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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 08.12.2008
Aktenzeichen: 10 WF 226/08
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, HausratsVO, ZVG


Vorschriften:

ZPO § 115
ZPO § 127 Abs. 2
ZPO § 127 Abs. 3
ZPO § 287
BGB § 745 Abs. 2
BGB § 1361 b
HausratsVO § 2
HausratsVO § 5
ZVG § 180 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Fürstenwalde vom 2. Juli 2008 aufgehoben und die Sache an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Gründe:

Die Zustellung des angefochtenen Beschlusses an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin ist erst für den 28.8.2008 nachgewiesen. Die am 26.9.2008 beim Amtsgericht eingegangene sofortige Beschwerde der Klägerin, mit der sie sich gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe (PKH) für ihre auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung gerichteten Klage wendet, ist daher gemäß § 127 Abs. 2 und 3 ZPO zulässig. Sie hat insoweit Erfolg, als das Rechtsmittel zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht führt. Die Begründung des Amtsgerichts trägt die Versagung der beantragten Prozesskostenhilfe nicht.

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist es mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem in Art. 20 Abs. 3 GG allgemein niedergelegten Rechtsstaatsprinzips nicht Aufgabe des summarischen Prozesskostenhilfeverfahrens, streitige Rechtsfragen zu entscheiden. Nach einer heute im Vordringen befindlichen Auffassung in Literatur und Rechtsprechung, der auch der zweite Familiensenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts folgt, besteht auch im Falle des freiwilligen Auszugs eines Ehegatten aus einer im Miteigentum der beiden Ehegatten stehenden Eigentumswohnung nach § 1361 b BGB - als lex specialis gegenüber § 745 Abs. 2 BGB - ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung (vgl. hierzu Palandt/Brudermüller, BGB, 67. Aufl., § 1361 b, Rn. 20 m. w. N.; Wendl/Gerhardt, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 7. Aufl., § 1, Rn. 363 a). Die Vorschrift gilt allerdings nur bis zur Rechtskraft der Scheidung. Für die Zeit danach - um die es auch im vorliegenden Verfahren geht - kommen die §§ 2, 5 Hausratsverordnung zur Anwendung. Bei einer Auseinandersetzung des Miteigentums durch Teilungsversteigerung, wie sie hier ebenfalls im Raum steht, ist zusätzlich § 180 Abs. 3 ZVG als lex specialis zu beachten (vgl. hierzu Palandt/Brudermüller, a.a.O., § 3 Hausratverordnung, Rn. 3).

Im Übrigen kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass hier die allgemeine Zivilabteilung des Amtsgerichts Fürstenwalde mit Schreiben vom 7.11.2007 seine funktionelle Unzuständigkeit gerade auch mit dem Hinweis darauf angenommen hat, es handele sich bei dem mit der Klageschrift vom 25.10.2007 geltend gemachten Nutzungsentschädigungsanspruch des freiwillig ausziehenden Ehegatten um einen familienrechtlichen Anspruch. Wollte man die Klägerin nunmehr auf einen allgemeinen zivilrechtlichen Anspruch verweisen, würde das dazu führen, ihr den nachgesuchten Rechtsschutz vorzuenthalten.

2. Bei der Entscheidung über die festzusetzende Höhe der Nutzungsentschädigung ist eine Billigkeitsprüfung vorzunehmen. Diese hat neben dem Mietwert der Wohnung zu berücksichtigen, wer die Zins- und Tilgungsleistungen bzw. die verbrauchsunabhängigen Nebenkosten für die frühere Ehewohnung trägt. Auch kann berücksichtigt werden, ob die Wohnungsüberlassung durch das Verhalten des anderen Ehegatten veranlasst worden ist, wie es hier von der Klägerin in ihrer Beschwerdeschrift konkret behauptet wird.

Das Amtsgericht hat in diesem Zusammenhang keine Feststellungen getroffen und auch nicht die erforderliche Billigkeitsabwägung vorgenommen. Dies wird nachzuholen sein.

3. Das Amtsgericht hat in dem angefochtenen Beschluss ausführt, das Beweisangebot der Klägerin sei "völlig überzogen", soweit es darauf abziele, zur Ermittlung einer ortsüblichen Vergleichsmiete ein Sachverständigengutachten einzuholen. Der Klägerin sei zuzumuten, die "ortsübliche Vergleichsmiete über Verwaltungsbehörden, Makler, Mietervereine o. a. in Erfahrung zu bringen". Damit hat da Amtsgericht die Anforderungen an die PKH-Bewilligung überspannt. Die Klägerin hat zu den Wohnwert bildenden Faktoren hinreichende Einzeltatsachen vorgetragen. Da nichts dafür spricht, dass die Klägerin über eine eigene Sachkunde hinsichtlich der objektiven Marktmiete für das in Rede stehende Hausgrundstück verfügt und sie darüber auch nicht verfügen muss, handelt es sich nicht um einen unzulässigen Ausforschungsbeweis, wenn sie sich zum Beweis des behaupteten Mietwerts der Wohnung auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens beruft. Diesen Beweisantritt "als völlig überzogen" zu qualifizieren, ist nicht nachvollziehbar und erscheint nicht sachgerecht. Im Übrigen ist es dem Amtsgericht unbenommen, bei hinreichender eigener Sachkunde bzw. entsprechend vorhandenen Schätzungsgrundlagen gemäß § 287 ZPO eine eigene Schätzung der objektiven Marktmiete des Hauses bzw. des angemessenen Wohnwerts vorzunehmen.

4. Im PKH-Heft der Klägerin fehlen aktuelle Angaben zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen. Die vorgelegte Verdienstabrechnung stammt aus 8/2007. Sie ist zudem unzureichend, weil darin etwaige Sonderzuwendungen (z. B. Weihnachts- und Urlaubsgeld) nicht enthalten sind. Auch fehlen Angaben der Klägerin zu etwaigen Steuererstattungen oder -nachzahlungen. Ferner enthält vorgelegte Formularerklärung der Klägerin nicht die erforderliche Angabe zum Kontostand ihres Girokontos.

Im Ergebnis war der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht zurückzuweisen, damit dieses in der Sache selbst unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen neu entscheidet. Ferner sind vom Amtsgericht nach Anforderung von aktuellen Angaben der Klägerin zu ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen die erforderlichen Feststellungen zu ihrer Bedürftigkeit im Sinne von § 115 ZPO zu treffen.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 127 Abs. 4 ZPO).

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