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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 02.12.2005
Aktenzeichen: 1 AR 70/05
Rechtsgebiete: FGG, BGB


Vorschriften:

FGG § 46 Abs. 1 Satz 1
FGG § 46 Abs. 2 Satz 1
FGG § 75 Satz 2
BGB § 1960 Abs. 1
BGB § 1961
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

1 AR 70/05 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Nachlasspflegschaft

betreffend den Nachlass des am 4. Juni 2005 mit letztem Wohnsitz in B... verstorbenen H... L...

hat der 1. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch

den Richter am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und den Richter am Amtsgericht ...

am 2. Dezember 2005

beschlossen:

Tenor:

Zuständig ist das Amtsgericht Oranienburg.

Gründe:

I.

Die eine Nachlasspflegschaft beantragende Gläubigerin berühmt sich verschiedener Rückgewähransprüche wegen dem Erblasser gewährter Darlehen. Sie verfügt über die vollstreckbare Ausfertigung wenigstens einer notariellen Urkunde, in der sich der Erblasser wegen einer Buchgrundschuld der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat. Diese Grundschuld lastet auf einem dem Erblasser zur ideellen Hälfte gehörenden Grundstück, das im Bezirk des Amtsgerichts O... belegen ist. Zudem ist die Gläubigerin die Inhaberin diverser weiterer Buchgrundschulden, die überwiegend auf im Bezirk des Amtsgerichts O... belegenen, dem Erblasser zur ideellen Hälfte bzw. zur gesamten Hand gehörendem Grundeigentum lasten. Auch das übrige bekannte Vermögen des Erblassers befindet sich im Land Brandenburg. Demgegenüber ist von Nachlassgegenständen am letzten Wohnsitz des Erblassers in B... nichts bekannt. Die bekannten gewillkürten und gesetzlichen Erben des Erblassers haben die Erbschaft ausgeschlagen. Die Gläubigerin hat bekundet, ihre Ansprüche gerichtlich geltend machen zu wollen.

Das als Gericht des letzten Wohnsitzes des Erblassers angerufene Amtsgericht B... hat das Amtsgericht O... um Zustimmung zur Übernahme der Nachlasspflegschaft ersucht. Das Amtsgericht O... hat die Zustimmung mit der Begründung verweigert, dass ein Sicherungs- und Fürsorgebedürfnis für den in seinem Bezirk belegenen Nachlass nicht bestehe (aufgrund der Anordnung der Pflegschaft lediglich im Gläubigerinteresse und mangels Alleineigentums des Erblassers). Daraufhin hat das Amtsgericht B... das Verfahren dem Brandenburgischen Oberlandesgericht zur Entscheidung über die Abgabe vorgelegt.

II.

1. Das Brandenburgische Oberlandesgericht hat nach § 75 Satz 2, § 46 Abs. 2 Satz 1 FGG über die Frage zu entscheiden, ob das an das Amtsgericht O... gerichtete Übernahmeersuchen des Amtsgerichts B... gerechtfertigt ist. Denn die Nachlasspflegschaft soll an das Amtsgericht O... abgegeben werden, das zum Bezirk des Brandenburgischen Oberlandesgerichts gehört.

2. Die sachlichen Voraussetzungen für die Bestellung eines Nachlasspflegers gemäß §§ 1961, 1960 Abs. 1 BGB liegen vor. Die Erben sind unbekannt. Die antragstellende Gläubigerin hat ein berechtigtes Interesse an der Nachlasspflegschaft, weil sie ihre Ansprüche schlüssig und substantiiert dargelegt hat (vgl. Klingelhöffer, Vermögensverwaltung in Nachlasssachen, 2002, § 1961 BGB Rdnr. 78). Davon abgesehen genügt es für die Pflegerbestellung, dass es ihrer zur Durchführung der Zwangsvollstreckung bedarf (§ 778 Abs. 1 ZPO; OLG Oldenburg, RPfl 1984, 102; Zöller/Stöber, ZPO, 25. Aufl. 2005, § 778 Rdnr. 6; Klingelhöffer, a. a. O., Rdnr. 79).

3. Das an das Amtsgericht O... gerichtete Übernahmeersuchen des Amtsgerichts B... ist gerechtfertigt, weil sich der wesentliche Nachlass im Bezirk des ersuchten Gerichts befindet. Ein wichtiger Grund für die Abgabe im Sinne von § 75 Satz 2, § 46 Abs. 1 Satz 1 FGG liegt namentlich vor, wenn der Nachlass hauptsächlich aus Grundstücken in einem anderen Bezirk besteht (vgl. Jansen, FGG, 2. Aufl. 1970, § 75 Rdnr. 3; Keidel/Kuntze/ Winkler, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 15. Aufl. 2005, § 75 Rdnr. 6). Das Amtsgericht B... hat bei dem Übernahmeersuchen ferner ermessensfehlerfrei auf das Auseinanderfallen von Belegenheitsort und letztem Wohnsitz des Erblassers abgestellt. Angesichts der räumlichen Entfernung zwischen B... und dem Bezirk des Amtsgerichts O... erscheint eine Bestellung des Nachlasspflegers durch das Amtsgericht B... in der Tat unzweckmäßig, weil dadurch die Wahrnehmung seiner weitreichenden Pflichten und Befugnisse bei der Begleitung der Pflegschaft erschwert würde (§ 1962, § 1915 Abs. 1, §§ 1828-1831, 1837, 1846 BGB).

Der Berechtigung des Übernahmeersuchens steht nicht entgegen, dass es für die Bestellung eines Nachlasspflegers im Falle des § 1961 BGB auf das Erfordernis eines berechtigten Interesses des Gläubigers (siehe oben 2.) ankommt. Das Amtsgericht O... verkennt, dass der Pfleger auch dann die Sicherung des Nachlasses zu besorgen hat, wenn die Pflegschaft nicht aus diesem Rechtsgrund angeordnet worden ist. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Nachlasspflegschaft nicht eine Pflegschaft für den Nachlass als Vermögensmasse, sondern eine Personenpflegschaft für den oder die unbekannten Erben ist (statt vieler Klingelhöffer, a. a. O., § 1960 BGB Rdnrn. 36, 72). Daraus folgt des Weiteren, dass die Mitberechtigung eines Dritten an den Grundstücken unerheblich ist. Dieser mag aus eigenem Antrieb für die gegenständliche Sicherung des Nachlasses sorgen. Die über diesen Teilaspekt hinaus reichenden Sicherungsinteressen des oder der Erben vermag nur der Nachlasspfleger (gegebenenfalls auch gegen den mitberechtigten Dritten) wirksam zu vertreten.

Ende der Entscheidung

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