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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 15.12.2005
Aktenzeichen: 10 WF 295/05
Rechtsgebiete: BGB, FGG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 1666
BGB § 1666 a
FGG § 13 a Abs. 1 Satz 1
FGG § 14
ZPO § 114
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 127 Abs. 4
ZPO § 620 b Abs. 2
ZPO § 621 g
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.

Den Eltern wird sowohl für das Hauptverfahren nach § 1666 BGB als auch für das diesbezügliche einstweilige Anordnungsverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin ... in ... beigeordnet.

Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Die gemäß §§ 14 FGG, 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist begründet. Den Eltern ist Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts besteht für die Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg. Auch ist die Rechtsverteidigung nicht mutwillig, § 114 ZPO.

Durch Beschluss vom 22.7.2004 hat das Amtsgericht ohne vorherige mündliche Verhandlung das Aufenthaltsbestimmungsrecht, die Gesundheitsfürsorge und die Berechtigung für die Inanspruchnahme von Hilfen zur Erziehung für die Minderjährige auf das Jugendamt übertragen. Im angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht ausgeführt, dass es nach dem gegenwärtigen Stand des Verfahrens nicht möglich erscheine, diese gerichtliche Entscheidung abzuändern. Demnach ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass die Rechtsverteidigung der Eltern keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete. Dabei hatte das Amtsgericht die Anforderungen an die Erfolgsaussicht überspannt.

Die Prüfung der Erfolgsaussicht soll nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Dies bedeutet zugleich, dass Prozesskostenhilfe nur verweigert werden darf, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (BVerfG, FamRZ 2005, 1893). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist gerade in den Verfahren, in denen es um den (teilweisen) Entzug der elterlichen Sorge nach § 1666 BGB geht, Zurückhaltung bei der Versagung von Prozesskostenhilfe für die Eltern geboten. Dabei kann dahinstehen, ob den Eltern unter dem Gesichtspunkt der notwendigen Verfahrensbeteiligung nicht ohnehin unabhängig von der Erfolgsaussicht Prozesskostenhilfe zu bewilligen ist (vgl. zu dieser Problematik im Scheidungsverfahren Verfahrenshandbuch Familiensachen - FamVerf -/Gutjahr, § 6, Rz. 107 und bezüglich der Vaterschaftsanfechtungsklage FamVerf/Gutjahr, § 10, Rz. 71).

Denn insoweit ist schon wegen des erheblichen Eingriffs in das Grundrecht der Eltern nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG Zurückhaltung geboten. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der auch in § 1666 a BGB seinen Niederschlag gefunden hat, ist zu beachten (vgl. MünchKomm/Olsen, BGB, 4. Aufl., § 1666, Rz. 1; Bamberger/Roth/Veit, BGB, § 1666, Rz. 28). Die Erfolgsaussicht ist im vorliegenden Fall schon deshalb zu bejahen, weil die Eltern den derzeitigen Aufenthalt des Kindes im Kinderhaus nicht in Frage stellen, sondern lediglich um eine mildere Maßnahme nachsuchen, wie dies im Schriftsatz vom 7.9.2005 zum Ausdruck gekommen ist.

Die Rechtsverteidigung der Eltern ist auch nicht mutwillig. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts kann Mutwillen nicht allein im Hinblick auf telefonische Äußerungen des Vaters angenommen werden. Es ist schon zweifelhaft, inwieweit derartige Äußerungen eines Elternteils auch Mutwillen hinsichtlich der Rechtsverteidigung des anderen Elternteils begründen können. Im Übrigen handelt es sich um Äußerungen eines juristisch nicht vorgebildeten Beteiligten, der anwaltlich vertreten ist. Derartige Bekundungen sind mit Zurückhaltung aufzunehmen. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass es dem Vater tatsächlich nicht mehr darum geht, Inhaber der elterlichen Sorge oder wichtiger Teilbereiche davon zu bleiben, lassen sich auf Grund der Telefonnotizen nicht gewinnen.

Prozesskostenhilfe ist nicht allein für das Hauptverfahren nach § 1666 BGB zu bewilligen, welches vom Amtsgericht offensichtlich betrieben wird, wie das bereits eingeholte Sachverständigengutachten deutlich macht. Vielmehr ist die Prozesskostenhilfebewilligung auch auf das Verfahren über die einstweilige Anordnung zu erstrecken. Die Verfahrensbevollmächtigte der Eltern hat im Schriftsatz vom 25.9.2005 zutreffend darauf hingewiesen, dass das einstweilige Anordnungsverfahren noch nicht beendet ist. Der diesbezügliche Beschluss des Amtsgerichts vom 22.7.2004 ist ohne mündliche Verhandlung ergangen. Die damaligen Verfahrensbevollmächtigten der Eltern haben unter dem 13.8.2004 den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt. Eine solche Verhandlung hat am 6.9.2004 stattgefunden. Ein Beschluss darüber, ob die einstweilige Anordnung aufrechterhalten bleibe, ist, soweit ersichtlich, nicht ergangen. Dies war aber nach §§ 621 g, 620 b Abs. 2 ZPO geboten (vgl. auch Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 621 g, Rz. 3, § 620, Rz. 44 f., § 620 b, Rz. 15 ff.).

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet, vgl. § 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG, 127 Abs. 4 ZPO.

Ende der Entscheidung

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