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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 22.05.2007
Aktenzeichen: 10 UF 239/06
Rechtsgebiete: BGB, Regelbetrag-VO, BSHG, SGB XII, UVG


Vorschriften:

BGB § 1603 Abs. 2 Satz 1
Regelbetrag-VO § 1
BSHG § 91 Abs. 2 Satz 1
SGB XII § 94 Abs. 3 Nr. 1
UVG § 7 Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

10 UF 239/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 22. Mai 2007

verkündet am 22. Mai 2007

In der Familiensache

hat der 2. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 3. Mai 2006 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Prof. Schael, die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Liceni-Kierstein und den Richter am Oberlandesgericht Gutjahr

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt vom 10. November 2006 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst.

Der Beklagte wird verurteilt, für die Klägerin einen monatlichen Kindesunterhalt

- von 66 € vom 1. Dezember 2005 bis zum 31. Mai 2006 und

- von 177 € seit dem 1. Juni 2006

zu zahlen.

Für die Zeit vom 1. Juni 2006 bis zum 31. Januar 2007 sind die Zahlungen in Höhe von monatlich 111 € an die Unterhaltsvorschusskasse des Landkreises ... in B... zu leisten. Für die Zeit vom 1. Februar 2007 bis zum 31. Mai 2007 sind die Zahlungen in Höhe von monatlich 111 € an die Unterhaltsvorschusskasse des Bezirksamts P... von B... zu leisten. Im Übrigen haben die Zahlungen an die Klägerin selbst zu Händen ihrer gesetzlichen Vertreterin zu erfolgen.

Der Unterhaltsrückstand ist sofort und der laufende Unterhalt monatlich im Voraus bis zum 3. eines jeden Monats zahlbar.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits fallen dem Beklagten zu 93 % und der Klägerin zu 7 % zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf 3.009 € festgesetzt.

Gründe:

A.

Die Parteien streiten im Rahmen einer Stufenklage über Kindesunterhalt ab 12/2005.

Die in 4/2004 geborene Klägerin ist die Tochter des Beklagten. Sie ist aus einer nichtehelichen Beziehung der Kindeseltern hervorgegangen. Das Kind, das Unterhaltsvorschussleistungen bezieht, lebt im Haushalt seiner Mutter in B.... Der Beklagte wohnt in D.../B.... Er ist Vater eines weiteren, ebenfalls aus einer nichtehelichen Beziehung hervorgegangenen Kindes - F... K..., geboren in 8/2002 - , für das er sich durch eine in 3/2005 errichtete Jugendamtsurkunde zu Unterhaltszahlungen verpflichtet hat.

Nach Erlangung seiner Hochschulreife war der im Jahr 1974 geborene Beklagte von 1997 bis 2006 an der Universität in H... für die Studienfächer Romanistik und Volkswirtschaftslehre eingeschrieben. Daneben übte er zeitweilig stundenweise Tätigkeiten auf Geringverdienerbasis aus. In den Jahren 2005/2006 hielt sich der Beklagte einige Monate im Ausland auf, wo er einen Tauchlehrgang absolvierte sowie als Tauchlehrer und Reisebetreuer tätig war. Seit 5/2006 ist der Beklagte als Immobilienmakler selbstständig.

Der Auskunftsantrag der Klägerin ist in 6/2006 durch Versäumnisurteil erledigt worden. Durch das angefochtene Urteil hat das Amtsgericht den Beklagten auf der Grundlage fiktiver Monatseinkünfte von 1.400 € antragsgemäß verurteilt, für die Klägerin ab 12/2005 einen monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von 177 € zu leisten. Hiervon sei ein Teilbetrag von monatlich 111 € für die Zeit bis zum 31.10.2006 an die Unterhaltsvorschusskasse zahlbar.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Beklagten. Zur Begründung macht er insbesondere geltend, für Teile des eingeklagten Unterhalts sei die Klägerin nicht aktivlegitimiert, er sei zudem nach seinen tatsächlichen Einkünften leistungsunfähig. Die vom Amtsgericht vorgenommene fiktive Einkommenszurechnung sei nicht gerechtfertigt. Zumindest hätten unterhaltsrechtlich relevante Abzüge berücksichtigt werden müssen.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des am 10.11.2006 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt die Klage abzuweisen.

Die Klägerin, die die erstinstanzliche Entscheidung verteidigt, beantragt die Zurückweisung der Berufung mit der Maßgabe, dass der Beklagte auch für die Zeit von 11/2006 bis 5/2007 in Höhe der Unterhaltsvorschussleistungen 111 € monatlich zur Zahlung an die Unterhaltsvorschusskasse verurteilt werde.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.

B.

Die zulässige Berufung des Beklagten hat nur im Umfang der vor Rechtshängigkeit erbrachten Unterhaltsvorschussleistungen Erfolg. Insoweit fehlt der Klägerin die Befugnis, ihren Unterhaltsanspruch gerichtlich geltend zu machen. Im Übrigen bleibt das Rechtsmittel des Beklagten ohne Erfolg.

I.

Das Amtsgericht hat den Beklagten zu Recht als fiktiv leistungsfähig zur Zahlung der geltend gemachten Unterhaltsbeträge behandelt.

1.

Gemäß § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB sind Eltern gegenüber ihren minderjährigen unverheirateten Kindern verpflichtet, alle verfügbaren Mittel zu ihrem und der Kinder Unterhalt gleichmäßig zu verwenden. Sie trifft eine erheblich gesteigerte Verpflichtung zur Ausnutzung ihrer Arbeitskraft. Für die von ihm behauptete Einschränkung der Leistungsfähigkeit oder sogar Leistungsunfähigkeit ist der verschärft nach § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB haftende Unterhaltsverpflichtete im Bereich des Regelbedarfs, um den es vorliegend geht, darlegungs- und beweispflichtig. Legt er nicht dar, dass er unter Anspannung aller Kräfte und Ausnutzung sämtlicher vorhandener Möglichkeiten mit der gebotenen Intensität Erwerbsbemühungen entfaltet hat, muss er sich fiktiv erzielbare Einkünfte aus einer möglichen und zumutbaren Erwerbstätigkeit zurechnen lassen.

Kann - wie hier - nicht an einen angemessenen früheren Verdienst angeknüpft werden, ist die Höhe der fiktiven Einkünfte im Wege der Schätzung zu ermitteln. Es ist das Einkommen anzusetzen, das der Unterhaltsverpflichtete nach seinem Alter, auf Grund seiner Vor- und Ausbildung sowie unter Berücksichtigung sämtlicher weiterer Umstände erzielen könnte (vgl. hierzu etwa BGH, FamRZ 1984, 374/377).

Der ihm obliegenden Darlegungs- und Beweislast für eine erfolglose Arbeitsuche ist der Beklagte nicht nachgekommen. Er muss sich daher wegen Verletzung seiner gesteigerten Erwerbsobliegenheit fiktive bereinigte Monatseinkünfte von mindestens 1.200 € zurechnen lassen. Damit kann er den von der Klägerin geforderten Unterhaltsbetrag von monatlich 177 € ohne eine Gefährdung seines notwendigen Selbstbehalts leisten.

a)

Das bis 2006 andauernde Studium des Beklagten steht einer solchen fiktiven Einkommenszurechnung nicht entgegen.

Die letzten Studiennachweise des Beklagten stammen aus den Jahren 2001/2002. Für die Zeit danach ergibt sich weder aus dem Vorbringen des Beklagten noch aus den Umständen, dass er sein Studium mit der gebotenen Zielstrebigkeit fortgesetzt hätte. Der Beklagte war nach seiner Darstellung in 8/2005 ohne Arbeit und Einkommen. In den Monaten 9 und 10/2005 absolvierte er einen Tauchlehrgang in M.... Von 11/2005 bis 3/2006 arbeitete er als Tauchlehrer und Reisebetreuer in T.... Anschließend machte er sich als Immobilienmakler selbstständig.

Angesichts seiner gesteigerten Erwerbsobliegenheit gegenüber zwei minderjährigen Kindern und seiner bereits in 3/2005 eingegangenen Unterhaltsverpflichtung zur Zahlung von 100 % des Regelbetrages gemäß § 1 Regelbetrag-VO für den Sohn F... hätte der Beklagte schon die Zeit ab 8/2005 für eine intensive Arbeitsplatzsuche nutzen können und müssen. Ihm war es dabei anzusinnen, sich um jede Art von Tätigkeit, auch um solche Arbeiten unterhalb seines Ausbildungsniveaus und seiner gewohnten Lebensstellung zu bemühen. Er durfte dabei auch nicht Arbeiten für ungelernte Kräfte sowie Arbeiten zu ungünstigen Zeiten oder zu wenig attraktiven Arbeitsbedingungen ausschließen. Erwerbsbemühungen, die den von der Rechtsprechung in diesem Zusammenhang aufgestellten strengen quantitativen und qualitativen Anforderungen genügen (vgl. zu den Einzelheiten etwa die Darstellung bei Kalthoener/Büttner/ Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 9. Aufl., Rn. 617 ff. m. w. N.), hat der Beklagte nicht dargelegt. Er muss sich daher wegen Verletzung seiner nach § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB gesteigerten Erwerbsobliegenheit ab Beginn des Anspruchszeitraums am 1.12.2005 ein fiktives Einkommen aus einer vollschichtigen abhängigen Erwerbstätigkeit zurechnen lassen. Seinen Plan, sich als Immobilienmakler selbstständig zu machen, durfte der Beklagte erst verwirklichen, wenn er zuvor in geeigneter Weise durch Rücklagenbildung oder Kreditaufnahme dafür Sorge getragen hatte, dass er mindestens den Regelunterhalt für seine beiden minderjährigen Kinder in der Anlaufphase bis zur Erzielung ausreichender Einkünfte sicherstellen konnte. Diese Verpflichtung hat der Beklagte nicht erfüllt.

b)

Zu Gunsten des Beklagten kann unterstellt werden, dass es für ihn gegenwärtig nicht realistisch ist, das vom Amtsgericht angesetzte Einkommen in Höhe von 1.400 € monatlich zu erzielen. Das ändert an seiner festgestellten Zahlungsverpflichtung gegenüber der Klägerin nichts.

Bei der Beurteilung der Frage, ob im Rahmen der gebotenen Arbeitsbemühungen eine reale Beschäftigungschance bestanden hätte, sind realistische Maßstäbe anzulegen. Insoweit ist von den Angaben des Beklagten zu seinem schulischen und beruflichen Werdegang auszugehen. Es ist daher zu berücksichtigen, dass der Beklagte viele Jahre an der Universität in H... - u. a. im Studiengang Volkswirtschaftslehre - studiert hat und über Fremdsprachenkenntnisse (Türkisch und Englisch) verfügt. Ferner besitzt er praktische Erfahrungen im Gaststätten- und Tourismusbereich und lebt seit vielen Jahren in B..., einem Bundesland mit einer starken Wirtschaftsstruktur. Unter Berücksichtigung dieser Umstände kann angenommen werden, dass für den Beklagten bei hinreichenden rechtzeitigen Erwerbsbemühungen ab Beginn des Anspruchszeitraums die reale Chance bestanden hätte, mit einer vollschichtigen abhängigen Beschäftigung bereinigte Monatseinkünfte von jedenfalls 1.200 € zu erzielen. Nach seinen persönlichen Voraussetzungen und den übrigen Umständen hätte der Beklagte einen Arbeitsplatz mit einem solchen Einkommen beispielsweise als Automobilverkäufer bzw. in anderen Verkaufsbereichen (z.B. von Sport-, Camping- und Freizeitartikeln oder von Fernseh-und Radiogeräten), im Gebäude- oder sonstigen Reinigungshandwerk, im Hotel-, Restaurant- und Gaststättengewerbe, als Angestellter in der Immobilienvermittlungsbranche bzw. bei Haus- und Grundstücksverwaltungen oder auch im Bewachungsgewerbe finden können. Der Beklagte muss sich deshalb wegen Verletzung seiner nach § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB gesteigerten Erwerbsobliegenheit so behandeln lassen, als verfüge er im Unterhaltszeitraum über bereinigte Nettoeinkünfte in Höhe von mindestens 1.200 €.

3.

Auf der Grundlage eines bereinigten Monatseinkommens von 1.200 € ist der Beklagte in der Lage, den vom Amtsgericht zugesprochenen Unterhaltsbetrag in Höhe von monatlich 177 € ab 12/2005 für die Klägerin zu leisten.

a)

Entgegen der Auffassung des Beklagten sind keine einkommensmindernden Positionen zu berücksichtigen.

Im Rahmen einer abhängigen Tätigkeit wäre der Beklagte gesetzlich rentenversichert gewesen. Es ist vom Beklagten bereits nicht vorgetragen worden, dass er eine ergänzende Alterssicherung vorgenommen hätte, wenn er zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses mit der ... Deutsche Lebensversicherung AG im Rahmen eines bestehenden Angestelltenverhältnisses Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung hätte leisten müssen. Ferner wäre es dem in 12/1974 geborenen Beklagten angesichts seines Alters von heute erst 32 Jahren und seiner gesteigerten Unterhaltspflicht gegenüber zwei minderjährigen Kindern sowie seiner wirtschaftlich beengten Verhältnisse anzusinnen, eine kostenträchtige zusätzliche private Altersvorsorge zurückzustellen, solange es um die Sicherstellung des Regelbetrags für seine beiden Kinder geht.

Die Rechtsschutzversicherung und die Miete hat der Beklagte von dem ihm zu belassenden notwendigen Selbstbehalt zu bestreiten. Die Notwendigkeit einer höheren Mietzahlung, als sie im Selbstbehalt vorgesehen ist, hat der Beklagte nicht dargelegt.

Der Möbelkredit ist ebenfalls nicht abzugsfähig. Das Vorbringen des Beklagten lässt nicht den Schluss zu, dass der Kredit für seine Büro- und Wohnungseinrichtung aus unterhaltsrechtlich anzuerkennenden Gründen notwendig war.

b)

Zu Gunsten des Beklagten kann angenommen werden, dass für seinen in 8/2002 geborenen und unterhaltsrechtlich mit der Klägerin gleichrangigen Sohn F... K... die durch Jugendamtsurkunde in 3/2005 festgesetzte Unterhaltsrente von 100 % des Regelbetrags der 1. Altersstufe gemäß § 1 Regelbetrag-VO in Ansatz zu bringen ist. Selbst der volle zu Gunsten von F... titulierte Zahlbetrag von (204 € - 5 € =) 199 € monatlich führt nicht zu einer Einschränkung der Leistungsfähigkeit des Beklagten.

c)

Der dem Beklagten zu belassende notwendige Selbstbehalt bleibt bei einer Zahlung des vom Amtsgericht für die Klägerin zuerkannten Kindesunterhalts von monatlich 177 € und des für F... titulierten Unterhaltsbetrages von 199 € gewahrt.

Der Beklagte beruft sich selbst darauf, dass er seit 2005 von seiner Lebensgefährtin, mit der er zusammenlebt, finanziell unterstützt wird. Nach seiner Darstellung kommt sie für seinen Lebensunterhalt mit auf. Der Sachvortrag des Beklagten rechtfertigt danach die Annahme hinreichender Leistungsfähigkeit seiner Lebenspartnerin. Das Zusammenleben des Beklagten mit seiner Lebensgefährtin hat zur Folge, dass auf Grund der gemeinsamen Haushaltsführung und des gemeinsamen Wirtschaftens der notwendige Selbstbehalt des Beklagten, der nach den für seinen Wohnort maßgebenden Süddeutschen Unterhaltsleitlinien für den Fall der hier zu unterstellenden vollschichtigen Erwerbstätigkeit monatlich 890 € beträgt, um eine Haushaltsersparnis zu mindern ist. Von dieser zwischen den Lebenspartnern im Zweifel aufzuteilenden Kostenersparnis - die nach der ständigen Senatsrechtsprechung bis zu 25 % des Selbstbehalts betragen kann - entfallen hier nach den vorgetragenen Umständen 12,5 % auf den Beklagten . Ein höherer notwendiger Selbstbehalt als 780 € monatlich kann dem Beklagten seit Beginn des Unterhaltszeitraums folglich nicht zugebilligt werden.

d)

Mit dem ihm zuzurechnenden bereinigten Monatseinkommen von jedenfalls 1.200 € kann der Beklagte ohne Gefährdung seines reduzierten notwendigen Selbstbehalts von 780 € sowohl den titulierten Kindesunterhalt in Höhe von monatlich 177 € für die Klägerin als auch denjenigen für F... in Höhe von monatlich 199 € leisten.

4.

Zu Recht rügt der Beklagte, dass das Amtsgericht den gesetzlichen Forderungsübergang im Hinblick auf die von der Klägerin seit 12/2005 bezogenen Unterhaltsvorschussleistungen nicht hinreichend berücksichtigt hat.

a)

Anders als bei der früheren Regelung des § 91 Abs. 2 Satz 1 BSHG, jetzt § 94 Abs. 3 Nr. 1 SGB XII, besteht im Rahmen des Unterhaltsvorschussgesetzes kein Rückgriffsausschluss. Wie vom Bundesgerichtshof entschieden worden ist, findet ein Anspruchsübergang nach § 7 Abs. 1 Satz 1 UVG auch dann statt, wenn - wie hier - eine Leistungsfähigkeit des Pflichtigen nur auf der Grundlage eines fiktiven Einkommens bejaht wird (vgl. BGH, FamRZ 2001, 619/621).

b)

Die Klägerin erhält seit Beginn des streitbefangenen Unterhaltszeitraums und auch heute noch Unterhaltsvorschussleistungen, die sich auf 111 € monatlich belaufen. In dieser Höhe ist der Unterhaltsanspruch der Klägerin vorrangig und ungeachtet der nur fiktiv bestehenden Leistungsfähigkeit des Beklagten auf das jeweilige Land bzw. die jeweils auszahlende Unterhaltsvorschusskasse in B... bzw. Be... übergegangen.

Für die Vergangenheit, also für die Zeit vor Rechtshängigkeit der vorliegenden Klage, ist allerdings allein das Land Brandenburg als Leistungsträger und Anspruchsinhaber befugt, den Unterhaltsanspruch, soweit er übergegangen ist, gerichtlich und außergerichtlich geltend zu machen. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts fehlt der Klägerin daher insoweit die Prozessführungsbefugnis bzw. Aktivlegitimation. Der Unterhaltsanspruch der Klägerin ist dabei nicht erst mit der Bezifferung, sondern bereits mit Erhebung der Stufenklage rechtshängig geworden (vgl. hierzu Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl., § 254, Rn. 1). Die Rechtshängigkeit der Klage ist danach vorliegend bereits am 20.5.2006 eingetreten. Bis zu diesem Zeitpunkt waren ausweislich der Aufstellung des Jugendamts die Unterhaltsvorschussleistungen für die Monate 12/2005 bis 5/2006 gezahlt worden. Die Klägerin kann daher für diesen Zeitraum nur noch monatlich (177 € - 111 € =) 66 € beanspruchen. Im Umfang des durch den Unterhaltsvorschuss für die Monate 12/2005 bis 6/2006 abgedeckten Teils ihres Unterhaltsanspruchs ist die Klägerin dagegen zur Geltendmachung im vorliegenden Verfahren nicht berechtigt. Eine wirksame Einziehungsermächtigung ist der Klägerin von der jeweiligen Unterhaltsvorschusskasse nicht eingeräumt worden.

c)

Für die Zeit seit Rechtshängigkeit konnte die Klägerin ihre Klage auf Zahlung von Kindesunterhalt als bisherige Anspruchsinhaberin im eigenen Namen weiterführen und als Prozessstandschafterin des jeweiligen Landes den bis zur letzten mündlichen Verhandlung fällig gewordenen Unterhalt im Umfang des gewährten Unterhaltsvorschusses geltend machen (§ 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Sie war lediglich gehalten, dem Anspruchsübergang auf den jeweiligen Träger der Unterhaltsvorschussleistungen Rechnung zu tragen und den Klageantrag der materiellen Rechtslage anzupassen. Sie musste also für den ab 6/2006 fällig gewordenen Unterhalt in Höhe von monatlich 111 € die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung an die jeweilige Unterhaltsvorschusskasse begehren. Dies ist von der Klägerin nach dem Inhalt des Verhandlungsprotokolls vom 25.10.2006 erstinstanzlich auch so beantragt und vom Amtsgericht bis zum 31.10.2006 entsprechend ausgeurteilt worden.

Dem für die Zeit ab 11/2006 eingetretenen gesetzlichen Forderungsübergang hat die Klägerin im Senatstermin durch Umstellung ihres Antrags Rechnung getragen. Sie hat Berufungsabweisung mit der Maßgabe beantragt, dass der Beklagte auch noch für die Zeit von 11/2006 bis zum Ende des Monats 5/2007, in dem die letzte mündliche Verhandlung stattgefunden hat, im Umfang der bezogenen Unterhaltsvorschussleistungen zur Zahlung an die jeweilige Unterhaltsvorschusskasse verurteilt werde.

II.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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