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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 05.03.2007
Aktenzeichen: 10 WF 13/07
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 114
BGB § 1606 Abs. 3 Satz 1
BGB § 1606 Abs. 3 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

10 WF 13/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Familiensache

hat der 2. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die Beschwerde der Beklagten vom 23. November 2006 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Fürstenwalde vom 3. November 2006 in der Fassung der Nichtabhilfeentscheidung vom 12. Januar 2007 durch den Richter am Oberlandesgericht Gutjahr als Einzelrichter

am 5. März 2007

beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird teilweise abgeändert.

Den Beklagten wird Prozesskostenhilfe zur Verteidigung gegen die Klage in vollem Umfang bewilligt.

Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Die zulässige sofortige Beschwerde der Beklagten ist begründet. Ihnen ist Prozesskostenhilfe in vollem Umfang zu bewilligen. Denn die von ihnen beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet insgesamt hinreichende Aussicht auf Erfolg, § 114 ZPO.

1.

Bei der im Prozesskostenhilfeverfahren gebotenen summarischen Prüfung (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 26. Aufl., § 114, Rz. 19; Verfahrenshandbuch Familiensachen - FamVerf -/ Gutjahr, § 1, Rz. 254) ist von hinreichender Leistungsfähigkeit des Klägers, den für die Beklagten titulierten Unterhalt weiterzuzahlen, auszugehen. Dies ergibt sich schon, wenn man von seinem Einkommen von 1.203 €, wie es das Amtsgericht seiner Berechnung in der Nichtabhilfeentscheidung zu Grunde gelegt hat, den notwendigen Selbstbehalt von 820 € (vgl. Nr. 21.2 der Unterhaltsleitlinien des Brandenburgischen Oberlandesgerichts, Stand 1.7.2005) ohne Berücksichtigung einer Haushaltsersparnis absetzt. Für Unterhaltszwecke stehen dann nämlich 383 € zur Verfügung. Auf Grund des gerichtlichen Vergleichs vom 14.11.2003 (10 F 116/03) sind 200 € für die Beklagte zu 1. und 170 € für die Beklagte zu 2., insgesamt also 370 €, tituliert. Der Kläger ist danach weiterhin in der Lage, den titulierten Unterhalt zu zahlen.

Bei dieser Berechnung ist im Prozesskostenhilfeverfahren zu Gunsten der Beklagten davon auszugehen, dass das minderjährige Kind Ch... des Klägers in eine Mangelverteilung nicht mit einzubeziehen ist. Die Beklagten haben eine Barunterhaltspflicht des Klägers gegenüber diesem Kind bestritten. Es wäre daher Sache des Klägers, die Barunterhaltspflicht im Einzelnen darzulegen und unter Beweis zu stellen.

Allerdings entfällt eine Barunterhaltspflicht des Klägers gegenüber dem am ... 2004 geborenen Kind Ch... entgegen der von den Beklagten mit Schriftsatz vom 20.3.2006 geäußerten Rechtsauffassung nicht schon deshalb, weil der Kläger mit Ch... und dessen Mutter in einem gemeinsamen Haushalt lebt. In einem solchen Fall wird zwar regelmäßig kein Barunterhalt gezahlt. Tatsächlich müssen die Eltern für den Unterhalt des Kindes aber aufkommen, sodass grundsätzlich auch die Einbeziehung eines Kindes, das im Haushalt des Unterhaltsschuldners lebt, in die Mangelfallberechnung in Betracht kommt.

Der Kläger hat aber nicht hinreichend dargelegt, in welchem Umfang er barunterhaltspflichtig ist. Gemäß § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB haften mehrere gleich nahe Verwandte anteilig nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen. Dies hat grundsätzlich auch eine anteilige Unterhaltspflicht beider Elternteile zur Folge. Allerdings ist die Vorschrift des § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB zu beachten, wonach der Elternteil, der ein minderjähriges unverheiratetes Kind betreut, seine Verpflichtung, zum Unterhalt des Kindes beizutragen, in der Regel durch die Pflege und Erziehung des Kindes erfüllt. Ohne weitere Darlegung des Klägers kann aber nicht zu Lasten der Beklagten davon ausgegangen werden, dass das Kind Ch... allein von seiner Mutter betreut wird, sodass der Barunterhalt allein vom Kläger zu leisten wäre.

Der Kläger hat weder zu den Betreuungsverhältnissen noch zum Einkommen der Mutter des Kindes vorgetragen. Mag es auch nahe liegen, dass angesichts der vollschichtigen Erwerbstätigkeit des Klägers die Mutter des Kindes allenfalls stundenweise erwerbstätig ist und über entsprechend geringere Einkünfte verfügt, so ist doch zumindest denkbar, dass sie, etwa bei Betreuung des Kindes durch Dritte, ebenfalls vollschichtig erwerbstätig ist und ein Einkommen mindestens in der Größenordnung desjenigen des Klägers erzielt. Ausgeschlossen ist nicht einmal, dass unter Berücksichtigung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Mutter ein erhebliches wirtschaftliches Ungleichgewicht zwischen den Eltern besteht, das selbst dann, wenn die Mutter das Kind überwiegend betreut, dazu führt, dass sie dem Kind gegenüber allein unterhaltspflichtig ist (vgl. hierzu Senat, FamRZ 2006, 1780 f.; Palandt/Diederichsen, BGB, 66. Aufl., § 1606, Rz. 18).

2.

Für das weitere Verfahren wird vorsorglich auf Folgendes hingewiesen:

a)

Zutreffend ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass dem Kläger kein fiktives Einkommen aus Nebentätigkeit zuzurechnen ist. Im Hinblick auf die in Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Handlungsfreiheit ist, wenn einem Unterhaltsberechtigten fiktive Nebenverdienste angerechnet werden sollen, am Maßstab der Verhältnismäßigkeit zu prüfen, ob die zeitliche und physische Belastung durch die ausgeübte und die zusätzliche Arbeit dem Unterhaltspflichtigen unter Berücksichtigung auch der Bestimmungen, die die Rechtsordnung zum Schutz der Arbeitskraft vorgibt, abverlangt werden kann (BVerfG, FamRZ 2003, 661, 662). Im Hinblick darauf obliegt es dem Unterhaltsverpflichteten nach der ständigen Rechtsprechung des Senats lediglich, einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit nachzugehen und die berufstypischen Überstunden abzuleisten (Senat, FamRZ 2007, 71; ebenso OLG Schleswig, FamRZ 1996, 217, 218; Luthin/Margraf, Handbuch des Unterhaltsrechts, 10. Aufl., Rz. 1026; Heiß/Heiß, ABC der unterhaltspflichtigen Einkünfte, "Nebentätigkeit", S. 261 f.). Der Kläger geht, wie sich bereits aus der Aufstellung der Beklagten über seine Arbeitszeiten mit Schriftsatz vom 2.1.2007 ergibt, einer vollschichtigen Berufstätigkeit von 40 Wochenstunden, das sind rund 173 Arbeitsstunden im Monat, nach. Eine Nebentätigkeit kann von ihm daher nicht verlangt werden.

b)

Ebenfalls zutreffend ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass ein Abzug für berufsbedingte Aufwendungen nicht in Betracht kommt. Im Mangelfall sind sämtliche Aufwendungen im Einzelnen darzulegen und nachzuweisen (Nr. 10.2.1 der genannten Leitlinien). Dies ist vorliegend nicht geschehen. Soweit der Kläger Kosten für die Reinigung der Arbeitskleidung geltend macht, ist zu beachten, dass berufsbedingter Aufwand sich eindeutig von den Kosten der privaten Lebenshaltung abgrenzen lassen muss. Kosten der Kleiderreinigung fallen allgemein an. Ein aus beruflichen Gründen entstehender Mehraufwand dieser Art lässt sich ohne konkrete Angaben hierzu grundsätzlich nicht mit der erforderlichen Zuverlässigkeit schätzen (BGH, FamRZ 2007, 193).

c)

Eine Herabsetzung des Selbstbehalts mit Rücksicht auf das Zusammenleben des Klägers mit der Mutter des Kindes Ch... kommt grundsätzlich in Betracht (vgl. BGH, FamRZ 2004, 24; BGH, Beschluss vom 17.1.2007 - XII ZA 42/06 -; Schael, FuR 2006, 6 ff.). Die sich aus diesem Umstand ergebende Haushaltsersparnis setzt der Senat regelmäßig mit 12,5 % für jeden der beiden Partner der Lebensgemeinschaft an, wenn beide Partner hinreichend leistungsfähig sind. Der Selbstbehalt darf allerdings höchstens bis auf das Existenzminimum nach sozialhilferechtlichen Grundsätzen herabgesetzt werden (BGH, Beschluss vom 17.1.2007, a.a.O.).

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.

Ende der Entscheidung

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