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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 10.06.2009
Aktenzeichen: 1 Ss 21/09
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 345 Abs. 2
Nach § 345 Abs. 2 StPO kann die Revision - außer durch Einreichung einer von dem Verteidiger oder einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift - wirksam nur durch eine zu Protokoll der Geschäftsstelle desjenigen Gerichts, dessen Entscheidung angefochten worden ist, erklärt werden - nicht dagegen zu Protokoll irgendeines deutschen Gerichts.
Tenor:

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der 4. kleinen Strafkammer des Landgerichts Neuruppin vom 11. November 2008 wird als unzulässig verworfen.

Der Angeklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens und die ihm in diesem erwachsenen notwendigen Auslagen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Oranienburg hat gegen den Angeklagten mit Urteil vom 29. Mai 2008 wegen Beleidigung in elf Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Verleumdung und in einem Fall in Tateinheit mit versuchter Nötigung, in Tatmehrheit mit versuchter Nötigung in zwei Fällen und in Tatmehrheit mit einer Nachstellung eine Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 10,-- € verhängt. Gegen diese Entscheidung haben sowohl der Angeklagte am 30. Mai 2008 als auch die Staatsanwaltschaft Neuruppin - ihrerseits zuungunsten des Angeklagten und auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt - am 04. Juni 2008 Berufung eingelegt.

Mit dem im Tenor genannten Urteil hat die 4. kleine Strafkammer des Landgerichts Neuruppin die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft als unbegründet verworfen. Ausweislich des Protokolls der in Anwesenheit des Angeklagten und seines Verteidigers stattfindenden Hauptverhandlung ist der Angeklagte mündlich und schriftlich durch Aushändigung eines entsprechenden Formblatts (Vordruck 81) über das Rechtsmittel der Revision belehrt worden.

Gegen das am 11. November 2008 verkündete Urteil hat der Angeklagte noch am selben Tage mit handschriftlich gefertigtem und an das Landgericht Neuruppin gerichtetem Schreiben, dort eingegangen am 12. November 2008, Revision eingelegt. Nach Zustellung des schriftlichen Urteils an seinen Verteidiger am 05. Februar 2009 bei gleichzeitiger formloser Übersendung einer Urteilsausfertigung an den Angeklagten ist dieser am 17. Februar 2009 auf der Geschäftsstelle des Amtsgerichts Neuruppin erschienen und hat dort seine Revisionsbegründung zu Protokoll gegeben. Einen Tag später ist die protokollierte Revisionsbegründung auf Veranlassung der aufnehmenden Rechtspflegerin an das - vom Amtsgericht wenige Gehminuten entfernte - Landgericht Neuruppin weitergeleitet worden.

Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg hat in ihrer Stellungnahme vom 10. März 2009 die Verwerfung der Revision als unzulässig beantragt, weil der Angeklagte mit seiner Revision ausschließlich die Beweiswürdigung im angefochtenen Urteil angreife. Auf diese dem Verteidiger des Angeklagten mit Gelegenheit zur Erklärung zur Kenntnis gebrachte Stellungnahme ist keine Erwiderung erfolgt.

Zur Frage der Zulässigkeit ist dem Angeklagten im Weiteren nochmals rechtliches Gehör gewährt worden. Mit gerichtlichem Schreiben vom 25. Mai 2009, dem Verteidiger - bei zeitgleicher formloser Übersendung einer Abschrift an den Angeklagten - am 02. Juni 2009 zugestellt, hat der Senat darauf hingewiesen, dass seinerseits Bedenken gegen die formgerechte Anbringung der Revisionsbegründung bestünden, weil diese nach Aktenlage zu Protokoll der Geschäftsstelle des hierfür unzuständigen Amtsgerichts Neuruppin angebracht worden sei.

Hierauf hat der Angeklagte persönlich mit seinem Schreiben vom 02. Juni 2009, beim Oberlandesgericht eingegangen am 05. Juni 2009, vorgetragen, dass er die Revision korrekt eingelegt und auch "die Rechtsantragsstelle des Landgerichts Neuruppin" im Winter 2009 seine Revision "für Recht erhalten" und zum Oberlandesgericht weitergeleitet habe.

II.

Die Revision des Angeklagten ist unzulässig.

Zwar hat der Angeklagte rechtzeitig in der hierfür ausreichenden Schriftform bei dem Landgericht Neuruppin, welches das angefochtene Urteil erlassen hat, Revision eingelegt (§ 341 Abs. 1 StPO). Jedoch ist die Revisionsbegründung nicht rechtswirksam erfolgt.

Nach § 345 Abs. 2 StPO kann die Revision - außer durch Einreichung einer von dem Verteidiger oder einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift - wirksam nur durch eine zu Protokoll der Geschäftsstelle desjenigen Gerichts, dessen Entscheidung angefochten worden ist, erklärt werden - nicht dagegen zu Protokoll irgendeines deutschen Gerichts.

Bestätigt wird dies durch die - andernfalls überflüssige - ausdrückliche Vorschrift des § 299 StPO, wonach ein nicht auf freiem Fuß befindlicher Angeklagter Erklärungen in Bezug auf ein Rechtsmittel auch zu Protokoll der Geschäftsstelle des für seinen Verwahrungsort örtlich zuständigen Amtsgerichts abgeben kann. In allen anderen Fällen ist es nicht möglich, die Revision wirksam zu Protokoll der Geschäftsstelle eines anderen Gerichts als desjenigen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, zu begründen (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 51. Aufl., § 345 Rn. 19; BayObLG, Beschluss vom 12. März 1999 - 1 St RR 38/99 -; KG, Beschluss vom 21. Juni 1999 - (3) 1 Ss 319/98 (51/99) - jew. m.w.N., bei juris).

Dem dargelegten zwingenden Formerfordernis, auf dessen Einhaltung zu verzichten die Gerichte nicht befugt sind, genügt die vom Angeklagten zu Protokoll der Rechtspflegerin bei dem Amtsgericht Neuruppin abgegebene Erklärung nicht. Vielmehr wäre die Geschäftsstelle des Landgerichts Neuruppin, dessen Entscheidung angefochten worden ist, zuständig gewesen. Auch ist die Revisionsbegründung nicht dadurch wirksam geworden, dass das Protokoll innerhalb der Begründungsfrist beim zuständigen Landgericht Neuruppin eingegangen ist (vgl. KG a.a.O. m.w.N.).

Für den Senat besteht zudem kein Anlass, dem anwaltlich vertretenen Angeklagten, der bis dato trotz rechtlichen Gehörs keinen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt hat, durch Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Amts wegen Gelegenheit zur Nachholung einer formgerechten Begründung seiner Revision zu geben.

Soweit in der Rechtsprechung ausnahmsweise eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt wurde (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 29. Mai 2005 - 83 Ss-Owi 37/05 -; OLG SH, Beschluss vom 04. Oktober 2000 - 2 Ss Owi 264/00 - jew. m.w.N., bei juris), handelt es sich um Fälle, in denen die Revisionsbegründung statt vom Rechtspfleger von einem dazu nicht befugten Justizangestellten aufgenommen wurde, mit der Folge, dass dieses justizinterne Versehen dem Angeklagten nicht als Verschulden zuzurechnen war. Davon kann im vorliegenden Fall nicht die Rede sein, wenn sich der laut Protokoll über die Hauptverhandlung vom 11. November 2008 mündlich und schriftlich über die Rechtsmitteleinlegung belehrte und zudem anwaltlich vertretene Angeklagte von sich aus statt an den Rechtspfleger bei dem Landgericht Neuruppin an die unzuständige Rechtspflegerin des Amtsgerichts Neuruppin wendet. Unabhängig von einem eventuellen (Mit-)Verschulden der Rechtspflegerin beim Amtsgericht Neuruppin durch Nichthinweis auf ihre Unzuständigkeit hat der über die Förmlichkeiten einer Rechtsmitteleinlegung hinreichend belehrte Angeklagte die rechtsunwirksame Revisionsbegründung - im Unterschied zur vorgenannten Fallkonstellation - auch selbst zu vertreten (vgl. BayObLG a.a.O.; BGH NStZ 1995, 352 f.).

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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