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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 17.01.2003
Aktenzeichen: 1 W 5/02
Rechtsgebiete: ZPO, BRAO


Vorschriften:

ZPO § 3
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 406 Abs. 2
ZPO § 406 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 406 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 406 Abs. 5
ZPO §§ 567 ff.
ZPO § 569 Abs. 1
ZPO § 569 Abs. 2
BRAO § 53 Abs. 1
BRAO § 53 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluß

1 W 5/02 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Oberlandesgericht... am 17. Januar 2003

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den ihr Ablehnungsgesuch gegen den Sachverständigen Dr. ... Sch... zurückweisenden Beschluß der 1. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 4. Februar 2002 (11 O 445/99) wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Wert von 7681,60 Euro zu tragen.

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte ...aus Arzthaftung in Anspruch. Sie verlangt Schadensersatz für ihr entgangenen Unterhalt in Höhe von DM 15.023,91 nebst Zinsen nach dem Tode ihres am 17.04.1996 verstorbenen Vaters K... I... Dieser befand sich in der Zeit vom 02. bis 05.05.1995 als Patient in der genannten Klinik, um sich im Zusammenhang mit einer ihm gewährten Dienstbeschädigungsteilrente wegen chronischer Glomerulonephritis einer Nachbegutachtung zu unterziehen. Kurze Zeit nach diesem Klinikaufenthalt wurde bei ihm ein Nierenzellkarzinom diagnostiziert, an dessen Folgen er verstarb. Die Klägerin ist der Ansicht, die Tumorerkrankung ihres Vaters sei fehlerhaft anläßlich seines stationären Aufenthaltes im ...krankenhaus ... nicht erkannt und behandelt worden, worauf sein vorzeitiger Tod zurückzuführen sei.

Die zunächst beim Landgericht Bonn anhängig gemachte Klage wurde auf Antrag der Klägerin mit Beschluß vom 13.09.1999 an das Landgericht Frankfurt (Oder) verwiesen, das seinerseits durch Beschluß vom 14.06.2000 eine Beweisaufnahme durch Einholung eines schriftlichen medizinischen Sachverständigengutachtens des ... Dr. med. ... Sch..., anordnete. Der Bestellung dieses Sachverständigen trat die Klägerin nicht entgegen. Er legte mit Datum vom 5. März 2001 ein schriftliches, 11seitiges Gutachten vor, dem ein 14 Quellen umfassendes Literaturverzeichnis beigefügt war. Hierzu nahm die Klägerin innerhalb der ihr dafür gesetzten, bis zum 05.06.2001 verlängerten Frist in der Weise Stellung, daß sie 7 ergänzende Fragen stellte, mit deren Beantwortung der Sachverständige durch Beschluß des Landgerichts vom 26.06.2001 beauftragt wurde. Sein Ergänzungsgutachten vom 30.09.2001 ging der Klägerin am 25.10.2001 zu, wobei ihr seitens des Landgerichts zur Geltendmachung von Einwendungen zunächst eine Frist bis zum 12.11.2001 gesetzt wurde, die auf ihren Antrag hin bis zum 03.12.2001 verlängert worden ist. Eingehend beim Landgericht am 04.12.2001 brachte die Klägerin gestützt auf das Ergänzungsgutachten ein Ablehnungsgesuch gegen den Sachverständigen Dr. Sch... an, das sie damit begründete, der Sachverständige habe zum einen Wertungen vorgenommen, die ausschließlich dem Gericht oblagen, zum anderen die ihm gestellten Fragen teilweise nicht beantwortet und sei im übrigen von in der medizinischen Literatur vertretenen Meinungen abgewichen.

Nach Gewährung rechtlichen Gehörs für die Beklagtenseite hat das Landgericht mit Beschluß vom 4. Februar 2002 das Ablehnungsgesuch zurückgewiesen. Gegen diese ihr am 7. Februar 2002 zugestellte Entscheidung wendet sich die Klägerin mit ihrer am 21. Februar 2002 eingegangenen sofortigen Beschwerde. Dieser hat das Landgericht nicht abgeholfen und die Sache dem Brandenburgischen Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 406 Abs. 5, 567 ff. ZPO zulässig. Sie ist nach § 569 Abs. 1 und 2 ZPO form- und fristgerecht eingelegt worden. Das Rechtsmittel bleibt jedoch ohne Erfolg.

1. Das Ablehnungsgesuch der Klägerin gegen den Sachverständigen Dr. Sch.... vom 04.12.2001 ist bereits unzulässig, weil es verspätet eingelegt worden ist. Der Ablehnungsantrag ist gemäß § 406 Abs. 2 Satz 1 ZPO grundsätzlich spätestens binnen 2 Wochen nach Bekanntgabe der Ernennung des Sachverständigen zu stellen. Zu einem späteren Zeitpunkt ist die Ablehnung zufolge § 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO nur zulässig, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, daß er ohne sein Verschulden verhindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen. An letzterem fehlt es. Allerdings leitet die Klägerin die Gründe für die Ablehnung des Sachverständigen - erst - aus dessen Ausführungen in dem Ergänzungsgutachten vom 30.09.2001, ihrem Prozeßbevollmächtigten zugegangen am 25.10.2001, her. Indes hat sie das Ablehnungsgesuch erst fast 6 Wochen später, nämlich durch Schriftsatz vom 04.12.2001, bei Gericht eingegangen am 06.12.2001, angebracht. Dies war verspätet. Das Ablehnungsgesuch ist für den Fall, daß der Ablehnungsgrund aus dem schriftlichen Sachverständigengutachten hergeleitet wird, unverzüglich (§121 BGB analog) anzubringen (Zöller/Greger, ZPO, 22. Aufl., § 406, Rdnr. 11; Thomas/Putzo, ZPO, 24. Aufl., § 406, Rdnr. 7, jeweils m.w.N.), soweit nicht besondere Gründe glaubhaft gemacht werden, aus denen der Antragsteller ohne Verschulden verhindert war, das Ablehnungsgesuch früher zu stellen. Hierbei verlängert sich die Frist gerade dann, wenn das Ablehnungsgesuch - wie hier - auf die Ausführungen des Sachverständigen in einem schriftlichen Gutachten gestützt wird, um eine angemessene Prüflings- und Überlegungszeit (vgl. BayObLG, MDR 1995, 412; OLG Frankfurt/ Main, FamRZ 1995, 1208; OLG Köln, VersR 1989, 210; OLG Celle, NJW-RR 1995, 128; Zöller/Greger, a.a.O.; Thomas/Putzo, a.a.O.; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 60. Aufl., § 406 Rdnr. 26). Aber auch unter Einbeziehung dessen war hier das Ablehnungsgesuch - erst nach fast 6 Wochen! - verspätet. Unbeachtlich ist in diesem Zusammenhang, daß das Landgericht eine Frist für die Mitteilung etwaiger Einwendungen gegen das Gutachten bis zum 12.11.2001 gesetzt und später bis zum 03.12.2001 verlängert hat. Dies galt für eine Stellungnahme zum Inhalt der Ausführungen des Sachverständigen (zur Vorbereitung der alsdann anzuberaumenden mündlichen Verhandlung) und konnte die für die Ablehnung des Sachverständigen nach § 406 Abs. 2 ZPO geltende gesetzliche Regelung nicht außer Kraft setzen. Vorliegendenfalls mag man freilich über die der Klägerin für ein Ablehnungsgesuch zuzubilligende Frist einschließlich angemessener Prüflings- und Überlegungszeit bis zu einem gewissen Grade streiten können. Immerhin ging es um medizinische Fragestellungen. Unbeschadet dessen war die hier von der Klägerin in Anspruch genommene Zeit von fast 6 Wochen zu lang: Das Ergänzungsgutachten war mit 9 Seiten nicht sehr umfangreich. Auch die (15) Literaturfundstellen - mit genauen Seitenangaben zwischen 3 und 14 Seiten - ist nicht uferlos. Ob der Sachverständige, wie die Klägerin weiter beanstandet, in dem Ergänzungsgutachten "ungefragt Wertungen vornimmt, deren Vornahme allein dem Gericht obliegt", läßt sich ggfs. aus dem Text selbst erschließen. Ob er, wie es in dem Ablehnungsgesuch ferner heißt, die ihm gestellten Fragen gar nicht oder unvollständig bzw. widersprüchlich beantwortet hat, betrifft die Sache selbst und gibt für die Frage einer Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen nichts her. Jedenfalls aber hat die Klägerin entgegen § 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO nicht glaubhaft gemacht, daß es ohne Verschulden nicht möglich war, das Ablehnungsgesuch früher zu stellen. Soweit in dem Schriftsatz des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin vom 25.10.2001 zur Begründung der Bitte um Fristverlängerung (für die Stellungnahme zu dem Ergänzungsgutachten) mitgeteilt worden ist, daß sich der "allein zuständige" anwaltliche Bearbeiter vom 25. - 27.10.2001 auf einer Fortbildung und sodann bis 11.11.2001 in Erholungsurlaub befinde, ist dies schon nicht glaubhaft gemacht. Und soweit sodann in dem Ablehnungsgesuch selbst anwaltlich versichert wird, daß eine "fristgerechte Fertigstellung" "wegen der Erkrankung bis zum gestrigen 3. Dezember 2001" des die Angelegenheit "bislang" allein bearbeitenden Rechtsanwalts nicht möglich gewesen sei, fehlt es an nachvollziehbaren Angaben dazu, ab wann der Rechtsanwalt erkrankt war; von daher bleibt denkbar, daß er sich der Angelegenheit zwischenzeitlich hätte annehmen können. Abgesehen von alledem hat der Rechtsanwalt gemäß § 53 Abs. 1 und 2 Bundesrechtsanwaltsordnung, wenn er länger als eine Woche an der Berufsausübung verhindert ist, für Vertretung zu sorgen und ggfs. einen Vertreter zu bestellen. Daß dies hier - innerhalb der Sozietät, notfalls auch darüber hinausgehend - nicht möglich gewesen wäre, ist nicht erkennbar. Dem Senat ist bewußt, daß es guter Übung entspricht, gegenüber Bitten um Fristverlängerung, die mit Urlaub oder Krankheit des bearbeitenden Rechtsanwalts begründet werden, großzügig zu verfahren. Daraus läßt sich jedoch nichts für die Frage ableiten, ob ein Prozeßbevollmächtigter "ohne Verschulden" "verhindert" war, eine gesetzliche Frist einzuhalten bzw. - wie hier in Frage stehend - entsprechend der gesetzlichen Regelung in § 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO einen Ablehnungsgrund "früher" geltend zu machen.

Eines vorherigen richterlichen Hinweises zur Frage der Zulässigkeit (Rechtzeitigkeit) des Ablehnungsgesuches bedurfte es - unbeschadet dessen, daß die Frage in der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts keine Rolle spielt - nicht, nachdem dieser Punkt von den beiderseitigen Prozeßbevollmächtigten ausweislich ihrer Schriftsätze (Schriftsatz der Beklagten vom 16.01.2002 S. 1 f.; Schriftsatz der Klägerin vom 21.02.2002 S. 3) durchaus gesehen und erörtert worden ist.

2. Das Ablehnungsgesuch ist, wie der Senat vorsorglich bemerkt, auch in der Sache selbst nicht gerechtfertigt. Die dahingehende Einschätzung des Landgerichts in der angefochtenen Entscheidung vom 04.02.2002 i.V.m. der Nichtabhilfeentscheidung vom 26.02.2002 trifft im Ergebnis zu. Aus den Ausführungen der Klägerin sowohl in dem Ablehnungsgesuch vom 04.12.2001 als auch in dem Beschwerdeschriftsatz vom 21.02.2002 ergeben sich keine Umstände, die bei vernünftiger Betrachtung aus der Sicht der Klägerin berechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit des Sachverständigen aufkommen lassen. Die Klägerin macht geltend, daß der Sachverständige in dem Ergänzungsgutachten Wertungen vorgenommen habe, die dem Gericht vorbehalten seien, und die ihm gestellten Fragen entweder nicht oder nur unvollständig bzw. widersprüchlich beantwortet habe. Solche Vorhaltungen mögen Anlaß geben, den Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung seines Gutachtens zu laden oder ein ergänzendes Gutachten des nämlichen oder eines weiteren Sachverständigen einzuholen, wie es das Landgericht ausweislich seiner Nichtabhilfeentscheidung für den Fall einer Zurückweisung der Beschwerde in Betracht zieht.

Fragen zur Sache selbst sind nicht im Sachverständigenablehnungsverfahren auszutragen, sondern gehören ins Erkenntnisverfahren.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Streitwertfestsetzung aus § 3 ZPO, wobei nach der Rechtsprechung des Senats für das Beschwerdeverfahren der Wert des Hauptsacheverfahrens in Ansatz zu bringen ist.

Ende der Entscheidung

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