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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 08.03.2001
Aktenzeichen: 5 St RR 26/01
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 314
StPO § 335
StPO § 341
StPO § 345
StPO § 348
Bezeichnet der Beschwerdeführer sein gegen das amtsgerichtliche Urteil eingelegte unbestimmte Rechtsmittel nicht eindeutig als Revision, so gilt es als Berufung.
BayObLG Beschluss

5 St RR 26/01

08.03.01

Tatbestand

Das Amtsgericht verurteilte den Angeklagten in dessen Anwesenheit am 19.6.2000 wegen Diebstahls zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 30 DM (§§ 242, 248 a StGB). Mit am 26.6.2000 beim Amtsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 25.6.2000 erklärte der Angeklagte: "Das Urteil vom 19.6.2000 wird angefochten." Eine nähere Bezeichnung des Rechtsmittels erfolgte nicht.

Das vollständige Urteil des Amtsgericht wurde - nach Fertigstellung des Sitzungsprotokolle am 6.7.2000 dem Angeklagten gemäß Anordnung des Gerichtsvorsitzenden vom 21.7.2000 am 26.7.2000 zugestellt.

Mit am 29.8.2000 beim Amtsgericht eingegangenem Schreiben vom selben Tag führte der Angeklagte aus, es sei "unbestimmte Anfechtung" erfolgt. Gegenüber dem zuständigen Rechtspfleger sei erklärt worden, "dass Sprungrevision eingelegt und diese bei ihm auf der Geschäftsstelle begründet werde". An der Wahrnehmung des hierfür vereinbarten Termins am 28.8.2000 sei der Angeklagte "unverschuldet verhindert" gewesen. Er werde dazu einen Wiedereinsetzungsantrag mit der Revisionsbegründung stellen. " Klargestellt... werde... hiermit vorab, dass kein Fall der Nicht-Wahl" vorliege. Der Angeklagte wolle "weiter die Revision".

Am 19.9.2000 begründete der Angeklagte seine Sprungrevision zu Protokoll der Rechtsantragstelle des Amtsgerichts; er beantragte ferner Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist sowie gegen die Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist hierzu.

Außerdem legte der Angeklagte sofortige Beschwerde ein gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 19.6.2000, mit welchem ein in der Hauptverhandlung gegen den vorsitzenden Richter gestellter Befangenheitsantrag des Angeklagten als unzulässig verworfen worden war, und beantragte wegen "unverschuldeter Versäumung" der Beschwerdefrist auch diesbezüglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Am 21.9.2000 begründete der Angeklagte erneut seine Sprungrevision zu Protokoll des Rechtspflegers auf der Rechtsantragstelle des Amtsgerichts.

Die Staatsanwaltschaft hat die Sache dem Bayerischen Obersten Landesgericht gemäß § 347 Abs. 2 StPO zur Entscheidung vorgelegt.

Sie beantragte, dem Angeklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist zu gewähren und die Revision als unzulässig zu verwerfen, weil die Begründung vom 19.9.2000 nicht ordnungsgemäß im Sinne des § 345 Abs. 2 StPO zu Protokoll der Geschäftsstelle angebracht worden sei. Die Sache wurde vom Senat an das zuständige Landgericht abgegeben.

Aus den Gründen:

Das Bayerische Oberste Landesgericht ist für die Entscheidung über die beiden Rechtsmittel des Angeklagten nicht zuständig.

Das am 26.6.2000 gegen das Urteil des Amtsgerichts vom 19.6.2000 eingelegte Rechtsmittel des Angeklagten ist als Berufung durchzuführen. Zuständig hierfür ist das Landgericht; dieses hat folglich auch über die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 19.6.2000 zu befinden (§§ 314, 28 Abs. 2 Satz 2 StPO, § 74 Abs. 3 GVG).

Das angegriffene Urteil des Amtsgerichte vom 19.6.2000 unterlag grundsätzlich sowohl der Berufung als auch der Sprungrevision (§§ 312, 335 Abs. 1 StPO). Der Angeklagte war deshalb berechtigt, dieses Urteil zunächst in unbestimmter Form anzufechten. Seinem Wesen nach war dieses unbestimmte - form- und fristgerechte (§§ 314 Abs. 1, 335 Abs. 1, 341 Abs. 1 StPO) - Rechtsmittel des Angeklagten vom 26.6.2000 jedoch von Anfang an eine Berufung (BGHSt 33, 183/189). Der Angeklagte war allerdings berechtigt, zur Revision überzugehen. Eine solche Rechtsmittelwahl unterliegt aber der Form der Revision, denn sie ist Teil der Rechtsmitteleinlegung (§ 341 Abs. 1 StPO; BGHSt 40, 395/398; BayObLGSt 1983, 93/94 und NStZ-RR 1998, 51), und kann rechtswirksam, nur bis zum Ablauf der Revisionsbegründungsfrist ausgeübt werden (BGHSt 33, 183, 188; 5, 338; 2, 63/66; BayObLGSt 1970, 158; 1971, 72/74; 1983, 93/94; Kleinknecht/ Meyer-Goßner StPO 44. Aufl. § 335 Rn. 3 ff. und KK/Kuckein StPO 4. Aufl. § 335 Rn. 3 ff., jeweils m.w.N.).

Ist innerhalb der Revisionsbegründungsfrist keine formgerechte Erklärung erfolgt, verbleibt es bei der Berufung. Das Recht des Angeklagten, zwischen den beiden gesetzlich zunächst statthaften Anfechtungsmöglichkeiten zu wählen, geht mit Ablauf der Revisionsbegründungsfrist endgültig unter. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit dem Ziel der Revisionswahl ist generell ausgeschlossen, denn das Unterbleiben eines fristgerechten Übergangs zur Revision hat lediglich zu Folge, dass damit das zunächst unbenannt eingelegte, deshalb aber ohnehin von vornherein als Berufung anzusehende Rechtsmittel nunmehr endgültig als Berufung feststeht. Der Rechtsmittelführer hat folglich mit dem Unterlassen eines fristgerechten Rechtsmittelübergangs keine eigenständige, einer selbständigen Frist unterliegende Prozesshandlung versäumt, gegen die allenfalls Wiedereinsetzung gewährt werden könnte. Für eine Wiedereinsetzung besteht auch kein Rechtsschutzbedürfnis, weil dem Angeklagten mit der Berufung (und anschließend eventuell zusätzlich der Revision) das Recht zu einer umfassenden Überprüfung des angefochtenen Urteils verbleibt (BayObLGSt 1970, 158/159; OLG Köln NSU 1994, 199/200; OLG Hamm NSU 1991, 601; OLG Düsseldorf MDR 1991, 78; 1985, 518; OLG Zweibrücken MDR 1985, 517; KK/Kuckein § 335 Rn. 6 und Kleinknecht/Meyer-Goßner § 335 Rn. 8, jeweils m.w.N.).

Der Angeklagte hat innerhalb der in vorliegender Sache mit dem 28.8.2000 abgelaufenen Revisionsbegründungsfrist (§§ 345 Abs. 1, 43 Abs. 2 StPO) nach Aktenlage keine der Form des § 341 Abs. 1 StPO entsprechende Erklärung zur Rechtsmittelwahl abgegeben. Die Bezeichnung seines Rechtsmittels vom 26.6.2000 als Sprungrevision erfolgte in der Form des § 341 Abs. 1 StPO nach Aktenlage erstmals mit dem am 29.8.2000 beim Amtsgericht eingegangenen Schreiben vom selben Tag. Diese Übergangserklärung ist somit verspätet und folglich rechtsunwirksam.

Das Rechtsmittel des Angeklagten vom 26.6.2000 ist deshalb als Berufung durchzuführen (BGHSt 33, 183/188; BayObLGSt 1969, 93/95).

Die auf die Revisionsbegründungsfrist und Wiedereinsetzungsfristen hierzu gerichteten Wiedereinsetzungsanträge des Angeklagten sind folglich gegenstandslos (BayObLGSt 1970, 158/159); es kann ferner dahingestellt bleiben, ob die Revisionsbegründungen vom 19. bzw. 21.9.2000 den formellen Anforderungen gemäß § 345 Abs. 2 StPO entsprechen.

Zuständig für die Durchführung der Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichte vom 19.6.2000 ist das Landgericht (§ 74 Abs. 3 GVO), in dessen Zuständigkeit folglich gemäß § 28 Abs. 2 Satz 2 StPO auch das Verfahren über die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 19.6.2000 fällt.

In entsprechender Anwendung des § 348 Abs. 1, Abs. 2 StPO hatte das Bayerische oberste Landesgericht deshalb - ohne mündliche Verhandlung und ohne vorherige Anhörung der Beteiligten (KK/Kuckein § 348 Rn. 2 und Kleinknecht/Meyer-Goßner § 348 Rn. 5) - sich für unzuständig zu erklären, das Landgericht als das für die Durchführung der Berufung und des Verfahrens über die sofortige Beschwerde des Angeklagten zuständige Gericht zu bezeichnen und die Sache dorthin abzugeben (BGHSt 40, 395/397; 31, 183/184; BayObLGSt 1962, 166; 1971, 22/24; 1977, 102/103; 1983, 93/95).

Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst.

Ende der Entscheidung

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