falscher Versicherung an Eides Statt zu einer Gesamtgeldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 65 DM.

Das Landgericht änderte am 17.12.2001 das amtsgerichtliche Urteil auf die Berufungen der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft dahin ab, dass beide Angeklagten je der vorsätzlichen falschen Versicherung an Eides Statt schuldig sind und hier wegen M.P. zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von neun Monaten, H.,P. zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, die Angeklagten im übrigen aber freigesprochen wurden.

Die auf den freisprechenden Teil des Urteils beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft erwies sich als unbegründet.

Gründe:

Die den Angeklagten angelasteten Tathandlungen nach 283 b Abs. 1 Nr. 3 b StGB sind gemäß § 283 b Abs. 3, 283 Abs. 6 StGB nur strafbar, wenn der Täter seine Zahlungen eingestellt hat oder über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet oder der Eröffnungsantrag mangels Masse abgewiesen worden ist.

Das Landgericht hat festgestellt, dass ein Gläubigerantrag vom 2.6.1998 auf Eröffnung des Konkursverfahrens vom Amtsgericht V. mit Beschluss vom 28.9.1998 abgewiesen wurde, "da keine den Kosten des Verfahrens entsprechende Masse als vorhanden angesehen wurde und ein zur Kostendeckung ausreichender Betrag nicht vorgeschossen worden war (§§ 107, 72 KO, 91 ZPO)". Damit liegt eine objektive Bedingung für die Strafbarkeit der verspäteten Bilanzaufstellung für die Geschäftsjahre 1994 und 1996 der P. GmbH, deren Gesellschafter und Geschäftsführer die Angeklagten zur Tatzeit waren, vor.

Der Staatsanwaltschaft ist darin zuzustimmen, dass keine kausale Verknüpfung zwischen der verspäteten Bilanzerstellung und der Ablehnung des Konkurses mangels Masse erforderlich ist. In der Rechtsprechung ist aber das grundsätzliche Erfordernis eines tatsächlichen Zusammenhangs zwischen Buchdelikt und objektiver Strafbarkeitsbedingung anerkannt. Danach müssen im Zeitpunkt des wirtschaftlichen Zusammenbruchs wenigstens noch "irgendwelche Auswirkungen" vorhanden sein, die sich als gefahrenerhöhende Folge der Verfehlung darstellen, etwa Zeitverlust durch Nachholung der Bilanzierung zwecks Dokumentation gegenüber Insolvenzverwalter und Gläubigern oder mangelndes rechtzeitiges Erkennen der bedrohlichen Geschäftslage wegen der Versäumnisse (vgl. hierzu LK/Tiedemann StGB 11. Aufl. § 283 b Rn. 14 ff., Schönke/Schröder/Stree/Heine StGB 26. Aufl. § 283 b Rn. 7, jeweils m. w. N.).

Wenn dagegen ein tatsächlicher Zusammenhang mit der Zahlungseinstellung usw. auszuschließen ist, so ist eine Tathandlung im Sinn des § 283b Abs. 1 und 2 StGB aus dem Strafbereich auszuscheiden. Das Fehlen eines solchen Zusammenhangs ist u.a. dann zu bejahen, wenn eine nicht innerhalb der gesetzlichen Frist (hier: gemäß § 42 Abs. 1 GmbHG, § 264 Abs. 1 Satz 3 HGB innerhalb der ersten sechs Monate des folgenden Geschäftsjahres) aufgestellte, mithin verspätete Bilanz noch vor Eintritt der Strafbarkeitsbedingung nachgeholt wurde (LK/Tiedemann, Schönke/Schröder/Stree/Heine aaO).

So liegt der Fall hier.

Der Antrag eines Gläubigers vom 2.6.1998 auf Eröffnung des Konkursverfahrens wurde mit Beschluss des Amtsgerichts V. vom 28.9.1998 mangels Masse abgewiesen. Der verspätete Jahresabschluss für das Geschäftsjahr 1994 wurde am 12.12.1995 nachgeholt, der verspätete Jahresabschluss für das Geschäftsjahr 1996 am 5.11.1997. Beide Bilanzen hätten daher bei der Entscheidung über die Eröffnung eines Konkurs- bzw. Insolvenzverfahrens verwertet werden können. Dass die Berücksichtigung der Bilanzen unterblieben ist, liegt nicht an der verspäteten Fertigstellung, sondern, wie die Strafkammer festgestellt hat, daran, dass der mit der Erstellung des Gutachtens zur Frage des Vorhandenseins einer die Verfahrenskosten deckenden Masse vom Amtsgericht bestellte Sequester die Jahresabschlüsse 1994 mit 1996 nicht berücksichtigte, weil die Staatsanwaltschaft die Geschäftsbücher der Firma beschlagnahmt hatte, so dass sie dem Gutachter nicht zur Verfügung standen. Anhaltspunkte, wonach sich auf den Bilanzen eine Überschuldung der P. GmbH ergeben hätte oder ohne weiteres hätte ergeben müssen, liegen nach den Feststellungen der Strafkammer nicht vor.

Damit scheidet ein Zusammenhang der verfristeten Bilanzierung mit der Abweisung des Eröffnungsantrags mangels Masse durch ddas Amtsgericht definitiv aus.

Ende der Entscheidung

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