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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 29.01.2003
Aktenzeichen: 5 St RR 8/03
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 263 Abs. 1
1. Zum Vermögensschaden i.S.d. § 263 StGB bei Nichteinhaltung der in einem Prozessvergleich versprochenen Leistungen.

2. Ein täuschungsbedingter Vermögensschaden bei Abschluss eines Prozessvergleichs liegt nur dann vor, wenn sich nach einem Vergleich des Vermögens des Geschädigten vor und nach dem Abschluss des Prozessvergleichs eine Minderung des Vermögens ergibt. Dies kommt dann in Betracht, wenn die klageweise geltend gemachten Ansprüche wirtschaftlich werthaltig waren und durch den Abschluss des Vergleichs sich deren Realisierungsmöglichkeiten verschlechtert haben. Für den Vermögensschaden ist das zu berücksichtigen, was der Geschädigte zum Zeitpunkt der Vermögensverfügung (Vergleichsabschluss) "aufgegeben" und "erhalten" hat. Bei von vornherein beabsichtigter Nichterfüllung der aus dem täuschungsbedingten Vergleich geschuldeten Leistung liegt, wenn diese nicht erbracht wird, kein weiterer (selbständiger) Vermögensschaden vor.


Gründe:

I.

Das Amtsgericht Deggendorf verurteilte die Angeklagte am 17.10.2002 wegen Betrugs zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen á 18 Euro.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Angeklagte mit ihrer Revision, mit der sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.

II.

Die (Sprung-)Revision der Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg, so dass es einer Entscheidung über die Verfahrensrüge unabhängig von deren Zulässigkeit nicht bedarf.

1. Die Staatsanwaltschaft bei dem Bayerischen Obersten Landesgericht hat in ihrer Antragsbegründung vom 13.1.2003 ausgeführt:

Nach den Feststellungen hat die Angeklagte in einem Mietrechtsstreit am 13.12.2001 vor dem Amtsgericht Deggendorf einen Vergleich geschlossen. Im Rahmen des Vergleiches hat sich die Angeklagte zu Mietrestzahlungen und zur Räumung verpflichtet. Vorgefasster Absicht entsprechend kam sie nach den Feststellungen ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nach.

Das Urteil ist bereits deswegen aufzuheben, weil es die Einlassung der Angeklagten nicht mitteilt. Das Revisionsgericht kann somit nicht nachprüfen, ob die Überzeugung des Tatgerichts auf tragfähigen Erwägungen beruht (BGH NStZ-RR 1999/45). Auf die Wiedergabe der Einlassung und deren Würdigung anhand der erhobenen Beweise konnte im konkreten Falle auch nicht wegen einfacher Sach- und Beweislage verzichtet werden (BGH bei Dallinger, MDR 1975/198; OLG Köln VRS 87/205 ff.; OLG Düsseldorf NStZ 1985/323).

Dem tritt der Senat bei.

2. Ergänzend ist anzumerken, dass das Urteil auch keine nachvollziehbaren Ausführungen zum Eintritt eines Vermögensschadens aufgrund der täuschungsbedingten Vermögensverfügung enthält.

Betrug ist eine Vermögensstraftat. Nicht die Täuschung an und für sich, auch wenn sie zu einer Vermögensverfügung führt, sondern die vermögensschädigende Täuschung ist strafbar (ständige Rechtsprechung BGHSt 16, 220/221; 321/325). Ein Vermögensschaden liegt nur dann vor, wenn bei einem Vergleich des Vermögens vor und nach der täuschungsbedingten Vermögensverfügung sich eine Minderung des Vermögenswertes ergibt (Tröndle/Fischer StGB 51. Aufl. § 263 Rn. 70 ff.). Eine vermögensschädigende Vermögensverfügung kann zwar auch in dem Abschluss eines Prozessvergleichs liegen (vgl. BayObLG JR 1969, 307 ff.), zu einem Vermögensschaden führt sie aber nur dann, wenn sich durch die Nichtgeltendmachung der klageweise zunächst erhobenen Ansprüche deren Realisierungsmöglichkeit verschlechtert hat (Tröndle/Fischer Rn. 43).

Bei der hier vorliegenden Sachlage, nämlich der Abwehr von klageweise geltend gemachten Ansprüchen setzt die Feststellung eines Vermögensschadens demnach zunächst eine Auseinandersetzung mit der Berechtigung der Ansprüche und deren Werthaltigkeit voraus (LK/Tiedemann 11. Aufl. StGB § 263 Rn. 103, 229).

Erst danach kann untersucht werden, ob durch den Abschluss des Vergleichs eine weitere Verschlechterung der Vermögenslage eingetreten ist, etwa dadurch, dass die erfolgversprechende weitere Verfolgung des Anspruchs dadurch vereitelt wurde. War die Bonität des Anspruchs schon zuvor schlecht, so kommt es darauf an, ob sich die Aussichten der Realisierbarkeit weiter verschlechtert haben (LK Rn. 229).

Daran ändert sich auch insoweit nichts, als ein Prozessvergleich wegen seiner Doppelwirkung als privatrechtlicher Vertrag die Rechtsbeziehungen der Parteien auf eine neue Grundlage stellt (BayObLG aaO). Ein Schaden liegt nur dann vor, wenn der Getäuschte durch das Aufgeben etwaiger Rechtspositionen nach wirtschaftlicher Sicht mehr hingegeben hat, als er durch den Vergleich erhalten hat. Das bloße Ausbleiben der Vermögensmehrung, falls die Ansprüche schon vor Abschluss des Vergleichs wertlos oder nicht begründet waren, stellt keinen Vermögensschaden im Sinne des Betrugstatbestandes dar. Zwar hat der Getäuschte durch den Abschluss des gerichtlichen Vergleichs eine durchsetzbare Rechtsposition erlangt, die in der Regel wirtschaftlichen Vermögenswert hat, jedoch hat er diese erst durch den Vergleich erlangt. Die vorangegangene Täuschung ist für einen Vermögensschaden hinsichtlich dieses Vergleichsanspruchs selbst nicht mehr unmittelbar kausal. Für den Vermögensschaden ist nur das zu berücksichtigen, was der Getäuschte - wirtschaftlich werthaltig - aufgegeben hat.

3. Wegen der aufgezeigten Rechtsmängel ist das amtsgerichtliche Urteil mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben (§ 353 StPO) und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Deggendorf zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 Satz 1 StPO).

4. Die Entscheidung ergeht gemäß § 349 Abs. 4 StPO. § 263 Abs. 1Stichworte: Prozessvergleich; Vermögens § 263 StGB bei Nichteinhaltung der in einem Prozess § 349 Abs. 4 StPO.

Ende der Entscheidung

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