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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 12.07.2001
Aktenzeichen: 10 WF 45/01
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, BErzGG


Vorschriften:

ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 114
ZPO § 620 b
ZPO § 323
ZPO § 620 a
ZPO § 620 f Abs. 1
ZPO § 127 Abs. 4
BGB § 1603 Abs. 2
BGB § 16151 Abs. 2 S. 2
BErzGG § 9
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluß

10 WF 45/01 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Familiensache

hat der 2. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die Beschwerde der Klägerin vom 30. März 2001 gegen den Beschluß des Amtsgerichts Bernau vom 15. März 2001 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Schael, die Richterin am Oberlandesgericht Berger und den Richter am Oberlandesgericht Gutjahr

am 12. Juli 2001

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Die gem. § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige Beschwerde ist unbegründet. Der Klägerin kann Prozeßkostenhilfe über den vom Amtsgericht gewährten Umfang hinaus nicht bewilligt werden. Denn ihre weitergehende Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, § 114 ZPO.

Die Klägerin begehrt Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts vom 29.02.2000 (6 b F 32/99). Hierbei handelt es sich um einen im einstweiligen Anordnungsverfahren ergangenen Abänderungsbeschluß nach § 620 b ZPO. Da einstweilige Anordnungen nicht in materielle Rechtskraft erwachsen, findet eine Abänderungsklage nach § 323 ZPO nicht statt (BGH, FamRZ 1983, 355, 356). Der Unterhaltsverpflichtete kann aber auf Feststellung klagen, daß er geringeren Unterhalt schulde, als in der einstweiligen Anordnung festgesetzt (Zöller/Philippi, ZPO, 22. Aufl., § 620 b, Rz. 19). Im Wege der Auslegung ist davon auszugehen, daß die Klägerin eine entsprechende negative Feststellung begehrt. Die Formulierung des Antrags ist insoweit nicht ausschlaggebend. Vielmehr ist anzunehmen, daß die Partei das anstrebt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der richtig verstandenen Interessenlage der Partei entspricht (BGH, NJW-RR 1995, 1183; Verfahrenshandbuch Familiensachen (FamVerf)/Schael, § 1, Rz. 393). So wie ein Antrag des Unterhaltsschuldners auf Feststellung, er schulde keinen Unterhalt mehr, unter Heranziehung der Klagebegründung und des sonstigen Vorbringens dahin auszulegen sein kann, daß Abänderung gem. § 323 ZPO begehrt werde (OLG München, FamRZ 1992, 213; AG Tempelhof/Kreuzberg, FamRZ 1996, 46), ist umgekehrt, wenn über den Unterhalt bislang allein durch einstweilige Anordnung gem. §§ 620 a, b ZPO entschieden worden ist, eine Auslegung dahin möglich, es werde Feststellung des Nichtbestehens einer Unterhaltsschuld begehrt.

Die Feststellung, Kindesunterhalt nicht mehr zu schulden, kann die Klägerin nicht, wie von ihr geltend gemacht, bereits ab 01.12.2000 verlangen. Allerdings unterliegt die negative Feststellungsklage keiner Einschränkung dahin, daß die Feststellung erst ab Rechtshängigkeit der Klage oder ab Verzug des Gläubigers mit einem Verzicht auf seine Rechte aus der einstweiligen Anordnung begehrt werden könnte (BGH, FamRZ 1989, 850; FamVerf/Schael, a.a.O., § 1, Rz. 414). Der Umstand, daß die Feststellung, eine Unterhaltspflicht bestehe nicht mehr, erst mit Eintritt der Rechtskraft eine anderweitige Regelung im Sinne des § 620 f Abs. 1 ZPO darstellt (BGH, FamRZ 1991, 180, 182; Wendl/Thalmann, Unterhaltsrecht, 5. Aufl., § 8, Rz. 193), ist insoweit ohne Bedeutung. Dem Feststellungsbegehren kann aber deshalb nicht entsprochen werden, weil die Klägerin für den betreffenden Zeitraum entgegen ihrer Auffassung leistungsfähig ist.

Ein unterhaltspflichtiger Ehegatte bleibt seiner früheren Familie auch nach Eingehung einer neuen Ehe unterhaltspflichtig. Die häusliche Tätigkeit entlastet einen unterhaltspflichtigen Ehegatten unterhaltsrechtlich nur gegenüber den Mitgliedern seiner neuen Familie, denen diese Fürsorge - im Gegensatz zu den nicht im neuen Familienverband lebenden minderjährigen Kindern aus erster Ehe - allein zugute kommt. Der unterhaltsrechtliche Gleichrang der Kinder aus erster und zweiter Ehe verwehrt es dem unterhaltspflichtigen Ehegatten, sich nach Eingehung der neuen Ehe ohne weiteres auf die Sorge für die Mitglieder seiner neuen Familie zu beschränken. Die von den Partnern der neuen Ehe gewählte Rollenverteilung dahin, daß der unterhaltspflichtige Ehegatte im Haushalt tätig ist und die Kindesbetreuung übernimmt, muss allerdings im Einzelfall dann vom Unterhaltsberechtigten hingenommen werden, wenn sich der Familienunterhalt in der neuen Ehe dadurch, daß der andere Ehegatte voll erwerbstätig ist, wesentlich günstiger gestaltet, als es der Fall wäre, wenn dieser die Kindesbetreuung übernehmen würde und der unterhaltspflichtige Elternteil voll erwerbstätig wäre. Außer diesen wirtschaftlichen Gesichtspunkten können im Einzelfall auch sonstige Gründe, die einen erkennbaren Vorteil für die neue Familie mit sich bringen, im Einzelfall einen Rollentausch rechtfertigen (BGH, FamRZ 1996, 796). Diese Grundsätze sind auch heranzuziehen, wenn der barunterhaltspflichtige Elternteil nicht wiederverheiratet ist, sondern wie hier in nichtehelicher Lebensgemeinschaft mit einem neuen Partner zusammenlebt und ein aus dieser Beziehung stammendes Kind betreut (BGH, FamRZ 2001, 614, 616). Ob der Rollentausch hier durch einen erkennbaren Vorteil gerechtfertigt ist, ob insbesondere, wie vom Amtsgericht angenommen, der Klägerin während des ersten Lebensjahres des Kindes aus der neuen Ehe eine Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann, bedarf keiner Entscheidung. Denn die Klägerin bezieht ausweislich des Bescheides der Erziehungsgeldstelle des Landkreises Barnim vom 13.11.2000 für den Zeitraum vom 1. bis zum 12. Lebensmonat des Kindes Erziehungsgeld, und zwar ab 1.12.2000 in Höhe von 600 DM monatlich. Das Erziehungsgeld hat sie für Unterhaltszahlungen an ihr minderjähriges Kind aus der früheren Ehe zu verwenden.

Zwar werden Unterhaltspflichten durch den Bezug des Erziehungsgeldes grundsätzlich nicht berührt; dies gilt jedoch nicht im Falle der gesteigerten Unterhaltspflicht nach § 1603 Abs. 2 BGB, § 9 BErzGG (OLG Düsseldorf, FamRZ 1991, 592; OLG Nürnberg, FamRZ 1994, 1402; Wendl/Haußleiter, a.a.O., § 1, Rz. 85 sowie Wendl/Scholz, a.a.O., § 2, Rz. 177). Das Erziehungsgeld von monatlich 600 DM versetzt die Klägerin in die Lage, weiterhin den durch Beschluss vom 29.2.2000 festgesetzten Unterhalt von 291 DM für das aus der früheren Ehe stammende Kind D zu zahlen. Da sie dem Vorbringen des Beklagten, der Vater des Kindes T erziele ein monatliches Nettoeinkommen von mindestens 3.000 DM nicht widersprochen hat, ist davon auszugehen, daß ihr eigener Unterhalt durch ihren Lebensgefährten hinreichend gesichert ist, § 16151 Abs. 2 S. 2 BGB, so daß das Erziehungsgeld für Unterhaltszwecke Verwendung finden kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.

Ende der Entscheidung

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