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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 13.10.2008
Aktenzeichen: 1 U 5/08
Rechtsgebiete: BGB, GG, VZOG, VwVfG, VwGO


Vorschriften:

BGB § 823
BGB § 839
BGB § 839 Abs. 1 S. 1
GG Art. 34
GG Art. 34 S. 1
VZOG § 2
VZOG § 2 Abs. 1
VZOG § 2 Abs. 5
VwVfG § 24
VwGO § 42 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 9. Januar 2008 verkündete Urteil des Landgerichts Potsdam - 4 O 335/07 - abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 2.645,61 €

Tatbestand: I.

Der Kläger verlangt von der Beklagten den Ersatz von Rechtsanwaltskosten, die ihm für das Vorgehen gegen einen Bescheid des Bundesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen vom 20. Juli 2005 entstanden sind.

Die Beklagte stellte am 30. Januar 1998 in der unzutreffenden Annahme, dass sich verschiedene Flurstücke am 3. Oktober 1990 in Rechtsträgerschaft des Keisverbandes ... befunden haben, einen Antrag an das Bundesamt zur Regelung offener Vermögensfragen auf Zuordnung als kommunales Finanzvermögen. Mit Zuordnungsbescheid vom 20. Juli 2005 stellte das Bundesamt zur Regelung offener Vermögensfragen fest, dass diese Flurstücke vorbehaltlich privater Rechte Dritter Eigentum der Beklagten sind. Dem an dem vorgenannten Verfahren bis dahin nicht beteiligten Kläger teilte die Beklagte mit Schreiben vom 3. August 2005 die Entscheidung des Bundesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen vom 20. Juli 2005 mit. Mit Schreiben vom 15. August 2005 legten die nunmehr vom Kläger beauftragten Rechtsanwälte die Eigentumsverhältnisse sowohl dem Bundesamt zur Regelung offener Vermögensfragen wie der Beklagten gegenüber zutreffend dar. Mit Rücknahmebescheid vom 26. August 2005 hob das Bundesamt zur Regelung offener Vermögensfragen den Bescheid vom 20. Juli 2005 rückwirkend zum Zeitpunkt seines Erlasses auf.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, dass der Bescheid des Bundesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen vom 20. Juli 2005 auf den wahrheitswidrigen Angaben der Beklagten beruht habe. Die Beklagte habe Tatsachen vorgetragen, die den tatsächlichen Gegebenheiten nicht entsprochen haben, obwohl die Fehlerhaftigkeit dieser Angaben durch Einsichtnahme und sachgerechte Prüfung des Grundbuchstandes hätten festgestellt werden können.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen 2.645,61 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 9. Februar 2007 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, das Bundesamt zur Regelung offener Vermögensfragen habe seine Entscheidung in eigener Verantwortung getroffen. Es habe auch keine Verpflichtung bestanden, den Bescheid zu überprüfen. Vielmehr habe der Kläger die Möglichkeit gehabt nach Erlass des Bescheides gegen diesen vorzugehen, was er auch getan habe. Weiter sei zu berücksichtigen, dass im Rahmen des Vermögenszuordnungsverfahrens Erstattungsansprüche für die Einschaltung eines Rechtsanwaltes nicht vorgesehen seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen im Tatbestand des angefochtenen Urteils (Seite 2 - 3 des Urteils; Bl. 66, 67 d. A.) Bezug genommen.

Mit Urteil vom 9. Januar 2008 hat das Landgericht der Klage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, dass gem. § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG die Rechtsverfolgungskosten zu erstatten seien. Die Beklagte hätte vor Stellen des Antrages durch einen Blick in das Grundbuch feststellen können, dass die Flurstücke vom Kläger nicht in Rechtsträgerschaft genutzt worden seien und auch kein Eigentum des Volkes bestanden habe. Diese Amtspflicht habe auch gegenüber dem Kläger bestanden.

Gegen das ihr am 16. Januar 2008 zugestellte Urteil hat die Beklagte am Montag, den 18. Februar 2008 Berufung eingelegt und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 17. April 2008 mit einem am 17. April 2008 eingegangenen Schriftsatz begründet. Die Beklagte vertritt die Ansicht, dass sie bei Beantragung eines Vermögenszuordnungsbescheides nicht in Ausübung eines öffentlichen Amtes gehandelt habe. Sie habe nicht durch Bescheid tätig werden können, sondern habe selbst einem Antragserfordernis unterlegen. Eine unmittelbare Handlung gegenüber dem Kläger sei nicht möglich gewesen, jede Rechtswirkung habe sich nur durch Inanspruchnahme des Bundesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen entfalten können.

Der Kläger verteidigt das Urteil. Die mit Schriftsatz der Beklagten vom 22.04.2008 erklärte Streitverkündung ist der Bundesrepublik Deutschland am 25.04.2008 zugestellt worden; ein Beitritt ist nicht erfolgt.

Entscheidungsgründe: II.

Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und auch im Übrigen zulässig (§ 511 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, §§ 517, 519, 520 ZPO).

Die Berufung ist begründet. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Ersatz der Rechtsverfolgungskosten gegen die Beklagte zu. Die Beklagte war bei der Stellung des Antrages auf Zuordnung zu ihrem Vermögen zwar hoheitlich tätig, sie hat jedoch keine Amtspflichten verletzt, die drittbezogen waren.

Mit Stellung des Antrages auf Vermögenszuordnung hat die Beklagte ein öffentliches Amt wahrgenommen. Dies bestimmt sich grundsätzlich danach, ob die eigentliche Zielsetzung dieses Tätigwerdens hoheitlicher Tätigkeit zuzurechnen ist und ob, bejahendenfalls zwischen dieser Zielsetzung und der schädigenden Handlung ein so enger äußerer und innerer Zusammenhang besteht, dass die Handlung noch als dem Bereich hoheitlicher Betätigung zugehörig angesehen werden muss, wobei nicht auf die Person des Handelnden, sondern auf seine Funktion, d. h. auf die Aufgabe, deren Wahrnehmung, die im konkreten Fall ausgeübte Tätigkeit diente, abzustellen ist (BGHZ 158, 253). Das Rechtsinstitut, das dafür in Anspruch genommen wird, d. h. eines des öffentlichen oder des privaten Rechts, ist dafür ein prägendes Merkmal (MünchKomm, BGB, 4. A., § 839 Rn. 144 f.). Der von der Beklagten an das Bundesamt zur Regelung offener Vermögensfragen gerichtete Antrag war auf die vermögensrechtliche Zuordnung von Grundstücken gerichtet. Insoweit unterscheidet sich ein solches Verlangen vom Verwaltungsprivatrecht oder der fiskalischen Verwaltung. Die Beklagte hat sich weder der Formen des Privatrechts zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben bedient, noch hat sie am allgemeinen Rechtsverkehr teilgenommen. Mit der Stellung des Antrages auf Vermögenszuordnung hat die Beklagte vielmehr die ihr durch das Vermögenszuordnungsgesetz (VZOG) zugewiesene öffentlich-rechtliche Aufgabe wahrgenommen. Damit ist im Zweifel ihr Verhalten an den Normen des öffentlichen Rechts zu messen, da ein entgegenstehender Wille, d. h. nach Maßgabe des Privatrechts zu handeln, nicht deutlich in Erscheinung getreten ist (a.a.O., § 839 Rn. 148 m.w.N.).

Die nach § 839 Abs. 1 S. 1 BGB, Art. 34 S. 1 GG erforderliche Drittbezogenheit der der Beklagten obliegenden Amtspflichten gegenüber dem Kläger ist jedoch nicht gegeben. Mit dem Fehlen der Drittbezogenheit als anspruchsbegründendem Merkmal fehlt es an der Sachbefugnis des Klägers, denn nur als geschützter Dritter kann der Kläger Gläubiger eines Amtshaftungsanspruchs sein. Die streitigen Rechtsverfolgungskosten waren die Folge einer Entscheidung des an diesem Rechtsstreit nicht beteiligten Bundesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen nach dem VZOG, an das sich der Kläger auch folgerichtig wegen der Rücknahme des zuvor ergangenen Bescheides gewandt hat. Bei dem Verfahren nach dem VZOG handelt es sich um ein Verwaltungsverfahren bei dem die außenverbindliche Entscheidung nicht von der Beklagten getroffen worden ist. Das Bundesamt zur Regelung offener Vermögensfragen hatte vielmehr über den Antrag der Beklagten nach den in § 2 VZOG dargelegten Verfahrensgrundsätzen alleinzuständig zu entscheiden. Die Amtspflicht zu rechtmäßigem Handeln, die aus der Bindung der vollziehenden Gewalt an Gesetz und Recht gem. Art. 20 Abs. 3 GG folgt, oblag somit dem Bundesamt zur Regelung offener Vermögensfragen. Dem Bundesamt oblag es somit keine rechtswidrigen Rechtsakte zu erlassen, einen ggf. bestehenden Ermessensspielraum fehlerfrei auszuüben bzw. einen Beurteilungsspielraum ordnungsgemäß auszufüllen. Um dem gerecht werden zu können, sieht § 2 Abs. 1 VZOG die Anhörung aller in Betracht kommenden Berechtigten vor und § 2 Abs. 5 VZOG die Anwendung der Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG). Die Pflicht zur Sachverhaltsermittlung unter Anwendung des Amtsermittlungsgrundsatzes nach § 24 VwVfG oblag dem Bundesamt zur Regelung offener Vermögensfragen. Dieses hatte den für seine Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln, d. h. sich eine eigene Überzeugung von der Richtigkeit des Sachverhalts zu bilden. Dazu gehört auch, dass die Angaben der Beteiligten ohne eigene Prüfung nicht zu Grunde gelegt werden dürfen (Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9.A., § 24 Rn. 2).

Der Antrag der Beklagten und somit deren unrichtigen Angaben zu den Eigentumsverhältnissen an dem Grundstück, begründet allein keinen Anspruch des Klägers auf Ersatz der Rechtsverfolgungskosten, die dadurch entstanden sind, dass durch Tätigwerden ihrer Rechtsanwälte das Bundesamt zur Regelung offener Vermögensfragen zur Rücknahme seines Bescheides veranlasst worden ist. Der Antrag der Beklagten an das Bundesamt zur Regelung offener Vermögensfragen ist in diesem Sinne eine Mitwirkungshandlung in einem mehrstufigen Verwaltungsverfahren gewesen, in dem die außenverbindliche Entscheidung nicht der Beklagten oblegen hat. Die Mitwirkungshandlung der Beklagten hatte keine Feststellungen mit Bindungswirkung weder gegenüber dem Kläger noch gegenüber dem Bundesamt zur Regelung offener Vermögensfragen zur Folge. Daher hätte dem Kläger nach § 42 Abs. 2 VwGO auch keine Klagebefugnis gegen den Antrag der Beklagten zugestanden (BGHZ 125, 258). Dieser Umstand einer fehlenden Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO hat indizielle Bedeutung für die Frage der Drittbezogenheit der verletzten Amtspflichten. Bei Fehlen einer solchen Klagebefugnis ist die Drittbezogenheit der Amtspflichten i.d.R. zu verneinen (Deterbeck, Windhorst, Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rn. 116).

Die Beklagte hat mit ihrem Antrag und den beigefügten Anlagen bei Anwendung der im VZOG dargelegten Verfahrensgrundsätze auch nicht die tatsächliche Beurteilungsgrundlage für die abschließende Entscheidung des Bundesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen über den Antrag auf Vermögenszuordnung schaffen können. Die notwendige Aufklärung des Sachverhaltes, d. h. die Schaffung der tatsächlichen Beurteilungsgrundlage, hatte auch nicht gemeinsam i.S. einer Arbeitsteilung von der Beklagten und dem Bundesamt zur Regelung offener Vermögensfragen zu erfolgen, etwa vergleichbar einem Gutachterausschuss und einer dessen Ergebnisse verwertenden Gemeinde (BGHZ 146, 365), sondern oblag dem Bundesamt allein.Der Antrag der Beklagten war auch nicht der Stellungnahme einer Fachbehörde vergleichbar, die die Bedeutung eines Sachverständigengutachtens, wie in einem Zwangsversteigerungsverfahren, hätte gewinnen können (BGH WM 2003, 2053). Daher hat der Antrag der Beklagten nicht dazu geführt, dass allein dieser Antrag zur Grundlage des arbeitsteiligen Zusammenwirkens mit dem Bundesamt zur Regelung offener Vermögensfragen geworden ist, wie es z. B. gewesen wäre, wenn die Beklagte ein überlegenes Fachwissen für die zu treffende Entscheidung eingebracht hätte. Dann hätte die Mitwirkung der Beklagten im Verhältnis zum Kläger eine über die innerbehördliche Beteiligung hinausgehende Qualität erreicht. Nur in einem solchen Fall hätten Amtspflichten der Beklagten in den Schutzbereich der Amtspflichten gehört, welche die zur Endentscheidung berufene Behörde wahrzunehmen hat und hätten so ihrerseits drittschützenden Gehalt erlangt (BGH MDR 2003, 628). Für ein solch überlegenes Fachwissen der Beklagten bei Fragen der Vermögenszuordnung im Verhältnis zum Bundesamt zur Regelung offener Vermögensfragen bestehen jedoch keine Anhaltspunkte.

Es bestehen ebenfalls keine Ansprüche aus der von dem Kläger angeführten öffentlich-rechtlichen Sonderverbindung. Es kann dahinstehen bleiben, ob die vertraglichen Beziehungen, wie Zwischenpachtverträge oder die Existenz eines "Kleingartenbeirates" eine solche öffentlich-rechtliche Sonderverbindung begründen. Öffentlich-rechtliche Sonderverbindungen können zwar Sorgfalts- und Fürsorgepflichten begründen. Die verletzten Pflichten müssen aber über allgemeine Amtspflichten hinausgehen (Staudinger, 2002, § 839 Rn. 20). Die Stellung eines Antrages auf Vermögenszuordnung durch die Beklagte lässt die Verletzung solcher Pflichten nicht erkennen. Es ist nicht erkennbar, dass sich der Antrag der Beklagten auf einen der Zwischenpachtverträge bezogen hat oder die Frage der Vermögenszuordnung zu den vom Kläger angeführten "vertragsbezogenen" Problemen gehört haben. Dies liegt auch nicht nahe, nachdem unstreitig die gegenständlichen Flurstücke schon immer im Eigentum des Klägers gestanden haben und daher nicht Gegenstand der vorgenannten Verträge gewesen sein können.

Ansprüche des Klägers nach dem Staatshaftungsgesetz bestehen ebenfalls nicht. Dieser vom Verschulden unabhängige Schadenersatzanspruch gilt im Land Brandenburg als Landesrecht zwar fort. Der am 03.10.1990 in Kraft getretene Einigungsvertrag vom 31.08.1990 hat das Gesetz zur Regelung der Staatshaftung in der Deutschen Demokratischen Republik - Staatshaftungsgesetz - vom 12.05.1969 in der Fassung des DDR-Gesetzes vom 14.12.1988 nach Maßgabe der Anlage II zum Einigungsvertrag, Kapitel III, Sachgebiet B, Abschnitt 3 geändert und das auf diese Weise geänderte Gesetz im beigetretenen Gebiet als Landesrecht übernommen. Unter Berücksichtigung des Rechtspflegeanpassungsgesetzes vom 26.06.1992 hat das Staatshaftungsgesetz eine Änderung erfahren und wurde im Land Brandenburg durch Art. 2 des Gesetzes vom 14.06.1993 (GVBl. I, S. 199) teilweise abgeändert. Es sind aber nur solche Schadenersatzpositionen ersatzfähig, die in den Schutzbereich der verletzten Norm fallen (BGHZ 166, 22). In den Schutzbereich der Amtspflichten bei Stellung eines Antrages an eine Bundesbehörde, die ihre Entscheidung nach den Grundsätzen der Amtsermittlung zu treffen hat, fallen aus den oben dargelegten Gründen aber nicht die Anwaltskosten, die dadurch entstehen, dass gegen den Bescheid dieser Bundesbehörde vorgegangen wird und nunmehr gegen den Antragsteller in dem Vorverfahren geltend gemacht werden. Ebenso bestehen keine Ansprüche nach § 823 BGB, da der Ersatz eines Vermögensschadens geltend gemacht wird.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, § 708 Nr. 10, § 711, 713, 542 ff. ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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