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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 13.10.2008
Aktenzeichen: 1 U 2/08
Rechtsgebiete: BGB, GG


Vorschriften:

BGB § 31
BGB § 89
BGB § 249
BGB § 253 Abs. 2
BGB § 254 Abs. 1
BGB § 286 Abs. 1
BGB § 286 Abs. 2 Nr. 3
BGB § 288 Abs. 1
BGB § 291
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 833
BGB § 833 S. 1
BGB § 833 S. 2
BGB § 839
BGB § 839 Abs. 1 S. 1
BGB § 839 Abs. 1 S. 2
GG Art. 34
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor: 1. Auf die Berufung der Klägerin wird das am 23. November 2007 verkündete Urteil des Landgerichts Potsdam - 4 O 90/07 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte zu 2.) wird verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 300,00 € und weitere 12,50 € jeweils nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 28. Juli 2006 sowie weitere 34,31 € nebst 5% Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 5. Januar 2007 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Gerichtskosten die Klägerin zu 3/4 und der Beklagte zu 2.) zu 1/4 . Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1.) in voller Höhe und die des Beklagten zu 2.) zur Hälfte. Der Beklagte zu 2.) trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 1/4. Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

3. Das Urteil ist vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand: A.

Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Schmerzensgeld und Schadensersatz wegen Bissverletzungen in Anspruch, die sie bei einer Beißerei zwischen ihrem Rottweilermischling und einem von dem Beklagten zu 1.) geführten Schäferhund am 12. Juni 2006 erlitten hat. Der Beklagte zu 1.) ist Polizeibeamter im Dienst des beklagten Landes zu 2.). Bei dem Schäferhund handelt es sich um einen Diensthund, mit dem der Beklagte zu 1.) zum Zeitpunkt des Vorfalls während seiner Freizeit spazieren ging.

Das Landgericht hat eine Amtspflichtverletzung verneint und die Klage mit dieser Begründung abgewiesen. Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten wird im Übrigen auf die Feststellungen im angefochtenen Urteil (Tatbestand) verwiesen, wobei die Beklagten die Arztbesuche der Klägerin und die anlässlich dieser Besuche dokumentierten Befunde in der Berufungsinstanz unstreitig gestellt haben.

Entscheidungsgründe: B.

Die zulässige, insbesondere frist- und formgerecht eingelegte und begründete Berufung hat in der Sache teilweise Erfolg: Die Klägerin hat gegen den Beklagten zu 2.) einen Anspruch auf Schmerzensgeld und Schadensersatz in Höhe von insgesamt 346,81 €.

I. Das beklagte Land ist der Klägerin als Halter des von dem Beklagten zu 1.) geführten Diensthundes wegen der von ihr erlittenen Verletzungen gemäß § 833 S. 1 BGB i.V.m. §§ 249, 253 Abs. 2 BGB zum Ersatz des ihr entstandenen immateriellen und materiellen Schadens verpflichtet. Ob das beklagte Land daneben auch aufgrund einer Haftungsübernahme gemäß § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG haftet, da der Beklagte zu 1.) beim Ausführen des Diensthundes aufgrund seiner dienstlichen Obhutspflichten in Ausübung eines öffentlichen Amtes handelte (vgl. BGH, Beschluss vom 25. November 1999, Az. III ZR 123/99, zitiert nach juris RN 3, für die häusliche Verwahrung von Dienstwaffen), kann daher im Ergebnis offen bleiben.

1. Der Beklagte zu 2.) ist Halter des Diensthundes im Sinne des § 833 S. 1 BGB. Tierhalter im Sinne dieser Regelung ist, wer die Bestimmungsmacht über das Tier hat, aus eigenem Interesse für die Kosten des Tieres aufkommt, den allgemeinen Wert und Nutzen des Tieres für sich in Anspruch nimmt und das Risiko seines Verlustes trägt (Palandt-Thomas, BGB, 67. Aufl., § 833 Rn 9). Zwar wird der Diensthund von dem Beklagten zu 1.) betreut und beaufsichtigt. Dies geschieht jedoch nicht aus eigenem Interesse, sondern im Zusammenhang mit der dienstlichen Tätigkeit des Beklagten zu 1.). Auch den Wert und Nutzen des Tieres nimmt nicht der Beklagte zu 1.) persönlich für sich in Anspruch, sondern sein Dienstherr, der Beklagte zu 2.). Der Dienstherr ist daher als Halter eines Diensthundes anzusehen (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 1972, Az. III ZR 32/70, zitiert nach juris RN 13).

2. Die Klägerin ist durch den Diensthund verletzt worden. Dabei hat sich entgegen der vom Landgericht im angefochtenen Urteil vertretenen Auffassung auch in klassischer Weise die auf der Unberechenbarkeit tierischen Verhaltens beruhende Tiergefahr verwirklicht.

3. Den Entlastungsbeweis gemäß § 833 S. 2 BGB hat der Beklagte zu 2.) nicht zu führen vermocht.

a) Zwar handelt es sich bei dem Diensthund um ein Haustier, das dem "Beruf" des Tierhalters im Sinne dieser Regelung zu dienen bestimmt ist. Ein Tier, das von einer juristischen Person gehalten wird, dient dann dem "Beruf" des Halters und fällt damit unter § 833 S. 2 BGB, wenn es dazu bestimmt ist, dem Aufgabenbereich der juristischen Person zu dienen (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 1972, Az. III ZR 32/70, zitiert nach juris RN 13). Der Diensthund dient den Aufgaben der Polizei des Landes B... und damit auch den Aufgaben des Beklagten zu 2.).

b) Jedoch ist der insoweit beweisbelastete Beklagte zu 2.) dafür beweisfällig geblieben, dass er bei der Beaufsichtigung des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet hat oder der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden wäre (vgl. zur Beweislastverteilung OLG Hamm, Urteil vom 21. März 1997, Az. 11 U 179/96, zitiert nach juris). Das Verhalten des Beklagten zu 1.) als Diensthundeführer muss sich der Beklagte zu 2.) gemäß §§ 31, 89 BGB zurechnen lassen. Da der Geschehensablauf zwischen den Parteien streitig ist, steht nicht fest, dass der Beklagte zu 1.) - wie von ihm behauptet - den Diensthund am Halsband festhielt und der Angriff von dem Hund der Klägerin ausging. Vielmehr ist offen, ob sich der Vorfall in dieser Weise zutrug oder ob die Beißerei - wie von der Klägerin behauptet - dadurch zustande kam, dass beide Hunde unangeleint waren, sich aufeinander stürzten und ineinander verbissen. In der zweiten Variante wäre dem Beklagten zu 1.) ein fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen, da die Beißerei der Hunde dann auch darauf zurückzuführen wäre, dass er den Diensthund nicht angeleint oder in anderer Weise unter Kontrolle hatte, sodass dieser sich seinerseits auf den unangeleinten Hund der Klägerin stürzen konnte. Ein Hundeführer muss jedoch jederzeit in der Lage sein, den Hund soweit von anderen fern zu halten, dass er diese nicht gefährden kann (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 21. Februar 1994, Az. 6 U 225/92, zitiert nach juris RN 35). Diese Sorgfaltspflichtverletztung wäre auch als adäqat kausal für die Bissverletzungen anzusehen, die sich die Klägerin dann bei dem Versuch, die Hunde zu trennen, zuzog. Für den von ihm behaupteten Geschehensablauf hat der Beklagte zu 2.) keinen Beweis angeboten.

4. Der Klägerin ist durch die infolge der Bissverletzungen erforderliche ärztliche Behandlung ein Schaden i.H.v. 25,00 € entstanden (2 x 10,00 € Praxisgebühr sowie 5,00 € als Zuzahlung für ein Antibiotikum). Daneben besteht dem Grunde nach auch ein Anspruch auf Erstattung der vorprozessual entstandenen Rechtsanwaltskosten (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Januar 2008, Az. VIII ZB 57/07, zitiert nach juris) sowie auf eine billige Entschädigung für die erlittenen immateriellen Schäden.

5. Die Klägerin muss sich jedoch die von ihrem eigenen Hund ausgehende, für den Schaden mitursächliche Tiergefahr und ihr eigenes mitwirkendes Verschulden gemäß § 254 Abs. 1 BGB (analog) im Rahmen des materiellen Schadensersatzes mit 50 % anrechnen lassen, sodass sich die Verpflichtung zum Schadensersatz hinsichtlich der ärztlichen Behandlung auf 12,50 € und hinsichtlich der vorprozessual entstandenen Rechtsanwaltskosten auf 34,31 € reduziert.

Nach ihrem eigenen Vorbringen führte die Klägerin ihren Rottweiler nicht an der Leine, weswegen er sich auf den Hund des Beklagten zu 1.) stürzen und es zu der Beißerei der beiden Hunde kommen konnte. Darüber hinaus hat die Klägerin bei dem Versuch, die Tiere zu trennen, sich selbst freiwillig der Gefahr von Bissverletzungen ausgesetzt. Soweit die Beklagten weiter behaupten, die Klägerin habe von vorne zwischen die Hunde gegriffen, sind sie diesbezüglich beweisbelastet, ohne über ein Beweismittel hierfür zu verfügen. Es ist daher auch für die Frage des Mitverschuldens davon auszugehen, dass beide Hunde unangeleint waren, sich ineinander verbissen haben und die Klägerin bei dem Versuch, ihren Hund zurückzuziehen, gebissen worden ist. Bei dieser Sachlage erscheint es angemessen, die Klägerin ihrerseits mit einer Quote von 50 % zu belasten (vgl. Hanseat. OLG Hamburg, ZfS 97, 171; OLG Frankfurt a.M., RuS 1993, 376).

6. Für die von der Klägerin erlittenen Verletzungen ist in Anbetracht dieses Mitverschuldens sowie unter Berücksichtigung der Schwere der Verletzungen und der Dauer und Intensität der dadurch hervorgerufenen Beeinträchtigungen eine Entschädigung i.H.v. 300,00 € als angemessen anzusehen.

7. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1 u. 2 Nr. 3, 288 Abs. 1, 291 BGB.

II. Dagegen besteht kein Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten zu 1.).

Ein Anspruch gemäß § 839 Abs. 1 S. 1 BGB gegen den Beklagten zu 1.) scheidet - unabhängig davon, ob dieser in Ausübung eines öffentlichen Amtes gehandelt hat - aus, sodass dies auch hier dahinstehen kann. Sofern der Beklagte zu 1.) in Ausübung eines öffentlichen Amtes gehandelt hat, scheitert seine Inanspruchnahme an der gesetzlichen Haftungsübernahme durch die Anstellungskörperschaft gemäß Art. 34 S. 1 GG. Anderenfalls scheitert die Inanspruchnahme jedenfalls an der anderweitigen Ersatzmöglichkeit gemäß § 839 Abs. 1 S. 2 BGB. Denn der Klägerin steht bereits gegen den Beklagten zu 2.) als Hundehalter gemäß § 833 S. 1 BGB ein Anspruch auf Ersatz ihrer materiellen und immateriellen Schäden zu (siehe Ziffer I.). Sie vermag mithin auch auf andere Weise Ersatz zu erlangen, sodass der Beklagte zu 1.) wegen einer etwaigen fahrlässigen Amtspflichtverletzung gemäß § 839 Abs. 1 S. 2 BGB nicht in Anspruch genommen werden kann.

Darüber hinaus lässt sich auch eine schuldhafte Amtspflichtverletzung des Beklagten zu 1.) nicht feststellen. Da der Beklagte zu 1.) nicht als Halter des Hundes im Sinne des § 833 BGB angesehen werden kann (siehe Ziffer I. 1.), kommt eine Haftung des Beklagten nur im Falle eines schuldhaften Verhaltens in Betracht und die Regelung des § 833 S. 2 BGB findet hier keine Anwendung. Die Klägerin trägt daher im Verhältnis zum Beklagten zu 1.) für den von ihr behaupteten Geschehensablauf, der ein Verschulden des Beklagten zu 1.) begründen könnte, die Beweislast, ohne dass sie hierfür ein taugliches Beweismittel angeboten hätte. Das von ihr als Beweismittel angebotene Sachverständigengutachten ist nicht geeignet, einen Beweis dafür zu erbringen, wie sich der Beklagte zu 1.) unmittelbar vor und während der Beißerei der Hunde verhalten hat. Es ist daher im Rahmen der Haftung gemäß § 839 BGB davon auszugehen, dass er - wie von ihm vorgetragen - den Diensthund am Halsband festhielt, als er von dem Hund der Klägerin angegriffen wurde, und damit seinen Sorgfaltspflichten genügte.

Auch ein Anspruch gemäß § 823 Abs. 1 BGBG, der nur dann in Betracht käme, wenn man eine Amtspflichtverletzung des Beklagten zu 1.) verneinen würde, aber ebenfalls ein schuldhaftes Verhalten voraussetzt, scheidet danach aus.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1, 713 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 47, 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO auf insgesamt 675,00 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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