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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 22.01.2009
Aktenzeichen: 10 WF 253/08
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Untätigkeitsbeschwerde der Antragstellerin hin wird das Amtsgericht Perleberg angewiesen, das Zwangsmittelverfahren und das Hauptsacheverfahren nach dem Gewaltschutzgesetz beschleunigt fortzuführen und zum Abschluss zu bringen.

Gründe:

I.

Die Beschwerde ist zulässig, auch wenn mit ihr nicht eine vom Amtsgericht erlassene Entscheidung angegriffen, sondern lediglich eine von der Antragstellerin als solche beanstandete Untätigkeit des Amtsgerichts gerügt wird. Denn aus dem Rechtsstaatsprinzip, Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG, lässt sich der Anspruch auf Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes ableiten. Im Interesse der Rechtssicherheit müssen strittige Rechtsverhältnisse in angemessener Zeit geklärt werden (BVerfG, FamRZ 2001, 753). Um den Anspruch der Verfahrensbeteiligten auf einen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, ist die weder in der ZPO noch im FGG gesetzlich geregelte Untätigkeitsbeschwerde von der Rechtsprechung als außerordentlicher Rechtsbehelf geschaffen worden. Verfahrensgegenstand ist ausschließlich die Untätigkeit des erstinstanzlichen Gerichts, nicht aber die Überprüfung einer bereits ergangenen Entscheidung. Die Gerichte können bei Begründetheit der Untätigkeitsbeschwerde auch nur angewiesen werden, dem Verfahren Fortgang zu geben (BVerfG, FamRZ 2005, 173, 174; FamRZ 2005, 1233, 1234). Eine Sachentscheidung des Beschwerdegerichts auf eine Untätigkeitsbeschwerde hin ist somit ausgeschlossen.

II.

Die Untätigkeitsbeschwerde ist begründet. Die Verfahrensdauer vor dem Amtsgericht ist unangemessen lang. Das Amtsgericht ist daher anzuweisen, das Zwangsmittelverfahren und das Hauptsacheverfahren nach dem Gewaltschutzgesetz beschleunigt fortzuführen und zum Abschluss zu bringen.

Ob eine Verfahrensdauer unangemessen lang ist, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. Bestimmend sind vor allem die Natur des Verfahrens und die Auswirkungen einer langen Verfahrensdauer für die Beteiligten (BVerfG FamRZ 2008, 2258, 2259). Vorliegend geht es um einen Antrag auf Festsetzung eines Zwangsgeldes wegen Verstoßes gegen einen im einstweiligen Anordnungsverfahren geschlossenen Vergleich sowie um das Hauptsacheverfahren nach dem Gewaltschutzgesetz. Beide Verfahren sind grundsätzlich eilbedürftig (vgl. zum Zweck des Gewaltschutzgesetzes auch Keidel/Weber, FGG, 15. Aufl., Vorbemerkungen vor § 64b, Rz. 3). Vor diesem Hintergrund hätte das Amtsgericht den Fortgang der Verfahren konsequenter fördern müssen.

1. Die Verfahrensdauer hinsichtlich des Zwangsmittelverfahrens ist unangemessen lang.

Mit der beim Oberlandesgericht eingegangenen Untätigkeitsbeschwerde hat die Antragstellerin den Gang des Verfahrens dargestellt. Nachdem dem Senat nunmehr die Akte des Amtsgerichts vorliegt, lässt sich feststellen, dass der dargestellte Verfahrensablauf im Wesentlichen zutrifft. Allerdings hat die Antragstellerin vergessen zu erwähnen, dass sie ihren ursprünglichen Antrag auf Festsetzung eines Zwangsgeldes vom 06.02.2008 mit Schriftsatz vom 26.02.2008 zurückgenommen hat. Eines aktuellen Tätigwerdens des Amtsgerichts bedurfte es daher erst mit dem Eingang eines weiteren Antrags auf Zwangsgeldfestsetzung vom 25.03.2008. Diesen Antrag allerdings hätte das Amtsgericht inzwischen längst bescheiden, zumindest aber den Fortgang des Verfahrens nachhaltig fördern müssen. Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass die Verfahrensakte auf Anforderung des Amtsgerichts Winsen (Luhe) vom 19.05.2008 und der Staatsanwaltschaft Neuruppin vom 12.11.2008 zwischenzeitlich kurzfristig an andere Behörden versandt worden ist. Denn nach Eingang des Antrags vom 25.03.2008 stand dem Amtsgericht die Verfahrensakte überwiegend zur Verfügung, sodass das Verfahren hätte gefördert werden können.

In der mündlichen Verhandlung vom 30.06.2008 hat das Amtsgericht ausweislich des Sitzungsprotokolls die Auffassung zum Ausdruck gebracht, dass die einstweilige Anordnung ausgelaufen sei und der Antragstellerin insoweit Schriftsatznachlass gewährt. Mit Schriftsatz vom 04.07.2008 (Bl. 110) hat die Antragstellerin daraufhin nochmals ausdrücklich beantragt, über ihren Antrag auf Festsetzung von Zwangsmitteln vom 25.03.2008 zu entscheiden. Dabei hat sie darauf hingewiesen, dass zwar die einstweilige Anordnung vom 04.12.2007 auf die Zeit bis zum 03.06.2008 begrenzt gewesen sei, sie jedoch die Festsetzung eines Zwangsgeldes wegen Verletzung der den Antragsgegner treffenden Verpflichtung aufgrund des Vergleichs vom 17.12.2007, der weiterhin Wirksamkeit entfalte, begehre. Vor diesem Hintergrund war das Amtsgericht gehalten, alsbald über den Zwangsmittelantrag zu entscheiden. Dies gilt umso mehr für die Zeit ab 10.10.2008, da die Antragstellerin an jenem Tag unter Hinweis auf einen aus ihrer Sicht schwerwiegenden Vorfall nochmals um Bescheidung ihres Antrags gebeten hat. Angesichts all dessen hätte über den Zwangsmittelantrag jedenfalls bis zum Eingang der Untätigkeitsbeschwerde am Oberlandesgericht entschieden sein müssen bzw. es hätten jedenfalls weitere verfahrensfördernde Anordnungen getroffen werden müssen. Dass dies geschehen ist, lässt sich der Akte nicht entnehmen.

2. Auch im Hinblick auf das Hauptsacheverfahren nach dem Gewaltschutzgesetz ist die Verfahrensdauer unangemessen lang. Der diesbezügliche Antrag ist bereits am 03.12.2007 beim Amtsgericht eingegangen. Ungeachtet des Erlasses einer einstweiligen Anordnung am 04.12.2007 und des Vergleichsschlusses im einstweiligen Anordnungsverfahren in der mündlichen Verhandlung vom 17.12.2007 hätte auch das Hauptsacheverfahren weiter betrieben werden müssen. Dies gilt insbesondere für die Zeit nach dem 30.06.2008.

In der mündlichen Verhandlung vom 30.06.2008 hat das Amtsgericht unter Hinweis darauf, dass die Ehewohnung nicht mehr existiere, die Auffassung zum Ausdruck gebracht, dass eine Zuständigkeit für das Hauptsacheverfahren nicht mehr gegeben sein. Mit Rücksicht auf den bereits erwähnten Schriftsatznachlass hat die Antragstellerin in dem Schriftsatz vom 04.07.2008 auch beantragt, das Hauptsacheverfahren durchzuführen und über den Hauptsacheantrag vom 03.12.2007 zu entscheiden. In der Begründung hat sie dazu ausgeführt, dass wegen der Ausführungen des Gerichts beantragt werde, den Rechtsstreit an das zuständige Amtsgericht Winsen (Luhe) zu verweisen. Auch im Hinblick auf diesen Schriftsatz sind weitere verfahrensfördernde Anordnungen des Amtsgerichts trotz Erinnerung der Antragstellerin an den Verweisungsantrag unter dem 06.08.2008 nicht erkennbar.

III.

Von einer Kostenentscheidung ist abzusehen, da es sich vorliegend um ein einseitiges Beschwerdeverfahren ohne eigentlichen Gegner handelt (vgl. Senat, FamRZ 2007, 491; OLG Karlsruhe, OLGR Karlsruhe 2004, 33, 35).

Ende der Entscheidung

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