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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 23.04.2007
Aktenzeichen: 1 VerfU 10/06
Rechtsgebiete: BGB, StGB, AufenthG


Vorschriften:

BGB § 823 Abs. 1
StGB § 201 Abs. 1
StGB § 130 Abs. 1 Nr. 1
AufenthG § 55 Abs. 2 Nr. 8 b
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

1 VerfU 10/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 23.04.2007

verkündet am 23.04.2007

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Kahl, die Richterin am Oberlandesgericht Feles und den Richter am Amtsgericht Dr. von Selle auf die mündliche Verhandlung vom 19. März 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 8. Mai 2006 verkündete Urteil des Landgerichts Potsdam - 2 O 221/05 - abgeändert: Die Klage wird unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 1. Dezember 2005 abgewiesen.

2. Die Beklagte trägt vorab die durch ihre Säumnis im Termin vom 1. Dezember 2005 veranlassten Kosten. Die übrigen Kosten des Rechtsstreits beider Rechtszüge werden dem Kläger auferlegt.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

A.

Die Beklagte hat im Internet unter Bezugnahme auf eine von ihr ausgestrahlte Fernsehsendung u. a. Folgendes veröffentlicht:

"Hassprediger

Frontal21 berichtete über die Hasspredigten des Berliner Imams J... T.... In der Kreuzberger M... Moschee hatte der türkische Geistliche die Deutschen als stinkende Ungläubige bezeichnet, die in der Hölle landen."

Das Landgericht hat dem hiergegen gerichteten Verbotsbegehren des Klägers durch im Einspruchsverfahren bestätigtes Versäumnisurteil vom 1. Dezember 2005 stattgegeben, in dem es der Beklagten antragsgemäß unter Androhung von Ordnungsmitteln untersagt hat, wörtlich oder sinngemäß zu behaupten:

"a) der Kläger ist Hassprediger.

b) der Kläger hat Deutsche als stinkende Ungläubige bezeichnet, die in der Hölle landen."

Der Verurteilung hat das Landgericht den Sachvortrag der Beklagten zu Grunde gelegt, wonach sich der Kläger in einer - mitgeschnittenen, übertragenen und übersetzten - Predigt namentlich wie folgt geäußert haben soll:

"Es gibt auch Deutsche, die sich freigiebiger verhalten als ihr, aber sie sind Atheisten, was nützt das. Hätten wir einen Nutzen davon gesehen? Auf der ganzen Welt hätten wir es nicht gesehen. Weil er Mitleid mit ihnen hatte und weil Gott barmherzig ist, nahm er ihnen das Mitgefühl und gab ihnen dafür Freude, aber im Diesseits. Im Jenseits kommen sie wegen ihrer Ungläubigkeit in nichts anderes als ins Feuer."

...

"Wenn sich die meisten dieser Deutschen, dieser Europäer, dieser Atheisten, nicht unter den Achseln rasieren und die Achselhaare länger wachsen und sich der Schweiß an den Haarwurzeln sammelt, dann verursacht das Schweißgeruch. Um diesen Geruch zu beseitigen, verwenden sie Spray und dafür haben sie ihre Parfümindustrie erweitert."

Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil sowie die Abschrift und Übersetzung der Predigt durch den allgemein beeidigten Dolmetscher der türkischen Sprache, Herrn Dipl.-Ing. A... Y..., vom 17. Oktober 2005 Bezug genommen.

Die Beklagte sieht ihre (streitgegenständlichen) Äußerungen insgesamt als Werturteil an, das durch die zitierten Passagen der Predigt gestützt werde und deshalb von der Meinungs- und Rundfunkfreiheit gedeckt sei.

Die Beklagte verfolgt ihr Klageabweisungsbegehren mit der Berufung weiter.

Sie beantragt,

wie erkannt. Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Erkenntnis und wendet sich (hilfsweise), unter Verweis auch auf ein von ihm gefertigtes Gedächtnisprotokoll, gegen die Richtigkeit der Zitatbehauptungen; einem Beweis ihrer Wahrheit unter Verwendung des Mitschnitts seiner Predigt widerspricht er unter Berufung auf ein Beweisverwertungsverbot, dem die seines Erachtens unauthorisierte Aufnahme unterliege.

B.

I. Die zulässige Berufung ist in der Sache erfolgreich: Die Klage ist unbegründet.

Die streitbefangenen Äußerungen der Beklagten greifen zwar in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers ein (unten 1.). Sie sind aber von der grundrechtlich verbürgten Meinungs- und Rundfunkfreiheit gedeckt (unten 2.).

1. a) Das in Art. 1 und 2 GG enthaltene allgemeine Persönlichkeitsrecht gehört als sonstiges Recht im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB zu den Rechtsgütern, die gegenüber jedermann geschützt sind und deren Verletzung folglich Unterlassungsansprüche nach sich ziehen kann (§ 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB). Ihm kommt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Aufgabe zu, "Elemente der Persönlichkeit zu gewährleisten, die nicht Gegenstand der besonderen Freiheitsgarantien des Grundgesetzes sind, diesen aber in ihrer Bedeutung für die Persönlichkeit nicht nachstehen" (BVerfGE, 54, 148, 153; 99, 185, 193; 101, 361, 380). Die nach dieser Rechtsprechung notwendige Orientierung an den speziellen grundrechtlichen Gewährleistungen erfordert eine den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts konkretisierende Fallgruppenbildung. Praktische Bedeutung kommt dieser Konkretisierung insbesondere dann zu, wenn derjenige, der eine Persönlichkeitsrechtsverletzung beklagt, die Reichweite des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach eigenem Gutdünken überspannt; derartige existentialistische Anmaßungen berühren das allgemeine Persönlichkeitsrecht nämlich nicht (BVerfG, NJW 1989, 3269; NJW 2000, 1021, 1021 f.).

b) Im Streitfall ist ein Eingriff in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts freilich unproblematisch zu bejahen.

aa) Der Vorwurf, jemand halte "Hasspredigten", muss jedenfalls dann als ehrverletzend angesehen werden, wenn er unter den (hier maßgeblichen) zivilisierenden Bedingungen eines rechtsstaatlich verfassten Gemeinwesens erhoben wird, wie es die Bundesrepublik Deutschland ist. Denn unter solchen Bedingungen verweist das Predigen von Hass auf nicht unerhebliche moralische und/oder psychosoziale Defizite. Dies gilt umso mehr, wenn der Umstand, dass jemand Hass predigt, zu einem die betreffende Person charakterisierenden Dispositionsbegriff zugespitzt wird ("Hassprediger").

bb) Des Weiteren schützt das Recht den Einzelnen davor, dass ihm Äußerungen zugeschrieben werden, die er nicht getan hat und die seine Privatsphäre oder den von ihm selbst definierten sozialen Geltungsanspruch beeinträchtigen. Der grundrechtliche Schutz wirkt hierbei nicht nur gegenüber Fehlzitaten, sondern auch gegenüber unrichtigen, verfälschten oder entstellten Wiedergaben einer Äußerung (BVerfGE 54, 208, 217; BVerfG, NJW 1993, 2925, 2925 f.).

Dieser weitreichende Schutz, der hier ausnahmsweise (siehe oben a) auch durch den Grundrechtsträger mitbestimmt wird, findet seinen Grund darin, dass mit dem Zitat nicht eine subjektive Meinung des Kritikers zur Diskussion gestellt wird, sondern eine objektive Tatsache über den Kritisierten behauptet wird. Ihm kommt die Überzeugungs- und Beweiskraft eines Faktums zu. Ist es unrichtig, verfälscht oder entstellt, greift dies in das Persönlichkeitsrecht des Kritisierten umso tiefer ein, als er hier gleichsam als Zeuge gegen sich selbst ins Feld geführt wird. Somit ist das Zitat, das als Beleg für Kritik verwendet wird, eine besonders scharfe Waffe im Meinungskampf (BVerfG, a. a. O.). Das verbietet es, die inkriminierten Zitatbehauptungen als Meinungsäußerung zu qualifizieren (a. A. Gas, LKV 2006, 548, 549 f.; vgl. zur verfassungsrechtlich möglichen Einordnung einer nicht zitierenden Aussage entweder als Tatsachenbehauptung oder als Werturteil BVerfGE 94, 1, 10 f.).

2. a) aa) Weil die beanstandeten Zitate den Kläger aber letztlich zutreffend wiedergeben, sind sie von der Meinungs- und Rundfunkfreiheit der Beklagten gemäß Art. 5 Abs. 1 Sätze 1 und 2 GG gerechtfertigt. Wahre Aussagen müssen von dem Betroffenen in der Regel auch dann hingenommen werden, wenn sie ihm nachteilig sind (statt vieler BVerfGE 97, 391, 403). Im Streitfall sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass Persönlichkeitsbelange des Klägers derart überwiegen, dass sie die Meinungs- und Rundfunkfreiheit der Beklagten, unbeschadet der Wahrheit der Zitatbehauptungen, in den Hintergrund drängen. Dieser Ausnahmefall wäre insbesondere gegeben, wenn die beklagten Äußerungen die Intim-, Privat- und Vertraulichkeitssphäre beträfen und sich nicht durch ein berechtigtes Informationsinteresse der Öffentlichkeit rechtfertigen ließen oder wenn sie einen Persönlichkeitsschaden anzurichten drohten, der außer Verhältnis zu der Verbreitung der Wahrheit stünde (BVerfGE 99, 185, 196 f.). Hiervon kann indes schon deshalb keine Rede sein, weil der Kläger mit seiner Predigt selbst die Öffentlichkeit gesucht hat.

bb) Das Bundesverfassungsgericht (hier und im Folgenden BVerfGE 54, 208, 217 ff.) stellt allerdings hohe Anforderungen an die Wahrheit von Zitatbehauptungen. So soll die Richtigkeit von Zitaten nicht nach dem vertretbaren Verständnis eines Durchschnittlesers oder Durchschnittshörers beurteilt werden dürfen, weil dem Zitierten hierdurch die Entscheidung über sein eigenes Wort weitgehend genommen und durch eine mögliche Beurteilung Dritter ersetzt werde. Hiernach verbleibende Unsicherheiten, ob eine Äußerung, die nicht in wörtlicher Rede wiedergegeben wird, richtig zitiert wird, seien nicht von Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt und gingen folglich zu Lasten des Zitierenden. Um den der Meinungsfreiheit gezogenen Schranken gerecht zu werden, müsse der Kritiker das "Zitat" in solchen Fällen als seine eigene Interpretation des Geäußerten kenntlich machen.

Diesen hohen Anforderungen werden die beanstandeten Zitatbehauptungen gleichwohl gerecht, weil keine Interpretationsunsicherheiten der Predigtäußerungen des Klägers verbleiben, die über bloß theoretisch denkbare, gekünstelte Deutungszweifel hinausgehen.

(1) Dabei hat der Senat dem Abgleich der Äußerungen des Klägers mit den Zitaten der Beklagten die von dieser beigebrachte Abschrift und Übersetzung der Predigt zu Grunde zu legen.

(1.1) Ein Beweisverwertungsverbot, das der Verwertung des Mitschnitts der Predigt und damit zugleich der Abschrift und Übersetzung durch den Dolmetscher, mithin dem Wahrheitsbeweis entgegenstehen würde, ist nicht anzuerkennen. Nach Art. 5 Abs. 2 GG können die Kommunikationsfreiheiten insbesondere durch allgemeine Gesetze beschränkt werden. Dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts hat der Gesetzgeber insoweit durch die Strafvorschriften betreffend die Verletzung des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs Rechnung getragen. Die Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes durch Mitschnitt wird in § 201 Abs. 1 StGB dahin geregelt, dass nur die Aufnahme bzw. Mitteilung des nichtöffentlich gesprochenen Wortes strafbewehrt ist. Dass sich die Predigt des Klägers an einen begrenzten, abgeschlossenen (Einlasskontrollen) Teilnehmerkreis richtete, ist nicht ersichtlich (vgl. Schönke/Schröder/Lenckner, StGB, 27. Aufl. 2006, § 201 Rdnr. 8). Mit § 201 Abs. 1 StGB hat der Gesetzgeber einen Ausgleich zwischen den Kommunikationsfreiheiten und Persönlichkeitsrechtsbelangen geschaffen, der die betroffenen Grundrechte in ein abschließendes Verhältnis praktischer Konkordanz bringen soll. Angesichts dessen liefe die Annahme weitergehender Beweisverwertungsverbote auf eine unzulässige Rechtsfortbildung contra legem hinaus.

(1.2) Zweifel an der Richtigkeit von Abschrift und Übersetzung der Predigt des Klägers bestehen nicht. Sowohl die Richtigkeit der Abschrift als auch die der Übersetzung ist durch den Dolmetscher der türkischen Sprache, Herrn Dipl.-Ing. A... Y..., unter Bezugnahme auf seine allgemeine Beeidigung bestätigt worden, was als solches unstreitig ist. Weiterhin sind Auslassungen, die insbesondere Teile der Predigt betreffen, die in arabischer Sprache gehalten worden sind, sowie dem besseren Verständnis dienende Zusätze des Dolmetschers jeweils besonders kenntlich gemacht worden; im Umfeld der aus sich selbst heraus verständlichen Passagen der Predigt, die die Beklagte zum Beleg ihrer Zitate anführt, finden sich solche Auslassungen nicht. Die vom Kläger beigebrachte Gedächtnisniederschrift seiner Predigt vermag ernsthafte Zweifel an einer korrekten Übersetzungsleistung schon deshalb nicht zu begründen, weil sich das Gedächtnisprotokoll auf nicht mehr als eineinhalb Seiten beläuft, während die Predigt über eine Stunde dauerte und ihre Abschrift durch den Dolmetscher rund 13 Seiten ausmacht. Schließlich hat der Kläger auch auf nochmaligen Hinweis des Senats lediglich konkret bestritten, die "Deutschen als stinkend bezeichnet" und ihnen "das Höllenfeuer angedroht" zu haben, was zu den seitens der Beklagten angeführten Belegstellen nicht in Widerspruch steht.

(2) Ferner hat der Senat beim Abgleich mit der Predigt zu berücksichtigen, dass die Zitatbehauptungen einen zweifachen Aussagegehalt aufweisen.

(2.1) Erstens wird dem Kläger von der Beklagten die Äußerung zugeschrieben, "Deutsche(n) als stinkende Ungläubige" bezeichnet zu haben. Hierzu ist festzustellen, dass der Kläger in seiner Predigt Deutsche und Europäer mit Ungläubigen ("Atheisten") gleichgesetzt hat. Es kann auf sich beruhen, ob bereits die Verwendung des Worts "Schweißgeruch" die Übersetzung in das Adjektiv "stinkende" rechtfertigt, wie es das Landgericht erwogen und im Ergebnis verneint hat. Denn nach Meinung des Klägers soll der Beseitigung dieses Geruchs zudem die Erweiterung der Parfümindustrie der Ungläubigen gedient haben. In Bezug auf die Parfümindustrie heißt es in der Predigt wenige Zeit zuvor aber gerade, dass die Europäer (also Ungläubigen) die Parfümindustrie deshalb "so weit entwickelt" hätten, damit "der schlechte Geruch durch schöne Düfte beseitigt wird". Wer aber schlecht riecht, der stinkt, worüber, weitergehende semantische Analysen erübrigend, ein Blick in die Bedeutungswörterbücher belehrt.

(2.2) Zweitens wird der Kläger der Behauptung bezichtigt, dass die Deutschen "in der Hölle landen". Dem ist die Predigtaussage gegenüberzustellen, dass die Ungläubigen "wegen ihrer Ungläubigkeit in nichts anderes als ins Feuer (kommen)". Nicht nachvollziehbar ist die Argumentation des Landgerichts, wonach es einen entscheidungserheblichen Unterschied mache, dass ausweislich der Predigt nicht allein die Deutschen "ins Feuer" kämen. Denn mit den "Atheisten" kommen eben auch die Deutschen, die der Kläger im Übrigen nochmals ausdrücklich hervorhebt, "ins Feuer". Dass "Feuer" ein Synonym für "Hölle" ist, stellt auch der Kläger nicht in Abrede.

b) aa) Die aus den beanstandeten Zitaten abgeleitete Bezeichnung des Klägers als "Hassprediger" (bzw. als jemand, der Hasspredigten halte) ist als Werturteil zu qualifizieren, das in dieser Eigenschaft am Schutz der Kommunikationsfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG teilhat. Denn die Äußerung wird entscheidend durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt (zu diesen Kriterien statt vieler Senat, NJW 1996, 1002), hinter denen sich kein bestimmender Tatsachenkern des Kunstworts ausmachen lässt (im Ergebnis ebenso OLG Köln, NJW 2005, 2554, 2556). Da das Werturteil u. a. durch die streitgegenständlichen Aussagen der Predigt unterlegt wird, stellt es keinen Angriff auf die Menschenwürde des Klägers dar und überschreitet auch die Grenze zur Formalbeleidigung oder Schmähkritik nicht (vgl. zu diesen Einschränkungen der Meinungsfreiheit BVerfGE 93, 266, 293 f.). Zudem handelt es sich etwa bei Fragen der Erscheinungsformen des Islams in Deutschland, muslimischer Integration in die freiheitlich-demokratische Grundordnung und der Gefahr des Entstehens von islamischen "Parallelgesellschaften" um Angelegenheiten, die die Öffentlichkeit wesentlich berühren. Bei derartigen Angelegenheiten spricht eine Vermutung zu Gunsten der Meinungsfreiheit (ständige Rechtsprechung seit BVerfGE 7, 198, 212), die auch pointierte, überspitzte oder polemische Charakterisierungen erlaubt (dazu BVerfGE 82, 272, 282).

bb) Demgegenüber sind (straf-) rechtliche Anwendungen des Hassbegriffs für die Abgrenzung von Werturteil und Tatsachenbehauptung ohne Bedeutung. Das Landgericht übersieht bei seiner Argumentation mit diesen Anwendungen, dass die tatbestandliche Konkretisierung - d. h. nicht zuletzt: tatsächliche Unterlegung von normativen Tatbestandsmerkmalen, z. B. des Hassbegriffs in § 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB - strafbaren Verhaltens durch den Bestimmtheitsgrundsatz erzwungen wird (Art. 103 Abs. 2 GG, hier: nullum crimen sine lege stricta). Es handelt sich um ein grundrechtsgleiches Recht, das den Bürger als magna charta des Strafrechts vor ausufernder Strafverfolgung schützt. Als solches kann es nicht zur Beschränkung von Grundfreiheiten - hier: des Art. 5 Abs. 1 GG - in gänzlich anders gelagerten Regelungszusammenhängen herangezogen werden, die in keinem Rechtsgüterkonflikt zu Art. 103 Abs. 2 GG stehen. Entsprechendes gilt für § 55 Abs. 2 Nr. 8 b) AufenthG, der als Eingriffsnorm ebenfalls (allgemeinen) rechtsstaatlichen Bestimmtheitsanforderungen genügen muss. Davon abgesehen hätte sich das Landgericht - von seinem Standpunkt aus - damit auseinander setzen müssen, dass man unterschiedliche Rechtsauffassungen (Werturteile) zum Inhalt eines Straftatbestands einnehmen kann. Die Subsumtion des Tatsachenstoffs unter den Tatbestand setzt bereits die Festlegung auf eine bestimmte Rechtsauffassung voraus, sodass sich die Gleichsetzung von Tatbestandsmerkmal und Tatsache auch aus diesem Grunde als nicht zwingend erweist.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 344 ZPO. Der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10 ZPO analog, da trotz nicht vermögensrechtlicher Streitigkeit (lediglich) eine vermögensrechtliche (Kosten-) Forderung vollstreckbar ist, und § 713 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird, entsprechend der unstreitigen Wertfestsetzung im ersten Rechtszug, auf 15.000,00 € festgesetzt (§§ 40, 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO).

Ende der Entscheidung

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