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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 10.10.2001
Aktenzeichen: 1 U 7/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO §§ 515 ff.
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 546 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

1 U 7/01 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 10. Oktober 2001

verkündet am 10. Oktober 2001

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 8. August 2001 durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Macke, den Richter am Oberlandesgericht Tombrink und den Richter am Amtsgericht Friedrichs

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 29. Dezember 2000 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder), Az. 13 O 218/98, wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des zweiten Rechtszuges.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 7.000,00 DM abwenden, sofern nicht die Beklagten zuvor Sicherheit in nämlicher Höhe leisten.

Die Beschwer der Klägerin beträgt 105.504,22 DM.

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt den Beklagten zu 2) als behandelnden Chefarzt und das erstbeklagte Land Brandenburg als Träger der Landesklinik E auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens aus fehlerhafter ärztlicher Behandlung sowie auf Feststellung einer Ersatzpflicht für künftigen Schaden in Anspruch.

Die 1966 geborene Klägerin wird seit ihrem 12. Lebensjahr wegen eines hirnorganischen Anfallsleidens (Epilepsie) behandelt. Bis zum 24. Lebensjahr wurde sie unter anderem mit Fali-Lepsin und, als dieses nach der Wende nicht mehr hergestellt wurde, mit Maliasin behandelt. Nach größeren Anfällen unter diesem Medikament wurde sie am 08.03.1993 zwecks Medikamentenumstellung stationär in die Klinik für Neurologie der Landesklinik E aufgenommen. Unter Beibehaltung einer Suxilep-Medikation wurde das Medikament Maliasin schrittweise abgesetzt und durch ein Valprionsäure-Präparat (Convulex) ersetzt. Während der Umstellung kam es zu anfallsartiger Unruhe und Absencen, gegen die als Bedarfsmedikation das Medikament Diazepam, ein schnellwirkendes Antikonvulsivum auf der Basis von Benzodiazepinen, eingesetzt wurde. Während des stationären Aufenthaltes wurde die Umstellung nicht vollständig beendet. Die Klägerin wurde am 02.04.193 mit einer Entlassungsmedikation von Convulex, Suxilep und Maliasin entlassen. In der Folge litt die Klägerin aber unter den Nebenwirkungen des Medikaments Convulex, namentlich Haarausfall, Gewichtszunahme und Zyklusstörungen. Deshalb wurde sie vom 15.11. bis 09.12.1993 erneut stationär in die Neurologische Klinik aufgenommen. Um die Nebenwirkungen zu reduzieren, wurde die Medikation schrittweise auf Carbamazepin umgestellt, das aber in der zweiten Woche nach allergischen Hauterscheinungen abgesetzt werden mußte. Als Alternativpräparat wurde neben dem Beibehalten von Convulex ein Diphenylhydantoin-Präparat (Phenhydan) eingeführt. Unter dieser Medikation blieb die Klägerin indes nicht anfallsfrei. Es kam zu Zuckungen im Gesichtsbereich, Desinteresse und Übelkeit. Bei einem dritten stationären Aufenthalt vom 25.02. bis 18.03.1994 wurde die Medikation der Klägerin auf eine Diphenylhydantoin-Monotherapie umgestellt. Bereits zwei Tage nach der Entlassung kam es indes verstärkt zu kleineren und zwei größeren Anfällen, auf die hin die Klägerin am 20.03.1994 erneut stationär aufgenommen wurde. Während der Umstellung auf eine Kombinationstherapie mit Lamotrigin, Ethosuximid und Diphenylhydantonin traten weitere Anfälle und verstärkte Unruhe auf. Dagegen wurde erneut - zunächst als Notmedikation, vom 15. bis 19.04.1994 fortlaufend - Diazepam eingesetzt. Nach Reduzierung der Dosis wurde Diazepam am 04.05.1994 abgesetzt. Die Klägerin wurde am 10.05.1994 entlassen. Als Entlassungsmedikation wurden Lamictal, Suxilep und Phenhydan sowie als Bedarfsmedikation Diazepam verordnet.

Nach Magenbeschwerden und Übelkeit wurde die Klägerin von ihrem Hausarzt am 21.06.1994 in das ev. Krankenhaus in 3 eingewiesen. Dort wurde versucht, das Ethosuximid (Suxilep) als möglichen Urheber der Beschwerden zu reduzieren. Während des stationären Aufenthaltes kam es am 08.07. zu einem schweren Anfall, der wiederum mit Diazepam behandelt wurde.

Nach weiteren Anfällen wurde die Klägerin dann vom 25.10. bis 09.11.1994 erneut stationär im ev. Krankenhaus in B behandelt und auf eine neue Medikamentenkombination umgestellt.

Die Klägerin hat behauptet, sie sei durch unsachgemäße Medikation mit Diazepam süchtig geworden. Diese Medikamentenabhängigkeit habe zu heftigsten Entzugserscheinungen, Angst, Alpträumen, Händezittern, Unruhe und Depressionen geführt. Aufgrund der Sucht habe sie ihre Umschulung zur Reiseverkehrskauffrau nicht beenden und eine zugesagte Stelle nicht antreten können. Dadurch entgehe ihr ein Verdienst in Höhe von 1.500,00 DM monatlich. Ferner hat sie ein Schmerzensgeld in Höhe von 25.000,00 DM für angemessen gehalten.

Sie hat beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen,

2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 64.500,00 DM zu zahlen,

3. festzustellen, daß die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihr alle künftigen materiellen und immateriellen Schäden aus der Fehlbehandlung vom 20.03.1994 bis 10.05.1994 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben eine Abhängigkeit der Klägerin von Benzodiazepm-Derivaten bestritten. Weiterhin sind sie dem Vortrag der Klägerin zur Schadenshöhe entgegengetreten.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens.

Nach dem Gutachten des Sachverständigen E M haben sich in keinem der vorliegenden EEG-Befunde die für eine Medikamentabhängigkeit von Benzodiazepinen typischen Beta-Wellen feststellen lassen. Es ergäben sich keine Hinweise auf eine Abhängigkeit von dem Medikament Diazepam.

Das Landgericht hat mit der angefochtenen Entscheidung die Klage abgewiesen und sich dabei im wesentlichen auf das Ergebnis des Sachverständigengutachtens gestützt.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche weiter. Sie rügt, daß sich der Sachverständige zu einer Medikamentabhängigkeit nur für den Zeitpunkt der Begutachtung, nicht aber für den Zeitraum 1993/94 geäußert habe. Der Sachverständige habe auch nicht berücksichtigt, daß die Klägerin seitens der Beklagten auch ambulant mit Diazepam behandelt worden sei. Bereits ein EEG vom 9. Juni 1993, das diffuse Beta-Aktivitäten dokumentiere, weise auf eine Sucht hin. Jedenfalls habe die Diazepam-Gabe während des Aufenthalts vom 20. März 1994 bis zum 4. Mai 1994 zu einer Medikamentenabhängigkeit geführt. Ferner habe der Sachverständige nicht berücksichtigt, daß die Klägerin sowohl zwischen März 1993 und März 1994 - wie sich aus den Behandlungsunterlagen über die ambulante Behandlung der Klägerin ergebe - als auch nach dem 4. Mai 1994 Diazepam erhalten habe. Insbesondere sei der Klägerin durch die Ambulanz der Landesklinik das Medikament Faustan (wie Diazepam ein Benzodiazepin, lediglich mit längerer Halbwertzeit) - welches die Klägerin mit Diazepam gleichsetzt - zur teilweise mehrmaligen täglichen Einnahme verordnet worden, und zwar am 11., 13., 15. und 24. Mai 1994 sowie am 6., 9., 10., 11.und 12. Juni 1994, ferner vom 17. bis zum 21. Juni 1994. Dies sei von dem Sachverständigen nicht einbezogen worden. Im übrigen habe der Sachverständige die Verabreichung von Diazepam im Klinikum der Beklagten als indikations- und dosisgerecht erachtet, ohne Ausführungen zur üblichen Dosis zu machen.

Weiterhin rügt die Klägerin, daß der Sachverständige keine Ausführungen dazu gemacht habe, ob es den Regeln ärztlicher Kunst entspreche, daß innerhalb einer Zeit von weniger als zwei Jahren vier verschiedene Therapien/Medikamentenumstellungen erfolgt seien.

Schließlich stützt die Klägerin ihre Klage nun auch darauf, daß sie über die Nebenwirkungen von Diazepam. namentlich das Suchtpotential des Medikaments, nicht hinreichend aufgeklärt worden sei.

Darüber hinaus macht die Klägerin zur Schadenshöhe ergänzende Ausführungen insbesondere zu den entgangenen Einkünften. Den Feststellungsantrag stützt sie (auch) darauf, daß nicht abzusehen sei, welche Spätfolgen die 1993/1994 eingetretene Medikamentenabhängigkeit nach sich ziehen werde.

Die Klägerin hat mit der am 4. Mai 2001 eingegangenen Berufungsbegründung beantragt,

die Beklagten unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 29. Dezember 2000 zu verurteilen,

1. als Gesamtschuldner an sie 10.000 DM Schmerzensgeld und 16.058,94 DM materiellen Schadensersatz jeweils zuzüglich 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. festzustellen, daß die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihr sämtlichen künftigen materiellen und immateriellen Schaden aus den fehlerhaften Behandlungen durch die Beklagten in der Zeit vom 20. März bis 10. Mai 1994 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger und sonstige Dritte übergehen, und sich eine sodann durch am 10.07.2001 eingegangenen Schriftsatz vorgenommene Erweiterung der Berufung mit dem Antrag vorbehalten,

die Beklagten unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 29. Dezember 2000 - Az. 13 O 218/98 - zu verurteilen,

1. an sie ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens jedoch 25.000,00 DM, darüber hinaus 50.504,20 DM als materiellen Schadensersatz jeweils zuzüglich 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. festzustellen, daß die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihr sämtlichen künftigen materiellen und immateriellen Schaden aus den fehlerhaften Behandlungen der in der Zeit vom 20. März bis 10. Mai 1994 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger und sonstige Dritte übergehen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen die angefochtene Entscheidung und rügen Verspätung des Vorbringens der Klägerin, nachdem sie ihre Bedenken gegen das Gutachten nicht binnen der vom Landgericht gesetzten Stellungnahmefrist mitgeteilt habe. Sie bestreiten, die Klägerin schon vor 1993 (ambulant) mit Diazepam behandelt zu haben. Ambulant sei ihr im gesamten Jahr 1993 kein Diazepam verordnet worden.

Der Senat hat die Krankenunterlagen über die stationären und ambulanten Behandlungen der Klägerin beigezogen. Weiterhin hat der Sachverständige M in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 8. August 2001 sein in erster Instanz erstattetes Gutachten unter Berücksichtigung der Krankenunterlagen und des weiteren Vorbringens der Klägerin erläutert. Hierzu wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung ist zulässig, namentlich form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 515 ff. ZPO. Auch die nach Ablauf der Begründungsfrist eingegangene Erweiterung der Berufung ist zulässig, nachdem sich die Erweiterung im Rahmen der ursprünglichen Berufungsbegründung hält (vgl. BGHZ 88, 360, 364).

II. In der Sache selbst bleibt die Berufung ohne Erfolg. Die Beklagten haften weder vertraglich noch deliktisch. Es läßt sich nicht feststellen, daß die Klägerin in der von dem erstbeklagten Land getragenen Landesklinik E und von dem sie dort behandelnden Beklagten zu 2) fehlerhaft behandelt wurde. Namentlich kann nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht davon ausgegangen werden, daß sie durch eine unsachgemäße Medikation mit Diazepam von diesem Medikament abhängig geworden ist und dieserhalb Anspruch auf immateriellen und materiellen Schadensersatz hat. Der Sachverständige M dem Senat als hoch kompetent und außerordentlich gewissenhaft bekannt, hat in seinem in I. Instanz erstatteten Gutachten und in der Erläuterung und Ergänzung dieses Gutachtens vor dem Senat unter Auswertung der Krankenunterlagen überzeugend dargelegt, daß die Behandlung der Klägerin mit Diazepam nach Dosis und Dauer nicht behandlungsfehlerhaft war und nicht zu einer Medikamentenabhängigkeit geführt hat. Jedenfalls aber hat die Klägerin einen Behandlungsfehler und eine hierdurch bewirkte Medikamentenabhängigkeit nicht zu beweisen vermocht. Die Darlegungs- und Beweislast für eine Pflichtverletzung des Arztes und deren Ursächlichkeit für einen Körper- bzw. Gesundheitsschaden trägt grundsätzlich der Geschädigte bzw. der Anspruchsteller (s. BGHZ 89, 263 ff.; 99, 391 ff.; BGH NJW 1987, 705 ff.; 1998, 2949 ff; MünchKomm/Mertens, BGB, 3. Aufl. 1997, § 823 Rdnr. 406). Hiervon ausgehend kann die Klage keinen Erfolg haben. Im einzelnen:

Der Sachverständige M hat in seinem vor dem Landgericht erstatteten Gutachten einleuchtend beschrieben, daß zur Behandlung des epileptischen Anfallsleidens der Klägerin, nachdem das bis dahin bei ihr eingesetzte Medikament Fali-Lepsin vom Markt verschwand, in der Klinik E schrittweise die Umstellung auf eine andere Dauermedikamentierung vorzunehmen war und zur Therapie aktueller epileptischer Erscheinungen während dieser Umstellungsphase ein schnellwirkendes Antikonvulsivum benötigt wurde und mit Diazepam als einem hierfür bewährten Mittel indikationsgerecht sowie dosisgerecht zum Einsatz kam, um sodann - mit dem Greifen der Dauermedikation - schrittweise wieder reduziert ("ausgeschlichen") zu werden. Das Präparat habe zwar ein Abhängigkeitspotential, eine Abhängigkeit entwickle sich aber in der Regel nicht bei kontrollierter Anwendung während einiger Wochen. Die hier dokumentierte Dosis und Dauer sei nicht geeignet, eine körperliche Abhängigkeit von Diazepam zu entwickeln. Symptome für eine Abhängigkeit von Diazepam seien denn auch der Dokumentation nicht zu entnehmen. Soweit der Sachverständige in seinem in I. Instanz erstatteten schriftlichen Gutachten daraufhingewiesen hatte, daß für die regelmäßige Einnahme von Benzodiazepinen Beta-Wellen in den EEG-Befunden typisch seien und er solche Beta-Wellen in den ihm vorliegenden EEG-Auswertungen nicht gefunden habe, hat der Senat, als mit der Berufungsbegründung ein "leichte diffuse Beta-Aktivität" ausweisendes EEG aus Juni 1993 vorgelegt wurde, gerade auch wegen dieser Frage eine mündliche Erläuterung und Ergänzung des Gutachtens durch den Sachverständigen unter Auswertung der gesamten Krankenunterlagen, auch derjenigen über die früheren ambulanten Behandlungen in der Landesklinik E, für richtig gehalten. Hierbei hat der Sachverständige wiederholt, daß Anzeichen für eine Abhängigkeit der Klägerin von Diazepam - die im übrigen gegebenenfalls nach 10 bis 15 Tagen abklinge - den Krankenunterlagen nicht zu entnehmen seien und die aus diesen Unterlagen ersichtliche Medikation eine solche Abhängigkeit herbeizuführen nicht geeignet sei. Soweit sich aus den EEG's über die frühere ambulante Behandlung der Klägerin, die ihm zunächst nicht zur Verfügung gestanden hätten, in der Tat seit 1989 gelegentlich eine mäßige Beta-Aktivität ergebe, hänge das mit dem Medikament Fali-Lepsin zusammen, welches die Klägerin, wie aus den Serumblitspiegeln - zuletzt aus Mai 1993 - erkennbar, bis 1993 erhalten habe, und ergebe deshalb keine Kontraindikation etwa für den Einsatz von Diazepam im Jahre 1994. Fali-Lepsin bzw. Faustan war, wie der Sachverständige - nicht in die Sitzungsniederschrift aufgenommen - berichtet hat, im Jahre 1993, wenn auch nicht mehr hergestellt, in den Kliniken hierzulande noch vorrätig. Soweit die Klägerin im Anschluß an die Anhörung des Sachverständigen durch (nachgelassenen) Schriftsatz vom 28. August 2001 geltend gemacht hat, seit 1991 Fali-Lepsin nicht mehr erhalten zu haben, war dem jedenfalls im Hinblick darauf nicht mehr nachzugehen, daß nach dem vorliegenden Therapieprotokoll (am Ende der Krankenakte über die ambulanten Behandlungen) bis 1993 eine durchgängige Medikation mit gleichen Wirkstoffen (Etosuximide und Phenobarbiturate) dokumentiert ist und in den Medikamentenspiegeln (in derselben Krankenakte) mit vergleichbaren Fali-Lepsin-Wirkstoffkonzentrationen im Blut der Klägerin Niederschlag findet. Außerdem hat die Klägerin in der Zeit bis Mitte 1993 - während des stationären Aufenthalts im März 1993 - lediglich zwei Gaben von jeweils 5 mg Diazepam erhalten, was eine Diazepam-Abhängigkeit als Folge einer längeren Anwendung dieses Medikaments zu diesem Zeitpunkt nicht erklären könnte. Für 1994 sind sodann Beta-Wellen, wie sie für eine längere regelmäßige Medikamenteneinnahme - und damit ggfs. für eine Abhängigkeit - typisch sind, nicht dokumentiert.

Nach alledem ist weder nachgewiesen, daß die Klägerin fehlerhaft mit Diazepam medikamentiert worden ist, noch, daß sie hierdurch von dem Medikament abhängig geworden und auf diesem Wege geschädigt worden ist. Die bei der Klägerin aufgetretenen Symptome wie Zittern, Unruhe, Angst, Mißstimmungen und Depressionen belegen auch nicht etwa ihrerseits eine Diazepam-Abhängigkeit. Sie sind vielmehr nach der Auffassung des Sachverständigen auf das behandlungsgegenständliche Anfallsleiden der Klägerin zurückzuführen. Mindestens aber ist es nicht auszuschließen, daß das hirnorganische Grundleiden der Klägerin in der damaligen von wiederholten Anfallsereignissen begleiteten instabilen Phase der Umstellung auf eine andere Medikamentierung zu den genannten Symptomen geführt hat. Wenn diese Symptome nach der später gelungenen Umstellung der Medikation nicht mehr auftreten, besagt dies nicht, daß sie in jener kritischen Umstellungsphase hätten verhindert werden können. Für die Beauftragung eines weiteren Sachverständigen für Anfallsleiden, wie sie die Klägerin im Anschluß an die Anhörung des Sachverständigen M durch Schriftsatz vom 28. August 2001 noch angeregt hat, sieht der Senat keine Veranlassung. Die Sachkunde des Sachverständigen M steht für den Senat außer Frage.

Soweit die Klägerin ergänzend geltend macht, daß sie über die Nebenwirkungen von Diazepam, namentlich das Suchtpotential dieses Medikaments, nicht hinreichend aufgeklärt worden sei, kann auch dies der Klage nicht zum Erfolg verhelfen, weil es zu einer Medikamentenabhängigkeit gar nicht gekommen - bzw. dies nicht nachgewiesen - ist und der Einsatz des Medikaments als solcher, wie die Ausführungen des Sachverständigen ergeben, ein bewährtes Mittel der Wahl ist.

Der Senat verkennt nicht, daß die Klägerin im Zuge der Umstellung auf eine andere Medikation (die als solche wegen der sich abzeichnenden Nichtmehrverfügbarkeit des Medikaments Fali-Lepsin aber unvermeidlich war) zusätzlichen Leiden ausgesetzt war. Für das hirnorganische Grundleiden, auf welches dies zurückzuführen ist, können die Beklagten jedoch nicht verantwortlich gemacht werden. Ein Behandlungsfehler ist jedenfalls nicht erweislich. Nach den Ausführungen des Sachverständigen ist in der kritischen Phase der Umstellung auf eine andere Dauermedikation der Einsatz von Diazepam zur Unterbindung (Kupierung) und Bekämpfung akuter Anfallserscheinungen ein absolut gebräuchliches Mittel und nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen M vorliegendenfalls indikations- und dosisgerecht erfolgt.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die weiteren Nebenentscheidungen beruhen auf § 708 Nr. 10, § 711 sowie § 546 Abs. 2 ZPO.

IV. Streitwert: 105.504,22 DM (Antrag zu 1): 25.000,00 DM + 50.504,22 DM = 75.504,22 DM, Antrag zu 2): 30.000,00 DM wie Klageschrift).

Ende der Entscheidung

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