Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 07.06.2007
Aktenzeichen: 10 UF 231/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1603 Abs. 2 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

10 UF 231/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 7. Juni 2007

Verkündet am 7. Juni 2007

In der Familiensache

hat der 2. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 22. Mai 2007 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Prof. Schael, die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Liceni-Kierstein und den Richter am Oberlandesgericht Gutjahr

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Strausberg vom 8. November 2006 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst.

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu Händen seiner gesetzlichen Vertreterin einen monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von

- 153 € vom 1. September bis zum 30. November 2005,

- 228 € für Dezember 2005 sowie vom 1. Juli 2006 bis zum 31. Januar 2011,

und

- 269 € ab dem 1. Februar 2011

zu zahlen.

Der Unterhaltsrückstand ist sofort zahlbar und der laufende Unterhalt monatlich im Voraus bis zum 3. eines jeden Monats.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz fallen dem Kläger zu 9 % und dem Beklagten zu 91 % zur Last.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger zu 8 % und dem Beklagten zu 92 % auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Wert des Berufungsverfahrens wird wie folgt festgesetzt:

- bis zum 22.5.2007 auf 4.107 €

- für die Zeit danach auf 1.368 €

Gründe:

A.

Der Kläger verlangt vom Beklagten Kindesunterhalt ab 9/2005.

Der in 2/1999 geborene Kläger ist der Sohn des Beklagten, der die Vaterschaft anerkannt hat. Der Kläger lebt im Haushalt seiner Mutter. Ihm werden seit 1/2004 Unterhaltsvorschussleistungen gewährt.

Der Beklagte ist und war in der Vergangenheit arbeitslos. Seine Arbeitslosigkeit wurde durch ein Arbeitsverhältnis, das vom 2.1. bis zum 28.3.2006 dauerte, unterbrochen.

Das Amtsgericht hat dem Kläger nach teilweiser Klagerücknahme einen Kindesunterhalt ab 9/2005 in Höhe zwischen 153 € und 269 € monatlich auf der Grundlage fiktiver Arbeitseinkünfte des Beklagten zuerkannt.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Beklagten. Zur Begründung macht er insbesondere geltend, dem Kläger fehle mit Blick auf die gewährten Leistungen der Unterhaltsvorschusskasse die Aktivlegitimation und auch das für eine gerichtliche Titulierung erforderliche Feststellungsinteresse.

Der Beklagte beantragt nach teilweiser Zurücknahme seines Rechtsmittels,

unter Abänderung des am 8.11.2006 verkündeten Urteils des Familiengerichts Strausberg die Klage abzuweisen, soweit er für die Zeit von 1 bis 6/2006 zu Unterhaltszahlungen verurteilt wurde.

Der Kläger verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Er begehrt unter Vorlage eines mit dem Land Brandenburg geschlossenen Abtretungsvertrages aus 2/2007 und unter Hinweis auf die Erwerbsobliegenheitsverletzung des Beklagten die Zurückweisung der Berufung.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie die tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.

B.

Nachdem der Beklagte im Senatstermin seine weitergehende Berufung zurückgenommen hat, war nur noch über den Unterhaltszeitraum von 1 bis 6/2006 zu entscheiden. Insoweit führt das zulässige Rechtsmittel des Beklagten zum Erfolg.

I.

Für die Zeit vom 1.1. bis zum 30.6.2006 schuldet der Beklagte seinem minderjährigen Sohn keinen Kindesunterhalt.

1.

Unter Berücksichtigung seiner tatsächlichen Einkünfte in dieser Zeit war der Beklagte leistungsunfähig.

In den Monaten 1 bis 3/2006 hat der Beklagte bei der Firma L... Bautenschutz in B... als Monteur gearbeitet. Nach seiner Darstellung hat der Beklagte von dem ihm für diese Zeit nach dem schriftlichen Anstellungsvertrag aus 12/2005 zustehenden und in den Lohnbescheinigungen auch ausgewiesenen Arbeitslohn von seinem Arbeitgeber lediglich Abschlagszahlungen in Höhe von insgesamt 1.000 € erhalten. Das wird durch das vorgelegte Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Berlin aus 6/2006 bestätigt. Seit Ende 3/2006 bezieht der Beklagte Arbeitslosengeld in Höhe von monatlich rund 728 €.

Die tatsächlichen Einkünfte des Beklagten in der Zeit vom 1.1. bis zum 30.6.2006 erreichen damit nicht den ihm zu belassenden notwendigen Selbstbehalt. Dieser beträgt nach den für den Wohnort des Beklagten in B... maßgebenden unterhaltsrechtlichen Leitlinien des Kammergerichts im 1. Halbjahr 2006 für einen Erwerbstätigen 890 € und für einen Nichterwerbstätigen 770 €.

2.

Der Beklagte als gemäß § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB verschärft haftender Unterhaltspflichtiger muss sich für die Zeit vom 1.1. bis zum 30.6.2006 auch nicht als fiktiv leistungsfähig behandeln lassen. Ihm ist nicht der dafür erforderliche Vorwurf einer schuldhaften Erwerbsobliegenheitsverletzung zu machen.

Der Beklagte hat in 12/2005 einen zeitlich unbefristeten Anstellungsvertrag mit der Firma L... Bautenschutz in B... geschlossen. Das Arbeitsverhältnis begann am 2.1.2006. In dem schriftlichen Vertrag war ein angemessener Bruttoarbeitslohn von 10 €/Stunde vereinbart worden. Damit hätte der Beklagte bei vollschichtiger Arbeit ein Monatsnetto von ca. 1.184 € erzielen können, wie es auch für 2/2006 in seiner Lohnabrechnung ausgewiesen ist. Mit einem Einkommen in dieser Höhe wäre der Beklagte in der Lage gewesen, unter Wahrung seines notwendigen Selbstbehalts den Regelbetrag für den Kläger zu leisten.

Der Arbeitsplatzverlust Ende 3/2006 ist nicht selbst verschuldet. Er wurde insbesondere nicht durch ein unterhaltsbezogenes leichtfertiges Verhalten des Beklagten verursacht. Die Gründe für den Verlust des Arbeitsplatzes liegen beim Arbeitgeber des Beklagten, der den geschuldeten und in den Monatsabrechnungen 1 und 2/2006 ausgewiesenen Nettoarbeitslohn trotz Fälligkeit nur teilweise ausgezahlt hat. Die daraufhin vorgenommene Zurückbehaltung seiner vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung stellt keine Arbeitspflichtverletzung des Beklagten dar, sondern ist durch ein schuldhaftes Verhalten der Firma L... Bautenschutz veranlasst worden. Da der Arbeitsplatzverlust nicht dem Verantwortungsbereich des Beklagten zuzurechnen ist, fehlt es an einer Grundlage für eine fiktive Einkommenszurechnung für die Monate 1 bis 3/2006. Ein dafür erforderlicher schuldhafter Verstoß des Beklagten gegen die ihn treffende gesteigerte Erwerbsobliegenheit lässt sich nach den Umständen nicht feststellen.

Nach dem Arbeitsplatzverlust Ende 3/2006 musste sich der Beklagte zwar intensiv um eine neue Arbeitsstelle kümmern. Ihm ist jedoch eine Übergangszeit für die erneute Arbeitssuche von drei Monaten bis Ende 6/2006 einzuräumen.

Folglich scheidet für den Unterhaltszeitraum 1 bis 6/2006 eine fiktive Einkommenszurechnung aus mit der Folge, dass die tatsächlichen Einkommensverhältnisse des Beklagten für die Frage seiner Leistungsfähigkeit maßgebend sind. Wie bereits ausgeführt, war der Beklagte jedoch von 1 bis 6/2006 tatsächlich leistungsunfähig.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 516 Abs. 3 ZPO.

Entgegen der Auffassung des Beklagten hätte der Erfolg des Klägers in der Rechtsmittelinstanz ohne die im Senatstermin erklärte teilweise Zurücknahme der Berufung des Beklagten nicht auf einem neuen Klagevortrag beruht. Der Umstand, dass dem Kläger seit 1/2004 Unterhaltsvorschussleistungen gewährt werden, war in erster Instanz bereits vorgetragen. Das ergibt sich auch aus dem Tatbestand des angefochtenen Urteils. Ferner hat der Beklagte in seinem erstinstanzlichen Schriftsatz aus 5/2006 selbst auf den gezahlten Unterhaltsvorschuss hingewiesen. Darauf, ob das Amtsgericht die vor und nach Eintritt der Rechtshängigkeit im vorliegenden Verfahren gewährten Unterhaltsvorschussleistungen rechtlich zutreffend behandelt hat bzw., dass der Kläger erst im zweiten Rechtszug einen schriftlichen Abtretungsvertrag mit dem Land Brandenburg vorgelegt hat, kommt es für die Kostenentscheidung nicht an. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist daher im Streitfall für die Anwendung des § 97 Abs. 2 ZPO kein Raum.

Die weiteren Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück