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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 11.01.2007
Aktenzeichen: 10 WF 4/07
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 93
ZPO § 114
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 572 Abs. 2
ZPO § 648 Abs. 2
BGB § 242
BGB § 1603 Abs. 2 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

10 WF 4/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Familiensache

hat der 2. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Liceni-Kierstein als Einzelrichterin

am 11. Januar 2007

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des Amtsgerichts Nauen vom 5. Dezember 2006 abgeändert.

Dem Beklagten wird unter Beiordnung von Rechtsanwalt D... in D... ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt, soweit er sich gegen die Zahlung übergegangenen Kindesunterhalts bis einschließlich 5/2006 wendet und für die Zeit ab 6/2006 die Freistellung von den Verfahrenskosten begehrt.

Gründe:

Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Beklagten gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe (PKH) für seine Rechtsverteidigung hat in der Sache Erfolg. Dem Beklagten steht für die Zeit bis einschließlich 5/2006 gegenüber der aus übergegangenem Recht geltend gemachten Unterhaltsforderung des klagenden Landes (in Höhe von insgesamt 1.282 €) der Einwand unzulässiger Rechtsausübung gemäß § 242 BGB zu. Ferner hat er für den Unterhaltszeitraum ab 6/2006 keine Veranlassung zur Klage im Sinne von § 93 ZPO gegeben.

Zwar fehlt vorliegend die an sich gemäß § 572 Abs. 2 ZPO erforderliche förmliche Nichtabhilfeentscheidung des Amtsgerichts. Es ist aber nach den Umständen davon auszugehen, dass das Amtsgericht auch nach Beschwerdeeinlegung an seinem Rechtsstandpunkt festhalten und von seiner Abhilfebefugnis keinen Gebrauch machen wollte.

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts kann dem Beklagten seine erst am 21.11.2006 bei Gericht eingegangene Klageerwiderung nicht zum Vorwurf gemacht werden. Das Amtsgericht hat die zunächst bis zum 15.11.2006 gesetzte Erwiderungsfrist auf den fristgerechten Antrag des Beklagten hin selbst (stillschweigend) bis zum 21.11.2006 verlängert.

Bei der Frage der Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung des Beklagten geht es - worauf von ihm wiederholt hingewiesen worden ist - nicht um seine gemäß § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB gegenüber dem minderjährigen Sohn gesteigerte materiell-rechtliche Unterhaltsverpflichtung in Höhe von 100 % des Regelbetrages. Diese stellt der Beklagte selbst nicht in Abrede. Das klagende Land muss sich jedoch widersprüchliches Verhalten vorhalten lassen, das gemäß § 242 BGB den Einwand unzulässiger Rechtsausübung rechtfertigt. Dies reicht jedenfalls für das summarische PKH-Verfahren für eine Bejahung der Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung des Beklagten gemäß § 114 ZPO.

Ungeachtet der wiederholten Aufforderung des Beklagten zur Auskunfterteilung durch das Jugendamt des Landkreises H... in 2005 und bis Anfang 2006 ist der Beklagte unter dem 5.5.2006 ausdrücklich - und offensichtlich von einem anderen als dem sonst zuständigen Mitarbeiter des Jugendamts - davon in Kenntnis gesetzt worden, dass er nach Auswertung der angeforderten Unterlagen "im Sinne des Unterhaltsrechts finanziell nicht leistungsfähig (sei) ... und somit eine Unterhaltsfestlegung durch das Jugendamt momentan nicht erfolgen kann". Zwar hat das Jugendamt den Beklagten im Anschluss daran in seinem Schreiben darauf hingewiesen, dass sein Sohn F... Kindesunterhalt in Höhe von 100 % des Regelbetrages verlangen könne und die Kindesmutter die Möglichkeit habe, auf gerichtlichem Wege die Schaffung eines entsprechenden Titels anzustreben. Bei verständiger Auslegung durfte der Beklagte nach Treu und Glauben das Schreiben des Jugendamts vom 5.5.2006 aber dahin verstehen, dass er jedenfalls vom Jugendamt für die Vergangenheit bis einschließlich des Monats 5/2006 nicht mehr außergerichtlich oder gerichtlich auf rückständigen Unterhalt in Anspruch genommen werden würde. Durch das Schreiben vom 5.5.2006 hat das Jugendamt selbst einen Vertrauenstatbestand geschaffen. Auch wenn es in der Folgezeit bis zur Zustellung des Antrags auf Festsetzung von Unterhalt vom 22.6.2006 nicht zu besonderen Vermögensdispositionen des Beklagten gekommen sein sollte, ist das durch das Jugendamtsschreiben geschaffene Vertrauen des Beklagten schutzwürdig. Zumindest konnte er nicht davon ausgehen, dass das Jugendamt einen Antrag auf Festsetzung von rückständigen Unterhalt bis 5/2006 stellen und diesen auf einen Sachverhalt - fiktive Leistungsfähigkeit - stützen würde, welcher unvereinbar mit dem Inhalt des Schreibens vom 5.5.2006 ist. Mit einem solchen widersprüchlichen Verhalten des Jugendamts musste der Beklagte jedenfalls bei der im PKH-Verfahren gebotenen summarischen Beurteilung nicht rechnen. Dieses Verhalten rechtfertigt den vom Beklagten erhobenen Einwand unzulässiger Rechtsausübung gemäß § 242 BGB (vgl. hierzu Palandt/Heinrichs, BGB, 66. Aufl., § 242, Rn. 55 ff.). Ferner durfte er nach dem Inhalt des Schreibens vom 5.5.2006 davon ausgehen, dass er vor einer gerichtlichen Inanspruchnahme vom Jugendamt eine neue eindeutige Aufforderung zu einer der Höhe nach bestimmten Unterhaltsleistung unter gleichzeitiger konkreter Angabe des Zeitpunkts, von dem an ein bestimmter Unterhalt gezahlt werden sollte, erhalten würde. Daran fehlt es vorliegend ebenfalls.

Der Beklagte hat sich auf die am 12.7.2006 erfolgte Zustellung des Festsetzungsantrags hin zur Zahlung des begehrten Kindesunterhalts gemäß § 648 Abs. 2 ZPO verpflichtet. Er hält an diesem teilweisen Anerkenntnis des Unterhalts auch nach Überleitung in das streitige Verfahren (§ 651 ZPO) fest. Ein Beklagter, der das Klagebegehren anerkennt, verteidigt sich nicht mehr gegen die Klage. Grundsätzlich ist ihm daher PKH zur Rechtsverteidigung nicht zu bewilligen (vgl. hierzu Zöller/Philippi, ZPO, 26. Aufl., § 114, Rn. 25). Bei einem Anerkenntnis ist jedoch eine Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung im Sinne von § 114 ZPO dann zu bejahen, wenn die beklagte Partei keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat und daher gemäß § 93 ZPO von den Kosten des Verfahrens freizustellen ist (vgl. hierzu OLG Hamm, FamRZ 2006, 1770). Auch im Streitfall bestehen nach den vorstehend dargelegten Umständen für den Unterhaltszeitraum ab 6/2006 bei summarischer Betrachtung hinreichende Aussichten auf Erfolg (§ 114 ZPO), dass zu Gunsten des Beklagten wegen seines sofortigen Anerkenntnisses eine Kostenentscheidung nach Maßgabe des § 93 ZPO ergehen wird.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 127 Abs. 4 ZPO).

Ende der Entscheidung

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