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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 23.08.2001
Aktenzeichen: 10 UF 95/01
Rechtsgebiete: ZPO, Unterhaltstitel-AnpassungsG, BGB


Vorschriften:

ZPO § 655 Abs. 5
ZPO § 655
ZPO § 655 Abs. 5 Satz 2
ZPO § 655 Abs. 3
ZPO § 655 Abs. 3 Satz 1
ZPO § 655 Abs. 6
ZPO § 577 Abs. 1
ZPO § 176
ZPO § 656
ZPO § 646
ZPO § 646 Abs. 1 Nr. 4
ZPO § 646 Abs. 1 Nr. 5
ZPO § 261 Abs. 1
ZPO § 253 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 1
Unterhaltstitel-AnpassungsG § 2
BGB § 1612 b
BGB § 1612 c
BGB § 1612 b Abs. 5
BGB § 1612 a
BGB § 1613 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluß

10 UF 95/01 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Familiensache

hat der 2. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners vom 24. April 2001 gegen den Beschluß des Amtsgerichts Bernau vom 3. April 2001 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Schael, die Richterin am Oberlandesgericht Berger und den Richter am Oberlandesgericht Gutjahr

am 23. August 2001

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Antragsgegners zurückgewiesen.

Der Beschwerdewert wird auf bis zu 600 DM festgesetzt.

Gründe:

Die sofortige Beschwerde ist zulässig gem. § 655 Abs. 5 ZPO. Insbesondere ist die Beschwerdefrist nach §§ 655 Abs. 5, 577 Abs. 1 ZPO eingehalten. Zwar hat der Antragsteller, dem der angefochtene Beschluß am 07.04.2001 zugestellt worden ist, Beschwerde erst am 24.04.2001, und damit nach Ablauf der Beschwerdefrist von zwei Wochen, eingelegt. Die Zustellung an den Antragsteller war aber unwirksam. Das Amtsgericht hat die Vorschrift des § 176 ZPO, wonach Zustellungen an den für den Rechtszug bestellten Prozeßbevollmächtigten erfolgen müssen, nicht beachtet. Noch vor Erlaß des angefochtenen Beschlusses am 03.04.2001, nämlich am 02.04.2001, ist beim Amtsgericht ein Schriftsatz der Rechtsanwälte D in P eingegangen, mit dem sie angezeigt haben, den Antragsgegner rechtlich zu vertreten. Ein solcher Schriftsatz bewirkt die Bestellung des Prozeßbevollmächtigten (vgl. Zöller/Stöber, ZPO, 22. Aufl., § 176, Rz. 5). Die nach dieser Bestellung erfolgte Zustellung des angefochtenen Beschlusses an die Partei ist unwirksam (Zöller/Stöber, a.a.O., § 176, Rz. 16). Die unwirksame Zustellung aber setzt die Beschwerdefrist nicht in Lauf (vgl. Zöller/Gummer, a.a.O., § 577 Rz. 8, 10).

Der Antragsteller begehrt Abänderung der Jugendamtsurkunde vom 15.02.2000 dahin, daß die Anrechnung des hälftigen Kindergeldes entfalle. Es handelt sich insoweit um ein Abänderungsbegehren nach § 2 des Unterhaltstitel-Anpassungsgesetzes (Art. 4 des Gesetzes zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung und zur Änderung des Kindesunterhaltsrechts vom 02.11.2000; BGBl. I, S. 1479, 1480). Danach können Unterhaltstitel auf Antrag im vereinfachten Verfahren nach § 655 ZPO für die Zeit nach Antragstellung dahin abgeändert werden, daß die Anrechnung von kindbezogenen Leistungen im Sinne der §§ 1612 b und 1612 c BGB unterbleibt, soweit der Unterhalt 135 % des Regelbetrages nach der Regelbetrag-Verordnung nicht übersteigt. Die vom Antragsgegner mit der sofortigen. Beschwerde gegen das Abänderungsbegehren erhobenen Einwendungen sind unzulässig bzw. unbegründet.

Soweit der Antragsgegner mit der sofortigen Beschwerde geltend macht, sein Einkommen habe sich verringert, handelt es sich um eine unzulässige Einwendung. Nach § 655 Abs. 5 Satz 2 ZPO können mit der sofortigen Beschwerde nur die in Abs. 3 genannten Einwendungen sowie die Unrichtigkeit der Kostenfestsetzung geltend gemacht werden. Zu den nach § 655 Abs. 3 ZPO statthaften Einwendungen gehören diejenigen gegen die Zulässigkeit des vereinfachten Verfahrens, den Zeitpunkt der Abänderung oder die Berechnung des Betrages der nach den §§ 1612 b, 1612 c BGB anzurechnenden Leistungen. Der Einwand fehlender Leistungsfähigkeit, den der Antragsgegner unter Hinweis auf seine Einkommenssituation erhebt, fällt nicht darunter. Insbesondere handelt es sich nicht um eine Einwendung gegen die Berechnung des Betrages der nach den §§ 1612 b, 1612 c BGB anzurechnenden Leistungen.

Zwar hat die Antragstellerin mit ihrem Abänderungsantrag eine veränderte Anrechnung des Kindergeldes nach § 1612 b Abs. 5 BGB verlangt, wobei sich die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners, da sie für die Festsetzung eines Vomhundertsatzes des Regelbetrages gem. § 1612 a BGB von Bedeutung ist, auf die Höhe des anzurechnenden Kindergeldes auswirkt. Zulässig ist eine Einwendung im Sinne des § 655 Abs. 3 ZPO aber nur, wenn mit ihr die Berechnung des anzurechnenden Kindergeldes gerügt wird. Damit ist die Berechnungsweise gemeint. Nicht entscheidend kann es sein, ob die zutreffenden Beträge in die Berechnung eingestellt worden sind. Wollte man dies nämlich zulassen, so wären im Rahmen des § 655 Abs. 3 sämtliche Einwendungen möglich, die sich auf die Höhe des zu leistenden Unterhalts auswirken können. Der gesetzgeberische Zweck, Einwendungen im Rahmen des vereinfachten Abänderungsverfahrens nach § 655 ZPO nur eingeschränkt zuzulassen und den Antragsgegner im übrigen auf die Abänderungskorrekturklage nach § 656 ZPO zu verweisen, wäre nicht mehr gewahrt. Der Einwand der eingeschränkten Leistungsfähigkeit kann daher im Rahmen von § 655 Abs. 3 ZPO nicht erhoben werden (Zöller/Philippi, a.a.O., § 655, Rz. 10).

Soweit der Antragsgegner sich mit der sofortigen Beschwerde dagegen wendet, daß eine Abänderung der Jugendamtsurkunde bereits ab 09.01.2001 und nicht erst ab Zustellung des Antrags am 28.02.2001 erfolgt sei, handelt es sich um eine zulässige Einwendung im Sinne des § 655 Abs. 5 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 ZPO, da sie den Zeitpunkt der Abänderung betrifft. Die Einwendung ist aber unbegründet. Denn nach § 2 des Unterhaltstitel-Anpassungsgesetzes kann der bestehende Titel für die Zeit nach Antragstellung abgeändert werden. Maßgebend ist hierbei der Eingang des Antrags beim Amtsgericht, so daß Abänderung vom Tag nach Antragseingang an verlangt werden kann (Vossenkämper, FamRZ 2000, 1547, 1550).

Mit der Antragstellung im Sinne des § 2 des Unterhaltstitel-Anpassungsgesetzes ist entgegen der Auffassung des Antragsgegners nicht die Zustellung des Antrags an ihn, sondern bereits der Eingang des Antrags beim Amtsgericht gemeint. Im Rahmen der Erstfestsetzung von Unterhalt im vereinfachten Verfahren wird allerdings die Auffassung vertreten, dem Antragsteller, der sich darauf beschränkt, Unterhalt für die Zukunft zu verlangen, sei Unterhalt vom Ersten des Monats an zuzusprechen, in dem der eingereichte Antrag dem Antragsgegner zugestellt wird (Zöller/Philippi, a.a.O., § 646, Rz. 3). Ob dem zu folgen ist, kann dahinstehen.

Anders als in § 2 des Unterhaltstitel-Anpassungsgesetzes ist in § 646 ZPO nicht ausdrücklich geregelt, von welchem Zeitpunkt an der begehrte Beschluss Wirkung entfalten kann. Wenn in § 2 des Unterhaltstitel-Anpassungsgesetzes auf die Antragstellung abgehoben wird, bedeutet dies eine Abkehr von dem in § 1613 Abs. 1 BGB enthaltenen Grundsatz, dass, soweit keine Inverzugsetzung und auch keine Aufforderung zur Auskunfterteilung zum Zwecke der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen vorliegt, Unterhalt erst ab Rechtshängigkeit des Unterhaltsanspruchs zugesprochen werden kann. Der Begriff der Rechtshängigkeit ist gemäß §§ 261 Abs. 1, 253 Abs. 1 ZPO gesetzlich dahin definiert, dass sie durch Klagezustellung begründet wird. Wenn der Gesetzgeber in § 2 des Unterhaltstitel-Anpassungsgesetzes hieran nicht anknüpft (vgl. auch BT-Drucksache 14/3781, S. 8), ist davon auszugehen, dass es insoweit nicht auf die Zustellung des Antrags, sondern auf dessen Einreichung bei Gericht ankommt. Eine solche Auslegung stößt auch nicht deshalb auf Bedenken, weil eine Ungleichbehandlung gegenüber klageweise geltend gemachtem Unterhalt dahin vorliegt, dass letzterer, soweit nur Unterhalt für die Zukunft verlangt wird, erst ab Rechtshängigkeit zuerkannt werden kann. Denn § 2 des Unterhaltstitel-Anpassungsgesetzes betrifft nicht den originären Unterhaltsanspruch, sondern lediglich die veränderte Kindergeldanrechnung. Insoweit bedarf der Unterhaltsschuldner nicht des weitergehenden Schutzes des § 1613 Abs. 1 BGB. Entsprechend wird auch, soweit trotz der Inbezugnahme von § 646 Abs. 1 Nr. 4, 5 ZPO (vgl. Zöller/Philippi, a.a.O., § 655, Rz. 4) in § 655 Abs. 6 ZPO die Auffassung vertreten wird, im Rahmen des vereinfachten Änderungsverfahrens nach § 655 ZPO sei eine rückwirkende Erhöhung des Unterhalts nicht möglich, eine Änderung für die Zeit nach Antragseinreichung, nicht nach Antragszustellung, befürwortet (Rühl/Greßmann, Kindesunterhaltsgesetz, Rz. 271; Baumbach/Lauterbach/Albers, ZPO, 59. Aufl., § 655, Rz. 10).

Nach alledem kommt es für den Abänderungszeitpunkt auf die Einreichung des Antrags beim Amtsgericht an. Vorliegend ist der Antrag am 08.01.2001 dort eingegangen. Somit kann die Abänderung ab 09.01.2001 erfolgen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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