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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 23.10.2007
Aktenzeichen: 10 WF 244/07
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 115
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 572 Abs. 3
BGB § 1603 Abs. 2
BGB § 1603 Abs. 2 Satz 2
BGB § 1629 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

10 WF 244/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Familiensache

hat der 2. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Liceni-Kierstein als Einzelrichterin

am 23. Oktober 2007

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des Amtsgerichts Fürstenwalde vom 11. Juli 2007 aufgehoben und die Sache an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Gründe:

Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde, mit der sich der Beklagte gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe für die von ihm beabsichtigte Rechtsverteidigung wendet, führt insoweit zum Erfolg, als die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses an das Amtsgericht zurückzuverweisen ist.

I.

Während des laufenden Prozesses ist der am ... 1989 geborene Sohn der Parteien volljährig geworden. Damit endete am ... 2007 die Prozessstandschaft der Mutter. Es hat automatisch ein Parteiwechsel stattgefunden (vgl. hierzu BGH NJW 1983, 2084), so dass der Sohn selbst in die Stellung des Klägers (zu 2.) eingetreten ist. Der Parteiwechsel gilt nicht nur für den laufenden Kindesunterhalt, sondern auch für die Unterhaltsrückstände (vgl. hierzu Palandt-Diederichsen, BGB, 66. Aufl., § 1629, Rn. 36).

II.

Insoweit ist es Sache des Amtsgerichts zu klären, ob der Kläger zu 2. überhaupt den Prozess im eigenen Namen gegen den Beklagten fortsetzen will. Das ist in vergleichbaren Situationen erfahrungsgemäß häufig nicht der Fall.

In der Sache selbst ist die Sach- und Rechtslage im summarischen PKH-Verfahren wie folgt zu beurteilen:

1.

Im Hinblick auf das Zusammenleben der Kindeseltern bis 9/2006 kann von dem Beklagten bis zu diesem Zeitpunkt von vornherein weder ein Arbeitsstellenwechsel verlangt werden noch kann die Zurechnung etwaiger fiktiver Einkünfte aus einer Nebentätigkeit erfolgen.

2.

Aber auch für die Zeit danach, also ab 10/2006, ist jedenfalls für die im Rahmen des PKH-Verfahrens gebotene summarische Beurteilung das tatsächliche Erwerbseinkommen des Beklagten zugrunde zu legen. Eine Verletzung der gemäß § 1603 Abs. 2 BGB gesteigerten Erwerbsobliegenheit des Beklagten lässt sich nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand nicht annehmen.

Wie sich aus der zutreffenden Auflistung des Beklagten in seiner Beschwerdeschrift in Verbindung mit den vorgelegten Einzellohnabrechnungen 10/2006 bis 6/2007 ergibt, hat der Beklagte in dieser Zeit 1.513,4 Stunden gearbeitet bzw. ist ihm eine entsprechende Stundenzahl von seinem Arbeitgeber bezahlt worden. Das entspricht gut 168 Stunden im Monatsdurchschnitt. Diese Anzahl an Arbeits- bzw. bezahlten Stunden entspricht einer vollschichtigen Beschäftigung. Zumindest hält sie sich im Rahmen der in der Branche (Gartenbau), in der der Beklagte jedenfalls seit 5/2004 tätig ist, zu tolerierenden Schwankungen bzw. Abweichungen.

In der Zeit von 10 bis 12/2006 hat der Beklagte einen Nettoverdienst von rund 1.220 € im Monatsdurchschnitt erzielt. Auch das ist im Rahmen des summarischen PKH-Verfahrens nicht als unangemessen wenig zu beanstanden. Soweit der Beklagte ab 1/2007 ein reduziertes Arbeitseinkommen bezieht, beruht das entscheidend auf dem unausweichlichen trennungsbedingten Lohnsteuerklassenwechsel von III / 2 KFB nach I / 1 KFB. Dieser Einkommensrückgang ist dem Beklagten nicht anzulasten. Von ihm kann unter den vorstehend festgestellten Umständen nach ständiger Senatsrechtsprechung weder ein Arbeitsplatzwechsel noch neben seiner im Wesentlichen vollschichtigen Arbeit eine weitere Nebentätigkeit gefordert werden.

Im Ergebnis ist daher für das PKH-Verfahren allein von den tatsächlichen Erwerbseinkünften des Beklagten im Rahmen der Unterhaltsbemessung auszugehen.

3.

Ausweislich seiner vorgelegten Lohnabrechnungen hat der Beklagte im Kalenderjahr 2006 - ohne etwaige im Hauptsacheverfahren noch zu berücksichtigende Steuererstattungen oder -nachzahlungen - ein Nettoeinkommen von rund 1.191 € im Monatsdurchschnitt erzielt. Unter Berücksichtigung seines notwendigen Selbstbehalts standen dem Beklagten im Anspruchszeitraum 10 bis 12/2006 mithin (1.191 € - 820 € =) 371 € für den Kindesunterhalt zur Verfügung. Folglich entfällt auf jedes der beiden seinerzeit der 3. Altersstufe zuzuordnenden Kinder ein Betrag von 185,50 € monatlich.

4.

Aufgrund der mit dem Lohnsteuerklassenwechsel sowie mit dem Führerscheinverlust verbundenen Einkommensreduzierung erzielte der Beklagte in der Zeit von 1 - 6/2007 nur noch Einkünfte in Höhe von rund 1.081 € im Monatsdurchschnitt. Für den Kindesunterhalt standen damit ab 1/2007 monatlich nur noch (1.081 € - 820 € =) 261 € zur Verfügung. Damit entfallen für die Zeit vom 01.01. bis zum 14.09.2007 monatlich 130,50 € auf jedes Kind.

5.

Am 15.09.2007 ist der Sohn des Beklagten volljährig geworden. Damit endete nicht nur die gesetzliche Prozessstandschaft der Mutter nach § 1629 Abs. 3 BGB. Vielmehr ist sie dem Kläger zu 2. seither ebenfalls barunterhaltspflichtig. Für die nach ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen (§ 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB) auf die Eltern entfallende Haftungsquote ist das (privilegiert) volljährige Kind darlegungs- und beweispflichtig. Hierzu fehlt bislang jedoch jeder Sachvortrag des Klägers zu 2. Sein Unterhaltsbedarf bestimmt sich seit dem 15.09.2007 und seinem Wechsel in die 4. Altersstufe nach den zusammengerechneten Einkünften beider Eltern.

Auf der Grundlage des bisherigen Sach- und Streitstandes lassen sich insoweit keine Feststellungen treffen. Diese aber sind maßgebend dafür, wie das für den Kindesunterhalt zur Verfügung stehende Einkommen des Beklagten in Höhe von monatlich 261 € zwischen den beiden Kindern zu verteilen ist. Nicht abschließend geklärt ist auch die Frage, ob es sich bei dem Kläger zu 2. überhaupt noch um einen privilegiert Volljährigen i.S.v. § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB handelt, der unterhaltsrechtlich mit seiner noch minderjährigen Schwester gleichrangig ist.

III.

Im Ergebnis kann die PKH-Entscheidung des Amtsgerichts keinen Bestand haben. Der angefochtene Beschluss war deshalb aufzuheben und die Sache gemäß § 572 Abs. 3 ZPO an das Amtsgericht zurückzuverweisen, damit dieses unter Beachtung der vorstehenden Ausführungen die erforderlichen Feststellungen - auch zur wirtschaftlichen Bedürftigkeit des Beklagten i.S.v. §§ 114, 115 ZPO - trifft und sodann über das PKH-Gesuch des Beklagten neu entscheidet.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 127 Abs. 4 ZPO).

Ende der Entscheidung

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